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Natürlich hatten Daniel und Stephanie nichts von alledem bemerkt, weil sie sich viel zu sehr füreinander interessierten. In einigen ruhigeren Augenblicken konnte man glatt auf den Gedanken kommen, daß sie sich weit näherstanden, als es Bruder und Schwester normalerweise taten. Toby kicherte und trommelte mit beiden Händen auf die Konsole. Er durfte selbstverständlich nichts geradeheraus sagen, aber ein paar sorgfältig arrangierte Meter Film sollten ausreichen – für beide Paare.

Die Gesellschaft würde darauf anspringen, und das Gerücht würde die Runde machen. Gar nicht lange, und die Wolfs würden zum Gespött aller Leute werden, bei Hof und außerhalb.

Das würde den verdammten Daniel Wolf lehren, einfach hereinzuplatzen und derartig mit dem armen Toby Shreck umzuspringen.

In diesem Augenblick flog die Tür zum zweiten Mal auf, und Kardinal Kassar startete seinen Versuch eines dramatischen Auftritts. Wenn da nicht der Stuhl gewesen wäre, den Toby als Reaktion auf die erste Störung mitten in den Weg gestellt hatte.

Und wenn der Kardinal nicht direkt in diesen Stuhl hineingerannt wäre. Kassar versetzte dem Stuhl einen Tritt und funkelte Toby an, der sich mit unschuldigem Gesicht in seinem Sitz zurücklehnte und den Blick des Kirchenfürsten erwiderte. Er täuschte den Kardinal nicht eine Sekunde, doch das war auch nicht Tobys Absicht gewesen.

»Ich habe eine Botschaft von meinen Vorgesetzten in der Kirche erhalten«, begann Kassar, und der kalte, kontrollierte Ärger in seiner Stimme spiegelte sich in der offenen Wut seines zerstörten Gesichts wider. »Zusammengefaßt lautet sie: Eure Liveübertragung hat mich und die Kirche lächerlich gemacht, weil Ihr nicht warten konntet, bis ich eingetroffen war.

In der Botschaft stand noch mehr, aber im Prinzip wiederholte sie immer wieder das gleiche. Die Worte ›Gespött der Leute‹ fielen, zusammen mit ›Rückruf‹ und ›Degradierung‹ Hört mir genau zu, Ihr kleiner Mistkerl. Ihr werdet meine Karriere nicht zerstören, um Eure voranzutreiben. Von jetzt an werde ich alles zu Gesicht bekommen, das Ihr nach draußen schickt, und wenn Ihr etwas unternehmt, das meine oder die Position der Kirche unterminiert, dann werde ich Euch persönlich mit einer rostigen Säge exkommunizieren, habt Ihr mich verstanden?«

»Oh, klar und deutlich«, erwiderte Toby. »Ihr könntet nicht deutlicher werden.« Er nahm einen Schluck aus der Flasche und fuhr fort: »Ich würde Euch ja gerne einen Drink anbieten, Kardinal, aber ich habe nur diese eine Flasche. Und ich denke, ich sollte an dieser Stelle in aller Ehrlichkeit darauf hinweisen, daß ich meine Prinzipien habe.«

»Legt Euch noch mal mit mir an, und Eure Prinzipien werden in verschiedenen Marmeladengläsern nach Hause transportiert.«

Kassar machte auf dem Absatz kehrt und marschierte mit äußerster Würde hinaus. Er knallte die Tür hinter sich ins Schloß.

Toby wartete vorsichtig ein paar Sekunden und zeigte der geschlossenen Tür den Stinkefinger, bevor er aufstand und zwei kleine Keile unter die Tür rammte. Das sollte den unerwünschten Störungen ein für allemal ein Ende bereiten. Toby kehrte zu seiner Konsole zurück und beugte sich erneut über die Monitore. Er wußte genau, welches Stück Band er suchte. Eine nette Aufnahme vom Kardinal, wie er die Kirchentruppen in der knisternden Hitze des Sommers drillte, sie anbrüllte und schikanierte und sich ganz allgemein wie das Arschloch von Diktator benahm, das er war, während er selbst bequem im Schatten stand. Toby grinste und biß fest auf seine Zigarre. Er würde die Aufnahme nicht einmal an Kassar vorbeischmuggeln müssen.

Der verdammte Trottel war so von sich eingenommen, daß er wahrscheinlich dachte, er würde gut dabei aussehen.

