Der Krieg ging weiter.
Inzwischen war Frühling, und die Temperaturen schossen in die Höhe. Schnee und Eis schmolzen und überfluteten die Gräben. Überall keimte Leben auf. Fremdartige, tödliche Kreaturen erschienen wie aus dem Nichts und blockierten die Tunnel und Kavernen. Es herrschte Frühling, und die Zeit des Winterschlafs war vorüber. Die Fauna und Flora des Planeten brach aus den Wänden und den Böden, aggressiv und hungrig auf Fleisch. Hungrige Pflanzen mit weit ausladenden Dornen, Kreaturen mit dichten Fellen, die nur aus Zähnen und Klauen zu bestehen schienen, in allen Größen und Formen, und alle fest entschlossen, ihre Chance zu leben wahrzunehmen. Sie kämpften gegeneinander um Nahrung und Territorium, und die Sieger kämpften gegen die Rebellen um die Kontrolle über die blutbesudelten Tunnel und Gräben. Die Rebellen wehrten sich mit Schwertern und Äxten und gelegentlich mit einer Energiewaffe, Rücken an Rücken, und drängten die rasenden Horden zurück, wie sie es in der Vergangenheit schon so viele Male getan hatten. Die Sicherheitskräfte der Wolfs kämpften den gleichen Kampf. Es war der einzige Tag im Jahr, an dem beide Seiten keine Zeit fanden, gegeneinander Krieg zu führen. Und noch immer explodierte auf allen Seiten neues Leben. Säureverspritzende Blutegel übersäten die berstenden Wände, gewaltige Bestien gruben sich unaufhaltsam ihren Weg aus der Tiefe nach oben, getrieben von uralten Instinkten, die sie auf der Suche nach Licht und Wärme vorantrugen. Die erwachende Welt gebar Blutwürmer, stachlige Schlitzer und dornige Golems in ihrem eigenen organischen Panzer. Es herrschte Frühling, und die gesamte Welt lebte.
Jakob Ohnesorg und Ruby Reise kämpften Seite an Seite, und ihre blitzenden Klingen verspritzten fremdes Blut und fremde Eingeweide. Sie waren stark, und sie waren schnell, und sie wurden niemals müde. Jakob und Ruby schienen überall zugleich zu sein im großen Labyrinth der Tunnel, halfen, wo sie gebraucht wurden, und nichts konnte ihnen widerstehen, weder klein noch groß. Und Alexander Sturm, der einst an Ohnesorgs Seite gekämpft hatte, als er noch jung und in seinen besten Jahren und unschlagbar mit dem Schwert gewesen war, arbeitete nun die Strategie aus und schickte die Kämpfer dorthin, wo sie das meiste ausrichten konnten. Er arbeitete ununterbrochen und beschäftigte eine kleine Armee von Spähern und Kurieren, während er versuchte, sich nicht als alten Mann zu sehen.
Der Druck des hervorbrechenden Lebens wurde schwächer, als der Tag dem Ende zuging und der Frühling seinen Höhepunkt erreicht hatte. Die Ausgestoßenen unter Ohnesorg und Ruby gewannen in Rekordzeit die Kontrolle über ihre Gräben und Tunnel zurück. Die Sicherheitskräfte der Wolfs blieben nicht weit dahinter, aber sie besaßen schließlich auch Energiewaffen. Der zweite Frühlingstag ging vorüber, und Fauna und Flora waren auf ihre Plätze verwiesen worden. Endlich waren Rebellen und Söldner imstande, ihre Aufmerksamkeit wieder auf das ernste Geschäft des Krieges zu richten.
Regen ergoß sich in niemals enden wollenden Sturzbächen hernieder. Die Gräben füllten sich knöcheltief mit eisigem Wasser, das immer ein klein wenig schneller stieg, als es versickern konnte. Die Ausgestoßenen platschten durch das Wasser zu ihren Posten und warteten auf das Signal. Dann bliesen die Pfeifen, und beide Seiten stürmten aus ihren Gräben und in das Niemandsland dazwischen. Pfeile blitzten, Energiepistolen brüllten, dann waren sie heran, und es gab nur noch den Kampf Mann gegen Mann und das rauhe, reißende Geräusch von Stahl, der in Fleisch schnitt oder Knochen durchtrennte. Das Getümmel wogte hierhin und dorthin, als die Ordnung der beiden Armeen sich in individuelle Einzelkämpfe auflöste und jedermann seine Nachbarn und Kameraden aus den Augen verlor. Männer und Frauen schrien und starben, und Blut ergoß sich für kurze Zeit auf den metallenen Boden, bevor der strömende Regen es fortwaschen konnte.
Der Kampf wogte hin und her, und beide Seiten suchten nach einem Vorteil, den sie halten und ausbauen konnten. Die Kämpfer fielen wie der Regen. Männer und Frauen verschwammen zu undeutlichen Gestalten. Einige verloren im Entsetzen des Schlachtfeldes und dem niemals endenden Regen einfach den Verstand und schlugen wild um sich, ohne Rücksicht auf Freund oder Feind. Die Luft wurde so feucht, daß es schwer wurde zu atmen. Regen füllte Augen und Münder, und noch immer kämpften beide Seiten verbissen weiter.
