Beginnen wir mit dem Material über die Ehrwürdige Mutter Beatrice. Das war die Goldader.
Toby ließ die Aufzeichnungen erneut ablaufen und starrte konzentriert auf die winzigen Schirme vor sich. Zwei, manchmal drei Aufnahmen spulten zur gleichen Zeit ab, um mit seinen sich überschlagenden Ideen Schritt zu halten. Flynn hatte ein paar Panoramaaufnahmen des Hospitalzeltes gefilmt, mit dem Fabrikkomplex im Hintergrund, um die relative Größe der beiden zu verdeutlichen. Dann gab es wiederum Bilder aus dem Innern des Zeltes, wo die Verwundeten still und reglos in den Betten lagen und manchmal leise vor sich hin stöhnten.
Toby rief die Aufzeichnung von Mutter Beatrice auf einen der Monitore, in der sie erklärte, wer nach den Worten der Wolfs behandelt werden sollte und wer nicht. Dann eine Nahaufnahme ihres müden, erschöpften Gesichts.
»Im Winter… Ich habe gesehen, wie die Chirurgen mitten in einer Operation eine Pause eingelegt und ihre Hände in den dampfenden Eingeweiden des Patienten auf ihrem Tisch gewärmt haben.«
Ja. Das würde die Zuschauer aufrütteln. Die Barmherzigen Schwestern waren im gesamten Imperium angesehen und beliebt. Man würde nicht hinnehmen, daß sie unter derartigen Umständen zur Arbeit gezwungen wurden, auch nicht von den hohen und mächtigen Wolfs. Immer angenommen natürlich, Toby konnte den Bericht an den Zensoren vorbeischmuggeln.
Und es gab eine Menge Leute hier in der Fabrik, die glaubten, genügend Autorität zu besitzen, um das Band in seiner gesamten Länge zu begutachten, bevor es versandt wurde. Toby grinste breit vor sich hin. Er hatte da so ein oder zwei Ideen.
Noch einen Whiskey und noch mehr Schokolade.
Die nächsten Bänder zeigten das kurze Interview, das der Halbe Mann ihm zögernd gewährt hatte. Er hatte zuerst gar nicht mit dem Reporter sprechen wollen, und Toby mußte den Namen der Herrscherin mehr als einmal drohend erwähnen, um den Mann dazu zu bringen, lange genug stillzustehen, daß Flynn die Kamera auf ihn richten konnte. Der Halbe Mann sah auf dem Holofilm noch merkwürdiger aus als in Wirklichkeit.
Irgend etwas an dem Energiefeld, das seine rechte Körperhälfte ersetzte, überlagerte sich mit der Elektronik der Kamera. Das Feld flimmerte und oszillierte in der Aufzeichnung derart, daß das Auge des Betrachters nach einer Weile zu schmerzen begann. Wenn man lange genug hinsah, hatte man das Gefühl, als würde man hineinfallen. In eine Hölle ohne Ende. Toby schniefte. Er würde viel Arbeit damit haben, zwischen sich und dem Halben Mann ständig hin und her zu schneiden. Das würde die Zuschauer zwar von den Worten des Halben Mannes ablenken, aber er hatte sowieso nichts Neues zu sagen. Toby beugte sich ein wenig vor und blickte die Szene auf dem Schirm stirnrunzelnd an. Das halbe Gesicht war schwer zu deuten, doch an der Aufrichtigkeit der harten, abgehackten Stimme bestand kein Zweifel.
»Wer die Menschheit davon ablenkt, sich vor heranrückenden Fremden zu verteidigen, dem wird Einhalt geboten. Er muß und wird aufgehalten werden, koste es, was es wolle. Das Imperium benötigt die neuen Hyperraumantriebe, die in der Fabrik hergestellt werden sollen. Die Rebellen bedrohen diese Produktion durch ihre Handlungen. Ich werde dem ein Ende bereiten, und wenn das bedeutet, die gesamte Rebellenbevölkerung bis hin zum letzten Mann, der letzten Frau und dem letzten Kind auszulöschen, dann werde ich das tun. Das Imperium muß geschützt werden. Ich weiß, wozu die Fremden imstande sind.«
Toby schürzte unglücklich die Lippen und hielt die Aufzeichnung an. Fremde, die so etwas wie den Halben Mann hervorbringen konnten, mußten als Bedrohung für die gesamte Menschheit angesehen werden. Aber seit mehr als zweihundert Jahren hatte niemand mehr eine Spur von diesen Fremden gesehen. Und es bestand immer die Möglichkeit, daß eine Verhandlung mit den Rebellen den Krieg ein verdammtes Stück schneller beenden konnte als ein rücksichtsloses Ausrottungsprogramm. Schließlich verlangten sie gar nicht so viel. Aber für den Halben Mann war es eine Frage des Prinzips und der Autorität. Er konnte sehr stur sein für jemanden, der keinen ganzen Verstand mehr besaß, und er war nicht einmal bereit, über seinen Standpunkt zu diskutieren.
