Barrister war nicht dumm, nur stur. Er würde nicht in den Ruhestand treten. Es gab nichts, wohin er hätte gehen können.
Klipp war ein Problem für sich. Sie war klug, schnell und erschreckend effizient und eine der zehn besten Investigatoren der gesamten Truppe. Und sie wußte es. Klipp starb langsam an einer seltenen Nervenkrankheit. Es gab keine Heilung außer der Regenerationsmaschine, und deren Gebrauch war den Aristokraten vorbehalten. Wäre sie jung und in ihren besten Jahren gewesen, hätte der Halbe Mann für sie vielleicht sogar eine Ausnahme erwirken können, als persönlichen Gefallen ihm zuliebe. Aber es hatte schon Gerüchte gegeben, daß Klipp älter und langsamer wurde, bevor die Krankheit ausgebrochen war.
Das Leben der Investigatoren war hart und brutal. Sie war nicht verbittert. Sie war eine gute Soldatin, und ihre Erfahrung war unschätzbar. Der Halbe Mann konnte sich auf sie verlassen – höchstwahrscheinlich jedenfalls.
Der Halbe Mann schob den Sessel vom Schreibtisch zurück, erhob sich und ging zum Bett hinüber. Er legte sich nieder, ohne sich erst die Mühe zu machen, die Bettlaken zurückzuziehen. Er benötigte keinen Schlaf mehr. Der Halbe Mann hatte nicht mehr geschlafen, seit die Fremden an ihm herumgepfuscht hatten. Aber er hatte sich angewöhnt, jede Nacht ein paar Stunden zu ruhen, so daß er träumen konnte. Manchmal erinnerte er sich in seinen Träumen an einiges von dem, was die Fremden mit ihm angestellt hatten, und dann erwachte er jedesmal schreiend. Aber er brauchte seine Träume. Der Halbe Mann mußte sich genau an alles erinnern, was sie mit ihm angestellt, hatten. Alles, ohne Unterschied, egal, wie schlimm es war. Weil das wirkliche Entsetzen nämlich darin lag, daß die Veränderungen, die sie an ihm durchgeführt hatten, noch immer nicht zu Ende waren. Mit jedem Jahr wurde die Energiekonstruktion, die nun seine rechte Körperhälfte bildete, ein wenig größer – und fraß ein wenig von seiner menschlichen Hälfte auf. Nur sehr wenig. Aber es war ein fortlaufender Prozeß, und er schien sich nicht zu verlangsamen. Eines Tages wäre all seine Menschlichkeit verschwunden, und der Halbe Mann hatte nicht die leiseste Idee, wer oder was er dann sein würde.
Es schien ihm auch, daß die Energiehälfte seines Körpers sich mehr und mehr in ihrer Gestalt änderte, nach und nach weniger menschlich und mehr von irgend etwas anderem wurde. Etwas Fremdem. Der Halbe Mann besaß keine Erinnerung daran, wie die Fremden aussahen, die ihn verändert hatten, außer während kurzer Augenblicke in seinen Alpträumen, aber er empfand die Spuren, die sich in seiner Energiehälfte zeigten, als höchst beunruhigend, ja besorgniserregend. Und was noch schlimmer war, der Halbe Mann machte sich langsam Sorgen, daß die Energiehälfte vielleicht ihre eigene Intelligenz besaß und möglicherweise auch eigene, undurchschaubare Pläne. Es war von allergrößter Bedeutung für den Halben Mann, daß er an dem festhielt, was von seiner Menschlichkeit und seinem Verstand noch übriggeblieben war, schon aus Furcht vor dem, was sie vielleicht eines Tages ersetzen mochte.
Und das war einer der Gründe gewesen, aus denen der Halbe Mann glücklich war, hier auf Technos III sein zu können. Es würde ihm guttun, wieder auf dem Schlachtfeld zu stehen.
Meistens saß er heutzutage nämlich an seinem Schreibtisch.
Als die Imperatorin schnelle Ergebnisse auf Technos III verlangt hatte, hatte der Halbe Mann die Gelegenheit mit beiden Händen ergriffen. Im Kampf waren die Dinge so viel einfacher.
