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Kardinal Kassar trug seinen schwarzen gepanzerten Kampfanzug und eine weite purpurne Kappe. Er schrie und brüllte Befehle und Gegenbefehle über die Szenerie, bis das, was von seinem Gesicht noch vorhanden war, puterrot leuchtete. Die Farbe biß sich mit seiner Kleidung und warnte vor zukünftigen Herzproblemen, doch niemand verspürte das Bedürfnis, sich dem Kardinal weit genug zu nähern, um es ihm zu sagen. Kassar fluchte und zeterte, und seine Stimme schien sich überschlagen zu wollen, während er danach trachtete, seine Leute durch die schiere Gewalt seiner Persönlichkeit dazu zu bringen, sich zu benehmen. Doch selbst die schrecklichen Strafen, die er ihnen androhte, reichten nicht aus, um die Ordnung wiederherzustellen. Die Söldner der Wolfs wollten verdammt sein, wenn sie sich von einer Bande tuntiger Hymnensänger vorführen lassen würden. Die Kirchentruppen auf der anderen Seite waren fest entschlossen, einer Bande von berufsmäßigen Schlägern zu zeigen, was Männer erreichen konnten, die dem Einen Wahren Glauben anhingen. Beide Seiten hielten die Köpfe gesenkt und gingen mehr oder weniger brutal aufeinander los.

Jesuitenkommandos rannten zwischen den Linien hin und her, brüllten Befehle oder unterbrachen mit unparteiischer Bosheit und jeder gerechtfertigten Gewalt Auseinandersetzungen auf beiden Seiten. Sie rannten hierhin und dorthin und blafften ihre Untergebenen an wie Schäferhunde ihre Schafe, aber selbst die Jesuiten konnten nicht überall zugleich sein.

Trotzdem war für beinahe jeden Beobachter klar, daß nur ihre Anstrengungen einen vollständigen Zusammenbruch jeder Autorität verhinderten. Selbst die kampferfahrenen Söldner besaßen genug Verstand, um gegenüber den Jesuiten vorsichtig zu sein. Die Jesuiten waren die Elite der Elite, harte, kaltschnäuzige Killer, von denen man sagte, daß nur die Imperialen Investigatoren ihnen gleichkämen. Sie kämpften in Schlachten neben ihren Leuten und nahmen Körperteile ihrer Feinde als Andenken mit nach Hause.

Kardinal Kassar unterbrach sein angestrengtes Schreien und biß die Zähne zusammen. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, und sein ganzer Körper zitterte angespannt in dem Wunsch, nach vorn zu rennen und die ungehorsamen Bastarde zur Rechenschaft zu ziehen, die vor seinen Augen Amok liefen. Aber das durfte er nicht. Kassar wußte, daß Flynns Kamera ihn ebenso beobachtete wie seine Männer, und er durfte sich nicht den Anschein geben, als würde er die Kontrolle verlieren.

Bisher war wirklich alles auf dieser Mission schiefgegangen, doch der Kardinal hatte jedesmal jemand anderen gefunden, dem er die Schuld in die Schuhe schieben konnte. Wenn er jetzt öffentlich versagte, würde das den eigentlichen Zweck der gesamten Mission unterminieren, nämlich die Ordnung auf Technos III wiederherzustellen, und, was genauso schlimm wäre, Kassars weiteren Karriereaussichten einen höllischen Schaden zufügen. Also mußte diese Szene hier einen vernünftigen Eindruck erwecken – selbst zu dem Preis, daß der Kardinal wahllos Leute exekutieren mußte als Beweis, daß es ihm Ernst war.

Toby Shreck beobachtete Kassar aus sicherer Entfernung und lächelte zufrieden. Er erkannte einen Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs, wenn er einen sah. Toby erkannte auch einen kompletten militärischen Fehlschlag, wenn er sich so unverhüllt zeigte wie hier. Er hatte ein derartiges Chaos nicht mehr erlebt, seit Valentin Wolf einer Militärkapelle eins seiner kleinen Mittelchen in den Mittagstee getan hatte, um sich ein wenig zu amüsieren. Die Aufzeichnungen der daraus resultierenden Ereignisse waren für mehr als sechs Monate ein Bestseller gewesen. Toby warf einen raschen Blick zu seinem Kameramann.