Tobys Finger huschten über die Tasten der Konsole und riefen schnelle Aufnahmen der drei Investigatoren auf die Schirme, die der Halbe Mann mitgebracht hatte. Er hatte die Erlaubnis zu einem Interview mit ihnen kategorisch verweigert, aber Flynn hatte trotzdem ein paar verstohlene Aufnahmen angefertigt. Klinge sah aus wie ein psychopathischer Killer, dem man gerade das Lieblingsrasiermesser gestohlen hatte. Barrister wirkte wie eine Maschine, die auf ihre Befehle wartete. Und Klipp… sie sah aus, als hätte sie all das bereits mehr als einmal erlebt und als hätte es sie schon beim ersten Mal nicht beeindruckt. Alle drei erweckten einen sehr gefährlichen Eindruck, absolut unerschütterlich und professionell bei allem, was sie taten. Die arme Rebellenbrut. Sie hatten keine Ahnung, was da auf sie zukam.
In diesem Augenblick wurde die Tür zum Kommunikationsraum aufgerissen, und Daniel Wolf platzte herein – nur, um gleich wieder wie angewurzelt stehenzubleiben, als er bemerkte, wie wenig Platz es gab. Es nahm seinem dramatischen Auftritt so ziemlich jede Wirkung. Er zog ein mürrisches Gesicht, als Toby sich ohne jede Eile auf seinem Stuhl zu ihm herumdrehte. Daniel beugte sich drohend vor, und Toby blies ihm rein zufällig den Rauch seiner Zigarre ins Gesicht. Daniel mußte husten und gab sich die allergrößte Mühe, bedrohlich vor Toby aufzuragen.
»Hört gut zu, Wurm! Ich will jeden Millimeter Eures Bandes sehen, bevor es gesendet wird. Das hier ist eine Fabrik des Wolf-Clans, und wir allein entscheiden, was nach draußen gelangt und was nicht. Wenn Ihr auch nur versucht, Material an mir vorbeizuschleusen, werde ich meinen Sicherheitsleuten befehlen, Euch einzusperren, und Eure Vorgesetzten bitten, mir einen Ersatzmann zu schicken, der weiß, wie das Universum funktioniert. Ihr werdet die Zellen mögen. Bei schönem Wetter könnt ihr durch die Gitterstäbe hindurch die Mauer sehen, an der wir Verräter erschießen. Und hier draußen entscheiden wir, wer ein Verräter ist und wer nicht. Also laßt die Wolfs nur ja gut aussehen. Laßt die Fabrik gut aussehen. Wenn Ihr wißt, was gut für Euch ist, kleiner Mann.«
Daniel stürmte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Toby hob die Whiskeyflasche, prostete der geschlossenen Tür damit zu und trank direkt aus der Flasche. Er hatte Druck erwartet, aber keine derartig unverhohlenen Drohungen. Daniel Wolf und seine ehrgeizige Hexe von Schwester. Sie steckte hinter den Drohungen. Daniel hatte einfach nicht genügend Verstand, um alleine auf eine Rede wie diese zu kommen. Stephanie hatte sie wahrscheinlich niedergeschrieben und von ihrem Bruder auswendig lernen lassen. Typisch Wolf. Schläger mit Stammbaum. Toby kam ein Gedanke, und er grinste boshaft.
Der junge Reporter wandte sich wieder seiner Konsole zu, und bereits nach wenigen Augenblicken fand er die Aufnahmen, die er gesucht hatte. Er ließ sie in Zeitlupe ablaufen. Daniel und Stephanie zusammen. Lily und Michael zusammen.
Lächeln und Seitenblicke und gemeinsame Körpersprache.
Wer Augen im Kopf hatte, der wußte, daß Lily und Michael es miteinander trieben. Sie waren sehr vorsichtig, damit nichts davon an die Öffentlichkeit gelangte, aber man mußte nur einen Blick auf ihre Körpersprache werfen, um zu erkennen, was sie füreinander fühlten. Die Art und Weise, wie ihre Augen leuchteten, wenn sie sich ansahen, wie ihre Körper sich einander zuwandten, ganz egal, wo sie im Raum gerade standen, die subtile Art und Weise, wie beide unbewußt bestimmte Worte und Redewendungen betonten. Toby hatte alles auf Band. Sie hätten genausogut in der Spitzenzeit eine Anzeige senden können.