Выбрать главу

»Es tut mir leid, Kardinal«, erwiderte Toby freundlich. »Aber die Anordnungen Eurer Vorgesetzten waren unmißverständlich. Wir sollen alles filmen, was am heutigen Tag geschieht.«

Kassar schnaubte, doch er besaß genügend Verstand, nichts darauf zu erwidern. Er hatte die Befehle selbst gesehen. Die Kirche war der Auffassung, daß ein wenig Propaganda ihre unermüdlichen Bestrebungen um größeren Einfluß bei Hofe unterstützen könnte, und Toby, Flynn und die Gläubigen auf Technos III waren ihr als der sicherste Weg zu guten Einschaltquoten erschienen. Die Kirche hatte auch der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß eine gute Dokumentation, in der die Diszipliniertheit und das große Geschick ihrer Truppen zum Ausdruck kamen, den Schaden wieder beheben könnte, den der vorhergehende Bericht der beiden Reporter verursacht hatte.

Kassar hätte die Kirche eines Besseren belehren können…, aber wie üblich hatte man ihn nicht gefragt. Er hatte die Fäuste so fest geballt, daß er spürte, wie die Fingernägel sich in die Haut gruben, doch er zwang sich, den beiden Nachrichtenmännern ein frostiges Lächeln zu schenken.

»Selbstverständlich. Stellt sicher, daß Ihr ausreichend Material zusammenbekommt. Aber ich will jeden Millimeter Eurer Bänder begutachten, bevor er gesendet wird. Die Kirche war so freundlich, mir neue Ausrüstung zukommen zu lassen, die besonders geeignet ist, solche Dinge wie Palimpseste zu erkennen. Und auch alles andere, das Ihr an mir vorbeizuschmuggeln versucht.«

In der sicheren Überzeugung, wenigstens diesmal das letzte Wort gehabt zu haben, wandte sich Kassar um und stapfte zu seinen wirr im Kreis laufenden Truppen zurück. Er räusperte sich, um den Schmerz in der Kehle zu vertreiben. Diesmal würden sie auf das hören, was er ihnen zu sagen hatte. Ansonsten… Ansonsten… Flynn blickte ihm nachdenklich hinterher.

»Meint Ihr, wir hätten ihn daran erinnern sollen, daß wir live senden?«

»Ist es vielleicht unsere Schuld, wenn er seine Befehle nicht sorgfältig liest?« erwiderte Toby brüsk. »Ich kann einfach nicht glauben, daß die Kirche einen derartigen Idioten zum Kardinal ernannt hat.«

»Familiäre Beziehungen«, erklärte Flynn.

»Wie immer, was?« sagte Toby. »Der Mann ist ein Schläger und ein Dummkopf. Mögen ihn denn wenigstens seine eigenen Leute?«

»Macht Ihr Witze? Nur die Jesuitenkommandos haben bisher verhindert, daß jemand eine Splittergranate in seine Toilettenschüssel schmuggeln konnte. Und selbst die Jesuiten haben allmählich die Nase voll von Kassar. Trotzdem hat er seine Bewunderer in der Kirchenhierarchie. Schließlich ist es genau diese äußerste Rücksichtslosigkeit, die einen zur Kirche von Christus dem Krieger führt.«

»Gutes Argument. Zieht Kassar eigentlich jemals zusammen mit seinen Truppen in die Schlacht, oder ist er nur ein feiger Etappenhengst?«

»Gebt dem Mann, was ihm gebührt. Er liebt es, mitten im Getümmel zu stehen. Ich glaube, er hat kein einziges Scharmützel verpaßt, seit er nach Technos III gekommen ist. Bietet ihm eine Gelegenheit, so viele Leute zu töten, wie er nur in die Finger bekommen kann, und er ist glücklich wie eine Muschel.« Flynn unterbrach sich und blickte nachdenklich drein.

»Eigenartiger Ausdruck, wenn man es recht bedenkt. Oder sind Muscheln dafür bekannt, überdurchschnittlich glücklich zu sein?«

»Lenkt nicht vom Thema ab.«

»Welches Thema meint Ihr?«

»Hab’ ich vergessen«, erwiderte Toby. »Filmt einfach weiter.

Die Dinge scheinen sich unglücklicherweise ein wenig zu beruhigen. Vielleicht hat er gedroht, sie alle zu kreuzigen?«

»Würde mich nicht überraschen. Ich hoffe nur, er läßt mir ausreichend Zeit, die Beleuchtung vorher richtig zu justieren.«

Toby seufzte. »Da geht unsere Chance dahin, die Quoten zu behalten. Bald hat er alles wieder unter Kontrolle, jeder gehorcht seinen Befehlen, alle arbeiten vernünftig zusammen, und unsere Zuschauer schalten einfach ab. Es gibt eben keine Gerechtigkeit in der Welt.«

Doch Toby irrte sich gewaltig. Plötzlich gingen überall auf dem Übungsgelände Sprengladungen hoch und zerfetzten die Metallwüste noch weiter. Der Lärm war ohrenbetäubend.