»Sagt mir, daß Ihr das alles aufnehmt, Flynn. Sie könnten uns keine bessere Schau bieten, wenn sie es einstudiert hätten.«

»Nur die Ruhe, Boß. Milliarden von Leuten im gesamten Imperium sind live dabei.«

Toby grinste bei dem magischen Wort ›live‹ Sein letzter Bericht hatte bereits erstklassige Quoten gebracht, die höchsten Zuschauerzahlen, die die Imperialen Nachrichten je erreicht hatten. Einige Stationen wiederholten die Sendung noch immer und bezahlten jede verlangte Summe für dieses Privileg. Flynn und Toby waren bereits im Gespräch für die Verleihung bedeutender Preise und, was noch wichtiger war, größerer Bonusse.

Die Wolfs hatten beinahe einen Herzstillstand erlitten, als sie den Bericht gesehen hatten, besonders den Teil über Mutter Beatrice, und nach ihren Anwälten geschrien, aber Stephanie und Daniel hatten es irgendwie fertiggebracht, die gesamte Schuld Valentin in die Schuhe zu schieben. Sie hatten versprochen, für Änderung zu sorgen, doch bisher war auf Technos III keine wesentliche Besserung eingetreten.

Aber die ganze Geschichte hatte auch ihr Gutes gehabt. Die Wolfs hatten den Imperialen Nachrichten zugestehen müssen, daß Toby und Flynn in Zukunft von allen bedeutsamen Ereignissen live berichten durften. Eine gewaltige Zuschauerschar im gesamten Imperium wartete begierig auf das, was die beiden als nächstes ans Licht bringen würden. Und genau das war Tobys und Flynns größtes Problem. Ein guter Auftritt benötigte eine gute Fortsetzung. Toby hatte nicht erwartet, daß bei der Beobachtung einer militärischen Übung etwas Vernünftiges herauskommen würde. Dennoch hatte er in Ermangelung einer Alternative zugestimmt. Niemand würde ihm jetzt, da er ununterbrochen von Sicherheitsleuten der Wolfs begleitet wurde, noch etwas Wichtiges verraten, und seine Zuschauer wurden allmählich ungeduldig.

Doch jetzt grinste Toby zufrieden. Gerade griff eine Bande von Gläubigen eine Bande von Söldnern an. Die Gläubigen kesselten die Wolf-Leute rasch ein und begannen, die Unterlegenen ein wenig mit den Stiefeln zu bearbeiten. Toby hätte mehr auf die Fähigkeit der Wolfs und Kardinal Kassars vertrauen sollen, alles, aber auch wirklich alles zu vermasseln, was sie anfaßten. Er warf einen erneuten Blick zu Flynn, der das sich darbietende Chaos mit geübter Lässigkeit filmte. Die Kamera schwebte im Augenblick hoch über dem Wirrwarr. Flynn sah mit Hilfe seines Komm-Implantats alles, was sie filmte. Sie schwebte ein Stück zur Seite, als Flynns Aufmerksamkeit auf einen weiteren Ausbruch von Gewalt gelenkt wurde. Trotz all seiner Fehler – und Flynn besaß eine ganze Menge davon – war er ein hervorragender Kameramann. Selbstverständlich war er seit der erstaunlich guten Resonanz auf den ersten Bericht unerträglich anmaßend und arrogant geworden. Toby war froh, daß Flynn nicht in einem schwarzen Baskenjäckchen mit Federboa erschienen war, wie er es angedroht hatte.

»Aufgepaßt, Chef«, sagte Flynn leise. »Da kommt etwas Böses in Eure Richtung.«

Toby blickte sich um und zuckte innerlich zusammen, als er Kardinal Kassar erkannte, der mit entschlossenen Schritten auf ihn zukam. Toby verspürte eine stechende Unruhe, doch er achtete sorgsam darauf, sich nichts anmerken zu lassen. Leute wie Kassar fraßen sich an Schwächen förmlich fest. Toby verbeugte sich förmlich vor dem Kardinal und schenkte ihm ein so unschuldiges Lächeln, daß er sich beinahe selbst an der Nase herumgeführt hätte.

»Einen schönen guten Morgen, Kardinal. Ist das nicht ein wunderbarer Tag? Ich schätze, der frühe Herbst von Technos III kommt halbwegs zivilisiertem Wetter noch am nächsten.

Bis die Stahlgewitter anfangen natürlich. Können wir Euch irgendwie behilflich sein?«

»Wie wäre es, wenn Ihr diese verdammte Kamera abschaltet, bis wir die Dinge wieder unter Kontrolle haben?«