Der Komm-Offizier wandte den Kopf ein wenig ab, und Schwejksam wurde bewußt, daß er noch immer eine ziemliche Fahne haben mußte. Pech. Er zwang sich, auf das zu hören, was der Komm-Offizier ihm zu sagen versuchte.
»Wir sind direkt hinter dem Rand aus dem Hyperraum gefallen, um wieder in Kontakt mit dem Imperium zu treten. Unsere Signale können die Dunkelwüste noch immer nicht durchdringen. Komm-Signale gehen zwar durch den Hyperraum und sollten nicht beeinflußbar sein, aber das ist die Dunkelwüste.
Im gleichen Augenblick, als wir wieder im Normalraum waren, arbeitete meine Station wieder so, wie sie sollte. Und das erste, was wir auffangen konnten, war ein Notsignal. Nichts Visuelles, nur Stimmaufzeichnung. Es stammt von der Imperialen Basis auf Gehenna. Ich habe bereits nachgesehen. Gehenna ist eine unbewohnte Welt, weit draußen an der Grenze. Ein ungemütlicher Ort. Die Basis besteht aus einem wissenschaftlichen Forschungslabor mit hundert Mann Besatzung. Sie rufen um Hilfe. Der von ihnen verwendete Kode besitzt oberste Priorität.
Ich glaube, nur im Krieg benutzen wir einen Kode mit noch höherer Priorität. Unsere Befehle besagen zwar, daß wir auf direktem Weg nach Golgatha zurückkehren sollen, um persönlich über den Erfolg unserer Mission zu berichten, aber ich dachte, Ihr wollt Euch das hier vielleicht anhören, Sir. Für den Fall, daß Ihr andere Befehle erteilen wollt.«
»Gut. Das war richtig«, lobte Schwejksam. »Und jetzt spielt den Notruf ab.«
Der Kapitän lauschte angestrengt der flüsternden Stimme, die aus dem Lautsprecher der Konsole drang. Sie war kaum hörbar, trotz aller Anstrengungen des Komm-Offiziers, das Signal zu verstärken. Schwejksam warf einen Blick zu Frost und runzelte fragend die Stirn, aber sie schüttelte nur den Kopf. Er wandte sich wieder an den Offizier und sagte: »Was haben die Rechner herausgefunden?«
»Nicht viel, Sir. Es ist eine Signalboje, die immer und immer wieder eine aufgezeichnete Botschaft ausstrahlt. Nur die Herkunft des Signals und die Bitte um Hilfe sind deutlich zu entschlüsseln. Wir haben versucht, in direkten Kontakt mit der Basis zu treten, doch sie antwortet nicht.«
»Wenn es eine Boje ist – wie lange sendet sie schon?« erkundigte sich Frost. »Und warum hat außer uns noch niemand das Signal aufgefangen?«
»Das wissen wir nicht, Investigator. Das Signal ist sehr schwach, und wir befinden uns hier am Rand. Vielleicht fangen wir es nur deswegen auf, weil wir ebenfalls hier draußen sind. Wir lauten Ihre Befehle, Kapitän?«
Schwejksam blickte wieder zu Frost. »Wir sollten es ignorieren. Direkt nach Golgatha Weiterreisen. Die Boje könnte das Signal schon seit Ewigkeiten aussenden. Was immer auf Gehenna geschehen sein mag, inzwischen ist es mit Sicherheit vorbei.«
»Natürlich, Kapitän«, erwiderte Frost feierlich. »Aber diese Leute könnten noch immer unsere Hilfe benötigen, und wir sind das einzige Schiff in der Nähe.«
»Präzise. Unsere Pflicht ist eindeutig. Rudergänger, Kurs setzen auf Gehenna. Investigator, wir werden unter vier Augen darüber diskutieren.« Dann wandte Schwejksam sich an seinen Stellvertreter: »Lassen Sie mich wissen, wenn wir da sind. Ansonsten wünsche ich, nicht gestört zu werden.«
Der Erste Offizier schniefte. Seine Verachtung war kaum zu überhören. Frost wirbelte herum, die Hand auf dem Schwert… …aber Schwejksam gebot ihr Einhalt. Er stapfte zum Kommandositz hinüber, packte den Offizier mit einer Hand am Kragen und hob ihn scheinbar mühelos aus dem Sitz. Die Augen des Mannes quollen hervor, und seine Zunge schwoll an, als er verzweifelt nach Luft schnappte. Er umfaßte Schwejksams Unterarm mit beiden Händen, doch der Mann konnte den Griff des Kapitäns nicht lockern. Er zog den Disruptor, Schwejksam schlug ihm die Waffe aus der Hand, die über den Decksboden schlitterte, bis Frost den Fuß darauf setzte. Die restliche Brückenbesatzung musterte Frost verstöhlen und blieb regungslos auf ihren Posten sitzen. Schwejksam ließ die Kehle des Offiziers los. Der Mann fiel zurück in den Sitz, faßte sich an den Hals und schnappte würgend nach Luft.