Toby nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche, bevor er sie entschlossen zur Seite stellte. Das Aufputschmittel raste durch seinen Kreislauf wie querschlagende Kugeln, und er fühlte sich großartig. Toby rief ein paar Aufnahmen von den Gräben ab, die sich rings um die Fabrik zogen. Die Kreise der Hölle, aus denen niemand unverändert zurückkehrte. Ein paar Schnitte zu den Jesuitenkommandos, während sie die fanatischen Kirchentruppen vor sich her scheuchten, und dann zu den Verwundeten im Hospitalzelt von Mutter Beatrice. Toby schaukelte in seinem Sitz hin und her. Irgend jemand hämmerte gegen die Tür. Die Keile würden schon dafür sorgen, daß er draußen blieb. Tobys Finger flogen über die Tasten. Er war jetzt ganz in seinem Element. Wenn die Wolfs und der Kardinal dachten, sie könnten ihn daran hindern, die Story seines Lebens nach draußen zu bringen, dann waren sie verrückt. Sie konnten sich das Band ansehen, sooft sie nur wollten. Es würde keinen Unterschied machen. Wahrscheinlich hatten sie noch nie von der Palimpsest-Methode gehört. Man zeichnete etwas auf dem Band auf und überspielte es anschließend. Das Abspielen zeigte nur die neuere Aufnahme, aber mit der richtigen Maschine konnte man die ursprüngliche Aufzeichnung darunter wieder sichtbar machen. Das Verfahren war noch nicht lange auf dem Markt, doch Toby war stets der Meinung gewesen, daß man immer technisch auf der Höhe der Zeit sein sollte.

Hinterher würde es gewaltigen Ärger geben, doch das Interesse an Technos III wäre bis dahin so groß, daß selbst die Wolfs nicht mehr imstande wären, ihn zu zensieren. Toby Shreck lachte laut auf und arbeitete weiter bis in den frühen Morgen.

Eine Handvoll Ausgestoßener führte Jakob Ohnesorg, Alexander Sturm und Ruby Reise durch eine Reihe spärlich beleuchteter Tunnel und Korridore tief unter der Oberfläche von Technos III. Die Tunnel wurden stetig enger. Manchmal waren sie gerade noch breit genug, um zwei Männer aneinander vorbei zu lassen. An einigen Stellen waren die Wände glatt, wo die Tunnel von Energiewaffen aus dem lebendigen Gestein herausgeschnitten worden waren, und an anderen ausgefranst und gezackt, wo Werkzeuge und nackte Hände die gleiche Arbeit verrichtet hatten. Ohnesorg gab sich alle Mühe, nicht über das zunehmende Gewicht des Gesteins über seinem Kopf nachzudenken. Als Berufsrebell hatte er nicht wenig Zeit damit verbracht, von versteckten Kavernen und Tunnels unter der Oberfläche aus zu operieren, wo keine neugierigen Augen und Sensoren ihn beobachteten, doch er hatte nie gelernt, es zu mögen.

Die Tunnel wanden und bogen und verzweigten sich scheinbar endlos, ein finsteres Labyrinth von solcher Komplexität, daß jeder Außenseiter sich innerhalb weniger Minuten hoffnungslos darin verlaufen hätte. Ohnesorg zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß dahinter Absicht steckte. Die Ausgestoßenen vertrautem niemandem all ihre Geheimnisse auf einmal an, nicht einmal ihm. Jakob wäre auch von ihnen enttäuscht gewesen, wenn es nicht so gewesen wäre.

Wie immer wußte er genau, wo er sich befand, aber er behielt es für sich. Ohnesorg wollte den einheimischen Rebellen nicht die Freude verderben. Also schritt er vergnügt aus, Ruby an seiner Seite und Sturm ächzend hinter ihnen her. Ohnesorg machte sich allmählich Sorgen wegen Alexander. Sein alter Freund war viele Jahre an seiner Seite gewesen und hatte mit ihm zusammen auf mehr Planeten gegen die Eliten des Imperiums gekämpft, als sie zählen konnten. Aber sie hatten beide bereits gewußt, daß sie zu alt dafür wurden, bevor sie auf Eisfels in den Hintern getreten worden waren. Seither hatte Ohnesorg dank des Labyrinths des Wahnsinns neue Kraft gefunden und diese Tatsache richtig genossen, doch Sturm war hinter ihm zurückgeblieben. Alex wurde noch immer älter und langsamer. Er hatte den wachsenden Unterschied zwischen sich und Jakob Ohnesorg nicht sonderlich gut aufgenommen, aber Jakob wußte nicht, was er deswegen unternehmen sollte. Sturm leistete hervorragende Arbeit als Stratege und Ratgeber, aber das war nicht das gleiche wie Kämpfen, und beide wußten es.

Und so hatte Ohnesorg nicht das Herz gefunden, nein zu sagen, als Alexander darauf bestanden hatte, bei dieser speziellen Mission mitzukommen.

»Wie viele Kilometer dieser Tunnel gibt es eigentlich?« fragte Sturm und gab sich Mühe, die Müdigkeit in seiner Stimme zu verbergen. Vergeblich.