Es war stets ein gutes Gefühl, die Feinde des Imperiums zu töten. Und nach allen ihm vorliegenden Berichten gaben die Ausgestoßenen und ihr neuer Anführer, wer auch immer er in Wirklichkeit sein mochte, ausgesprochen gute Feinde ab. Sie waren schlaue, tapfere und wagemutige Kämpfer. Die erste echte Herausforderung seit langem. Der Halbe Mann würde es genießen, sie zu töten. Und vielleicht konnte er die Gelegenheit auch dazu nutzen, Klinge, Barrister und Klipp zu lehren, wie man sich als Teil einer bewaffneten Streitmacht verhielt. Warum nicht? Er hatte ihnen ja schließlich auch beigebracht, Investigatoren zu sein.
Toby Shreck hatte zahlreiches Personal der Fabrik umgarnt, überredet und bedroht, bis er Zugang zu einem Teil des Kommunikationszentrums erhalten hatte, um dort die für den folgenden Tag geplante Sendung abzumischen. Er hatte eine gewaltige Menge Filmmaterial beisammen, dank des hervorragenden Flynn, der sich im Augenblick wahrscheinlich in seinem Quartier in einem hübschen kleinen Zweiteiler mit Perlenketten entspannte – hoffentlich hinter verschlossenen Türen – und Toby all die Arbeit des Auswählens überließ, welche kostbaren Augenblicke aufgezeichneter Geschichte den Weg in die endgültige Sendung fanden. Toby starrte auf die Schirme und Mischpulte vor sich, schenkte sich einen weiteren Drink ein und spülte damit zwei Aufputschpillen hinunter. Dann steckte er die Zigarre wieder in den Mund. Es war zwei Uhr morgens, Drähte ragten überall aus seinem Schädel, und seine Finger bewegten sich schneller, als seine Gedanken folgen konnten.
So bekam man seine Arbeit am besten erledigt. Jedenfalls, wenn man Toby Shreck hieß und einen engen Termin zu erfüllen hatte.
Toby vermißte einen Zimmerservice, den er hätte anschnauzen können – andererseits war er es nicht anders gewöhnt. Der Whiskey brannte in seiner Brust und in seinen Gedanken, das Aufputschmittel hämmerte durch seine Adern, und der Rauch der Zigarre hielt ihn im Gleichgewicht, während er die Spreu vom Weizen trennte. Diese Zusammenfassung mußte gut aussehen. Wirklich gut. Die Liveübertragung vom Halben Mann und seinen drei Investigatoren hatte die Zuschauer aufgerüttelt, ihr Interesse geweckt und Toby die beste Quote aller Zeiten gebracht, aber sie hatte ihm keine Freunde unter seinen Kollegen geschaffen, die den Komplex der Wolfs seither mit einer unübersehbaren Lawine von Nachfragen, Eingaben und Forderungen nach Zutrittsbescheinigungen überschüttet hatten. Die Wolfs hatten gemauert, was Toby keineswegs überraschte. Sie dachten wohl noch immer, sie könnten die Dinge unter Kontrolle halten, solange nur Toby Shreck und sein Kameramann auf Technos III waren. Toby grinste breit und schob die Zigarre in den anderen Mundwinkel. Er würde sie eines Besseren belehren.
Aber Toby durfte sich nicht darauf verlassen, weiterhin eine so großzügige Dreherlaubnis zu erhalten. Er hatte jedermanns Aufmerksamkeit erregt, aber um sie zu behalten, würde er mit einem verdammt guten Programm über die wirklichen Geschehnisse hier auf Technos III aufwarten müssen. Es war nicht einfach gewesen. Die Leute in der Fabrik waren sehr vorsichtig mit dem, was sie Toby gegenüber erwähnten, ganz gleich, ob Flynn dabei war und filmte oder nicht. Der Befehl war von oben gekommen. Zum Glück besaß Toby bereits so viel Material, daß es den Wolfs die teuren Luxusschuhe von den Füßen reißen würde. Dieser Bericht hier würde ein ganz besonders gelungenes Beispiel für das sein, was er konnte. Toby würde sein Talent beweisen und seinen Namen zu einer bekannten Größe im Nachrichtengeschäft machen – wenn er nicht vorher umgebracht wurde. Der Bericht wäre auch eine perfekte lange Nase für all diejenigen, die ihn beleidigt oder über ihn gespottet hatten. Die Zigarre wanderte erneut von einem Mundwinkel in den anderen. Toby nahm sich ein paar Schokoladendrops aus einer angebrochenen Packung auf dem Tisch und kippte ein weiteres Glas Whiskey hinunter. Er lief zur Höchstform auf.