Schwejksam beugte sich vor und brachte sein Gesicht ganz dicht vor das des anderen. Dann flüsterte er gefährlich leise:
»Noch eine derartige Respektlosigkeit vor meinem Rang, Bursche, und ich schieße dich in Unterwäsche aus einem Torpedorohr ins All. Und jetzt wirst du gefälligst tun, was ich dir befohlen habe, ist das klar? Gut.« Dann fuhr er mit lauter Stimme fort: »Ich bin froh, daß wir uns einmal von Mann zu Mann unterhalten konnten. Fühlt Euch frei, jederzeit zu mir zu kommen, falls weitere Fragen auftauchen sollten, zu deren Klärung ich beitragen kann.«
Schwejksam machte kehrt und stapfte aus der Zentrale, Frost an seiner Seite. Als er an der Komm-Station vorbeikam, murmelte der diensthabende Offizier: »Gut, daß Ihr wieder da seid, Kapitän.« Schwejksam mußte sich ein Grinsen verkneifen. Die Tür glitt hinter ihm ins Schloß, und der Kapitän der Unerschrocken atmete tief durch. Er blieb stehen und lehnte sich gegen die Schottenwand. Sein Kopf schmerzte wie wahnsinnig, und seine Hände zitterten wieder.
»Ich brauche etwas zu trinken«, sagte er müde.
»Nein, braucht Ihr nicht«, widersprach Frost.
»Ist das Euer Kater, oder was?«
»Ihr brauchtet keine Hilfe, als Ihr den Ersten aus dem Sitz geholt habt«, erwiderte Frost. »Und das mit einer Hand. Ich bin sehr beeindruckt.«
»Das bin ich selbst auch«, sagte Schwejksam. Er drückte sich von der Wand ab und setzte sich wieder in Bewegung. Frost blieb an seiner Seite. Sie sprachen kein Wort mehr, bis sie sicher in die Privaträume des Kapitäns zurückgekehrt waren.
Jeder an Bord wußte, daß der Sicherheitsoffizier das Schiff vom Bug bis zum Heck verwanzt hatte. Schwejksam entfernte die winzigen Spione regelmäßig aus seiner Kabine, und da er Zugang zu besserer Technologie besaß als Stelmach, war er dem übereifrigen Sicherheitsoffizier immer einen Schritt voraus.
Schwejksam ließ sich in seinen Lieblingssessel sinken, und Frost zog sich einen anderen Sessel heran. Der Kapitän blickte nachdenklich auf die halbleere Weinflasche, dann sah er weg.
Vielleicht später.
»So, Investigator. Wie es scheint, hat uns die kurze Zeit im Labyrinth des Wahnsinns weitaus mehr verändert, als wir geglaubt haben. Ich hatte beinahe das Gefühl, als würde der Erste Offizier überhaupt nichts wiegen. Ich hätte ihn mit bloßen Händen zerreißen können. Und ein Teil von mir hatte große Lust dazu.«
»Ich frage mich, ob ich ebenfalls stärker geworden bin«, sinnierte Frost. »Aber vielleicht warten auf mich andere Überraschungen. Ich frage mich auch, was aus uns geworden wäre, wenn wir den ganzen Weg durch das Labyrinth zurückgelegt hätten…«
»Ihr könnt immer noch die Rebellen fragen, sollten wir ihnen jemals wieder begegnen. Sie sind alle hindurchgegangen.«
»Was auch immer. Ich denke, das ist eine weitere Sache, die wir am besten strikt für uns behalten, Kapitän.«
»Ganz meine Meinung, Investigator. Laßt uns über andere Dinge sprechen. Was ist Eurer Meinung nach auf Gehenna geschehen, daß ihr einziger Hilferuf eine Stimmaufzeichnung ist, die von einer Boje ununterbrochen wiederholt wird? Unter normalen Umständen hätten sie doch bloß auf einem offenen Kanal rufen müssen, und innerhalb weniger Stunden wäre ein Imperialer Sternenkreuzer an Ort und Stelle gewesen. Das ist die Standardprozedur, ganz gleich, wo innerhalb des Imperiums man sich gerade aufhält. Sicher, wir befinden uns hier draußen am Rand, aber selbst hier… Könnte es sein, daß die Rebellen ihren ersten Angriff begonnen haben?«