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Ohnesorg nickte und schwieg. Er bezweifelte nicht, daß jedes Wort von Dürr & Hager #32 aus dem Herzen kam und aufrichtig gemeint war, aber er erkannte auch einen vorbereiteten Auftritt, wenn er einen sah. Der Rat hatte Dürr & Hager #32 auf diese Rede vorbereitet, um der weiteren Komplikation die Schärfe zu nehmen. Wahrscheinlich hatten sie Dürr & Hager

#32 sogar die Rede geschrieben, um sicherzugehen, daß seine Worte den richtigen Eindruck auf die Zuschauer und die Neuankömmlinge machten. Ohnesorg jedenfalls hätte es so gemacht. Aber Ohnesorg war auch lange genug Berufsrebell, um sich nicht von Emotionen mitreißen zu lassen. Seine Aufgabe auf Technos III lautete, die Produktion des Hyperraumantriebs aufzuhalten, und wenn das bedeutete, die Fabrik zusammen mit allen Klonen darin vollständig zu zerstören, dann würde er das tun. Natürlich würde er froh sein, wenn sich ein Weg fand, wie er den Ausgestoßenen dabei helfen konnte, die Klone zuerst zu retten. Schließlich waren es in erster Linie Dinge wie diese gewesen, die ihn zu einem Rebellen hatten werden lassen.

»Grabenkriege sind für mich nichts Neues«, sagte Ohnesorg endlich. »Wir haben ein gutes Stück Zeit in Gräben verbracht, nicht wahr, Alex? Selbstverständlich waren wir damals jünger.

Das gleiche gilt für Tunnelkämpfe. Nichts Neues an Tunnelratten oder dem vielen vergossenen Blut, das niemals vom Tageslicht beschienen werden wird. Ich habe nicht vor, Euch zu beleidigen, indem ich Euch belehre, wie Ihr zu kämpfen habt.

Wahrscheinlich wißt Ihr mehr über das Kämpfen, als ich je gewußt habe. Aber Alex und ich bekämpfen das Imperium schon unser ganzes Leben lang. Wir kennen Strategien und Tricks, die Euch vielleicht den entscheidenden Vorteil über die Truppen der Wolfs und der Kirche verschaffen können. Wir wissen, wie der Verstand des Feindes arbeitet.

Ich weiß, daß Ihr enttäuscht seid, weil wir nur zu dritt gekommen sind. Aber die Menschen strömen auf Hunderten von Welten zu den Untergrundbewegungen, und alle suchen nach einer Gelegenheit, gegen das Imperium loszuschlagen. Unglücklicherweise gibt es nur eine beschränkte Anzahl von Beratern auf Golgatha, die herumreisen können. Ihr habt Jakob Ohnesorgs Wort, daß Ihr alles bekommen werdet, was Ihr benötigt, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Doch im Augenblick ist es von größter Bedeutung zu verhindern, daß die Imperatorin den neuen Antrieb erhält, den die Wolfs in ihrer Fabrik produzieren sollen. Wenn die Imperiale Flotte erst mit dem neuen Antrieb ausgerüstet ist, könnte Löwenstein am Ende unschlagbar sein. Aus diesem Grund sind wir gekommen. Wir wollen Euch helfen, die Produktion zu stoppen und, falls möglich, die Wolfs zu vertreiben. Anschließend wird es an Euch liegen, diesen Planeten zu halten, während wir den Rest des Imperiums bekämpfen. Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um Euch zu helfen. Wir mögen vielleicht nur zu dritt sein, aber Ihr wärt überrascht, wenn Ihr wüßtet, wozu wir imstande sind.«

»Mit anderen Worten«, sagte Gespenster-Alice und fixierte Ohnesorg mit ihrem beunruhigenden Blick, »Ihr kommt hier hereinspaziert und wollt alles übernehmen. Die Dinge selbst in die Hand nehmen und die großen Helden spielen. Wieder einmal. Ist das richtig?«

»Falsch«, widersprach Ohnesorg. »Das habe ich zu oft getan.

Ich bin nur hier, um ein Beispiel zu geben. Ich werde neben Euch in der vordersten Linie kämpfen und Euch zeigen, was ich in all den Jahren als Berufsrebell gelernt habe. Alex wird ebenfalls kämpfen, genau wie Ruby Reise hier, aber auf andere Art und Weise. Ihr habt um Hilfe gebeten, und wir sind gekommen. Gemeinsam werden wir diese Fabrik in Stücke reißen.«

Die vier Anführer der Ausgestoßenen steckten die Köpfe zusammen und tuschelten eindringlich. Eine laute Diskussion entbrannte unter den Zuschauern, als man über das diskutierte, was Ohnesorg gesagt hatte. Jakob Ohnesorg blickte gelassen in die Runde, doch er wollte verdammt sein, wenn er auch nur aus einem einzigen ihrer Gesichter hätte lesen können, welchen Eindruck seine Worte hinterlassen hatten. Er war der Meinung, alle richtigen Register gezogen zu haben, aber er konnte unmöglich sicher sein. Jakob hatte es ernst gemeint. Er wollte nicht ihr Anführer sein, doch er mußte neben ihnen kämpfen, und wenn es nur aus dem einen einzigen Grund war, sich selbst zu beweisen, daß er es noch konnte – daß der legendäre Jakob Ohnesorg nicht am Ende doch in den Folterkammern auf Golgatha gestorben war.