Was sollten sie auch anderes tun? Ohnesorg und Ruby Reise kämpften Rücken an Rücken, ihre Schwerter blitzten mit atemberaubender Geschwindigkeit, und niemand konnte ihnen widerstehen. Rebellen und Söldner starben ringsum, doch Jakob und Ruby kämpften weiter, unerschütterlich, unbesiegbar. Bis am Ende die Pfeifen erneut ertönten und beide Seiten sich voneinander lösten, zurückzogen und die Toten und Verwundeten hinter sich herschleppten in die Sicherheit der Gräben und Tunnel. Und es regnete weiter. So ging der zweite Frühlingstag zu Ende.
Der Sommer brach an. Der Regen hörte auf, als hätte jemand einen Wasserhahn abgedreht, und die Hitze stieg und Stieg, bis es unerträglich wurde, und noch ein gutes Stück weiter. Das Wasser in den Gräben verwandelte sich in Dampf. Die kochende Luft brannte in den Lungen, und in der schrecklichen Hitze wurde jede Bewegung zur Qual. Die Sonne schien blendend hell aus einem grellen Himmel. Die Sicherheitsleute der Wolfs stiegen in eigens für diese Jahreszeit konstruierte Thermoanzüge. Die Rebellen benötigten derartiges nicht. Genausowenig wie Jakob Ohnesorg und Ruby Reise, zu praktisch jedermanns nicht geringer Überraschung. Die beiden paßten sich einfach an ihre Umgebung an. Und als schließlich die Pfeifen zum Angriff bliesen, stürmten beide Seiten erneut heulend aus den Gräben aufeinander zu. Schwerter stießen in Eingeweide, und Köpfe zerplatzten wie verfaulende Früchte, wenn sie von vorüberzischenden Energiestrahlen getroffen wurden. Ein Rebell schrie auf, als eine Axt seinen Arm abtrennte, und ein Söldner spuckte Blut, als ihm das halbe Gesicht weggeschlagen wurde. Männer und Frauen stampften in diese Richtung und in jene und suchten nach genügend Raum, um ihr Schwert zu schwingen.
Die Toten und Verwundeten fielen und wurden in den Boden getrampelt, als andere nach vorn und gegen den Feind drängten. Wut- und Schmerzensschreie hallten zusammen mit Schlachtrufen durch die Luft. Der unebene Grund war ein einziges purpurnes Chaos aus Blut und Schlimmerem. Am Ende des Tages ertönten die Pfeifen erneut, und beide Seiten zogen sich wieder zurück und nahmen ihre Verwundeten mit sich.
Wunden entzündeten sich rasch in der unmenschlichen Hitze.
Die Toten ließ man, wo sie waren. Man würde sie später bergen, wenn die Hitze während der Nacht ein wenig zurückgegangen wäre.
Einige Leute meldeten sich freiwillig, um in der Nacht zu kämpfen. Kleine Patrouillen von Männern und Frauen auf beiden Seiten der Front, deren Verlangen nach Blut, Rache und Kampf am Tage nicht ausgebrannt war, krochen über das in vollkommener Dunkelheit liegende Schlachtfeld und starben bei plötzlichen, lautlosen Begegnungen mitten in der Nacht. In den Gräben und Tunnels versuchten die anderen unterdessen, so viel Schlaf zu finden, wie es in der erstickenden Hitze nur möglich war. Der zweite Sommertag brach an, und die Temperaturen kletterten noch höher. Eine mörderische Hitze für jeden außer den Allerstärksten. Und noch immer kamen beide Seiten brüllend aus ihren Gräben, als die Pfeifen ertönten. Das Morden wartete schließlich darauf, erledigt zu werden.
Dann war es Herbst. Die Temperatur sackte ab wie ein Stein.
Die Pfeifen bliesen, und Männer und Frauen sprangen aus den Gräben und über Brüstungen, um erneut zu kämpfen. Das Schlachtfeld aus zerfetztem, gerissenem Metall war bereits dunkelrot vom vergossenen Blut und den Innereien des vorhergegangenen Tages, fest eingebrannt in der Oberfläche von einer gnadenlosen Sommersonne. Winde erhoben sich und wuchsen wie aus dem Nichts zu Orkanen heran, stark genug, um einen Mann aufzuwirbeln und davonzutragen. Beide Seiten trugen Gewichte an den Gürteln und in den Stiefeln, um auf dem Boden zu bleiben. Die Winde rissen verstreute Metallfragmente in einem Umkreis von mehreren Kilometern hoch und trugen sie mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die Luft. Stahlgewitter, die ungeschütztes Fleisch in Sekundenschnelle bis auf die Knochen zerfetzen konnten. Beide Seiten trugen Panzer, die sie noch mehr behinderten als die Gewichte.