Schwarzer Rauch stieg auf und machte die Verwirrung komplett. Unablässig dröhnten weitere Explosionen auf allen Seiten. Splitter flogen durch die Luft. Kirchentruppen wie Söldner vergaßen jegliche Disziplin und rannten in Deckung. Der schwarze Rauch erfüllte den Himmel, verdunkelte die Sonne, und ein künstliches Zwielicht breitete sich über der Landschaft aus. Überall entflammten Feuer, und niemand war imstande, sich in all dem Lärm und Chaos Gehör zu verschaffen.

Öffnungen erschienen in der Metallwüste, und Rebellen strömten aus neu gegrabenen Tunnels. Sie feuerten mit Energiewaffen, die sie angeblich gar nicht besitzen sollten, und warfen mit Granaten um sich. Die Söldner und die Gläubigen versuchten, sich zu sammeln, doch sie waren viel zu weit versprengt. Die Rebellen fuhren mitten unter sie. Stahl blitzte, und Blut spritzte durch die Luft und sammelte sich in Lachen auf dem metallenen Boden. Toby Shreck beobachtete alles. Sein Unterkiefer hing irgendwo unten zwischen seinen Knien.

»Du heilige Scheiße. Du heilige Scheiße! Flynn, sagt mir, daß Ihr das aufnehmt!«

»Ich nehme es auf. Ich nehme alles auf! Das Licht ist beschissen, und überall hängt Rauch in der Luft, aber ich nehme es auf!«

Die Imperialen Streitkräfte wichen überall zurück. Hier und da fanden kleinere Scharmützel statt, doch die meisten Söldner und Gläubigen hielten die Köpfe gesenkt und rannten einfach nur um ihr Leben. Noch immer gingen neue Sprengsätze hoch, und die Rebellenarmee, die aus den Löchern hervorquoll, schien kein Ende nehmen zu wollen. Jesuiten schrien ihre Männer an, stehenzubleiben und zu kämpfen, doch ihre Worte gingen im Chaos unter. Einige Rebellen warfen sich auf die Jesuiten, und zögernd wichen auch sie zurück, während sie sich der feindlichen Übermacht mit erstaunlicher Schwertkunst widersetzten. Kassar stand mitten im Gedränge und rannte hierhin und dorthin, vollkommen perplex, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Rebellen strömten an ihm vorbei und verfolgten die fliehenden Söldner und Gläubigen. Endlich hatten sich ein paar zusammengerauft und blieben stehen, um zu kämpfen. Bald war die Metallwüste von sich duellierenden kleinen Gestalten übersät. In jenem Augenblick erkannte Toby Shreck ein vertrautes Gesicht in der Menge. Er packte Flynn bei der Schulter und deutete drängend in die entsprechende Richtung.

»Da! Drei Uhr! Wißt Ihr, wer das ist? Der verdammte Jakob Ohnesorg! Der Berufsrebell, leibhaftig und höchstpersönlich und in voller Aktion! Seit dem Fiasko auf Eisfels hat ihn niemand mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Ich wußte gar nicht, daß er auf Technos III ist. Wußtet Ihr etwas davon? Ach, ist ja auch egal. Filmt einfach weiter, Flynn. Filmt, was das Zeug hält. Jakob Ohnesorg ist zurück, und wir bringen es live!«

»Wenn das Jakob Ohnesorg ist, dann sieht er für sein Alter verdammt gut aus«, sagte Flynn, während er sich auf die Bewegungen seiner Kamera konzentrierte. »Und brutal. Er hackt sich einen Weg durch die Söldner wie der leibhaftige Tod persönlich. Wer sind die Leute bei ihm?«

»Den alten Mann kenne ich nicht«, erwiderte Toby und zuckte reflexhaft zusammen, als eine weitere Explosion erfolgte.

»Die Frau steckt in einer Kopfgeldjägerkluft, aber ich kenne das Gesicht nicht. Wir können später noch recherchieren. Ihr bleibt bei Ohnesorg. Er ist die Schlagzeile.«

Ein Rebell erschien wie aus dem Nichts vor Toby. Der Reporter quiekte erschreckt auf und wich zurück. Die Augen des Rebellen waren verhangen, und Blut tropfte von seiner Klinge.

Flynn rief seine Kamera herbei und ließ sie schützend zwischen Toby und dem Rebellen schweben. Toby erkannte, daß hinter ihm genauso viele Rebellen warteten wie vor ihm, und blieb erstarrt an Ort und Stelle stehen. Flynn rührte sich ebenfalls nicht. Der Rebell blickte zu Toby und seinem Kameramann, grinste, winkte in die Optik und stürzte in das Chaos davon. Anscheinend wußten selbst die Rebellen um die Vorteile guter Berichterstattung. Toby bekam seinen Atem langsam wieder unter Kontrolle. Er war froh, daß er am Morgen beschlossen hatte, braune Unterwäsche zu tragen.