Ohnesorg mußte sich eingestehen, daß die Ausgestoßenen bisher wenig beeindruckt schienen. Er machte ihnen keinen Vorwurf daraus. Jedenfalls keinen großen. Jakob Ohnesorg war ein Mann Ende Vierzig, der zwanzig Jahre älter aussah, trotz aller Veränderungen, die das Labyrinth des Wahnsinns in ihm bewirkt hatte. Ein plötzliches Geräusch unterbrach ihn in seinen Gedanken, und er wandte scharf den Kopf. Es war ein schleifendes, gleitendes Geräusch. Jakob konnte seinen Ursprung nicht feststellen. Der Boden der Kaverne begann unter seinen Füßen zu vibrieren, beinahe, als würde ein Zug vorbeifahren. Die vier Ratsmitglieder unterbrachen ihre leisen Erörterungen und blickten zu Boden. Ihre Gesichter verhärteten sich, und sie zogen die Schwerter. Ringsum erhoben sich Menschen von ihren Sitzen.

»Was ist das?« erkundigte sich Sturm. »Was geschieht hier?«

»Kriecher«, antwortete der Lange John. »Kreaturen aus der Tiefe. Sie graben sich durch das Metall, als wäre es überhaupt nicht da. Sie fressen alles, das sich nicht wehrt, und das meiste andere auch.«

Ruby Reises Hand fiel an die Hüfte, wo der Griff ihres Schwertes hätte sein sollen, und dann fluchte sie leidenschaftlich, als ihr einfiel, daß sie damit einverstanden gewesen war, unbewaffnet zu erscheinen. Sturm warf einen raschen Blick in die Runde. Ohnesorg legte ihm eine beruhigende Hand auf die Schulter.

»Macht Euch keine Sorgen«, sagte die Halsabschneider-Marie und hob das Schwert. »Wir werden Euch schützen.«

Und dann brach der Boden direkt neben Ohnesorg auf, und ein stumpfer, geschuppter Kopf brach durch und hob sich auf einem langen, gebogenen Hals in die Höhe. Der Schädel maß gut einen Meter im Durchmesser, und der Hals war so dick wie zwei Männer. Die Kreatur besaß keine Augen, doch das Maul war gespickt mit scharfen Zähnen. Chaos brach unter den Zuschauern aus, als die Menschen in den ersten Reihen versuchten, nach oben zu den höheren Sitzen und in Sicherheit zu klettern. Der Lange John hieb mit dem Schwert nach dem Hals der Bestie, aber die Klinge prallte wirkungslos von den dicken Schuppen ab. Der breite Kopf schwang herum, krachte gegen den Langen John und riß ihn von den Beinen. Alles schrie nach Verstärkung und Energiewaffen.

Ohnesorg trat vor und hämmerte mit all seiner Kraft auf den gebogenen Hals. Seine Faust durchschlug die Schuppen glatt und drang tief in das Fleisch darunter ein. Die Kreatur kreischte laut; ein hoher, durchdringender Ton, der in den Ohren schmerzte. Ohnesorg wappnete sich und schob die Hand weiter vor. Die Kreatur zuckte konvulsivisch, und schwarzes Blut sprudelte aus ihrem Maul, doch Ohnesorg ließ sich nicht abschütteln. Sein Arm versank bis zum Ellbogen in dem geschuppten Hals, und dann fanden seine tastenden Finger die langen, gewundenen Wirbel. Es dauerte nur einen einzigen Augenblick, die Faust darum zu schließen und die Wirbelsäule mit einer raschen Bewegung zu brechen. Die Kreatur erschauerte über die ganze Länge ihres sichtbaren Körpers und brach tot auf dem Boden der Kaverne zusammen.

Für einen Augenblick herrschte Totenstille, dann brach auf den Rängen donnernder Jubel aus. Die Zuschauer feierten Ohnesorg und applaudierten ihm, während die vier Ratsmitglieder ihn mit weit aufgerissenen Mündern anstarrten. Dann steckten sie die Schwerter weg und fielen in den Applaus ein. Ohnesorg grinste. Anscheinend war es ihm endlich gelungen, die Ausgestoßenen zu beeindrucken. Sturm schüttelte ungläubig den Kopf. Ohnesorg zog den blutbesudelten Arm aus dem Hals des toten Kriechers. Ruby gab ihm ein Taschentuch, mit dem er sich notdürftig reinigen konnte, beugte sich dicht an sein Ohr und murmelte leise: »Angeber.«