»Das bezweifle ich, Kapitän. Erstens machten sie nicht den Eindruck, bereits gut genug organisiert zu sein, um einen größeren Überfall durchzuführen. Zweitens denke ich, daß ihnen einfach noch die nötigen Ressourcen fehlen, um überhaupt etwas Größeres auf die Beine zu stellen. Und drittens… ich habe ein ungutes Gefühl bei dieser Sache. Man benötigt unglaublich wirkungsvolle Waffen, um eine planetare Basis so rasch und wirkungsvoll außer Gefecht zu setzen, daß nur noch Zeit zum Abschießen einer Signalboje bleibt. Wahrscheinlich wirkungsvollere Waffen, als dem Imperium oder den Rebellen
überhaupt zur Verfügung stehen…«
»Und über was reden wir dann hier? Die KIs von Shub? Die Hadenmänner?«
»Vielleicht. Aber ich muß immer wieder daran denken, daß wir beim letzten Mal, als eine Basis verstummte, auf Unseeli endeten.«
»Wo wir ein abgestürztes Raumschiff fanden, voller unbekannter und wahrscheinlich der unseren weit überlegener Technologie… und eine Basis voller Leichen.« Schwejksam runzelte nachdenklich die Stirn. »Ihr meint, es könnte sich erneut um die Fremden handeln?«
»Kann schon sein«, antwortete Frost. Sie lächelte kurz. »Ich bin genau in der richtigen Stimmung, um mir ein paar Fremde vorzuknöpfen.«
»Wart Ihr das jemals nicht, Investigator? Ich bin einfach froh über den guten Grund, unsere Rückkehr nach Golgatha noch ein wenig aufzuschieben. Ein möglicher Angriff durch die Fremden ist eine der wenigen Entschuldigungen, mit denen wir durchkommen. Aber ich muß sagen, die Vorstellung, daß wir eine weitere planetare Basis verloren haben, gefällt mir überhaupt nicht. Es macht uns verwundbar gegen alles mögliche, und außerdem besteht immer die Gefahr, daß es sich um eine Falle handelt, um ahnungslose Schiffe anzulocken.«
»Dann sehen wir besser zu, daß wir als erste dort ankommen«, sagte Frost. »Wir sind schließlich entbehrlich.«
»Sprecht nur für Euch selbst, wenn es Euch nichts ausmacht«, entgegnete Schwejksam.
Die Unerschrocken fiel aus dem Hyperraum und schwenkte in einen Orbit um den Planeten Gehenna ein, die Welt des ewigen Feuers. Gehenna brannte wie ein weiß glühendes Stück Kohle in der Nacht. Kontinentweite Flammen zuckten in die Atmosphäre hinauf, ohne jemals zu erlöschen. Vor langer Zeit hatte irgend etwas auf der Oberfläche Feuer gefangen, und durch eine Art Kettenreaktion hatte sich das Feuer ausgebreitet, bis es den gesamten Planeten umspannte. Die Pole waren geschmolzen, die Ozeane verdampft, und nur die Flammen waren geblieben. Die Oberfläche brannte, verbrannte sich selbst; langsam, aber unaufhaltsam. Man hatte Hinweise gefunden, daß Gehenna einst von einer fremden Zivilisation bewohnt worden war, doch die Wesen waren verschwunden, und niemand wußte, was mit ihnen geschehen war. Nur eine Handvoll fremdartiger Steinbunker war geblieben, groß, massiv und eindrucksvoll, aber vollkommen leer, tief im Fels, weit weg von den alles verzehrenden Flammen. Wenn die Bunker ein Geheimnis besaßen, dann blieb es eines. Niemand wußte, ob die fremde Zivilisation von einer äußeren Macht zerstört worden war oder ob sie sich selbst ausgelöscht hatte. Oder ob das Feuer zuerst dagewesen oder ob es nur der Nebeneffekt von etwas gewesen war, das eine gesamte Spezies so sorgfältig vernichtet hatte, daß nicht mehr der kleinste Hinweis zurückgeblieben war.
Das Imperium hatte natürlich gewaltiges Interesse an einem Apparat oder was auch immer, der einen ganzen Planeten in Flammen setzen konnte. Er würde eine unglaublich gute Waffe abgeben, und Löwenstein wollte sie haben. Also hatte die Imperatorin Befehl gegeben, dort eine Basis einzurichten, mitten im Herzen der Flammen, geschützt durch die stärksten Energieschirme, die die Imperialen Ingenieure zu errichten imstande waren. Nach den Daten der Unerschrocken zu urteilen, arbeiteten die Wissenschaftler inzwischen seit neun Jahren dort, doch Antworten hatten sie noch nicht gefunden.
Schwejksam selbst führte den Landungstrupp an. Zum Teil, weil er an Ort und Stelle sein wollte, um Entscheidungen zu fällen, falls die Basis Schaden genommen hatte, aber hauptsächlich, weil er es eigentlich gar nicht wollte. Der Kapitän fühlte sich noch immer elend, und seine Leute musterten ihn weiterhin mit verstohlenen Blicken, wenn sie meinten, er würde es nicht bemerken. Schwejksam war nicht sicher, ob er wieder Entscheidungen würde fällen können, wenn Menschenleben auf dem Spiel standen, aber das war genau der Grund, aus dem er gehen mußte. Tat er es nicht, dann konnte er genausogut sein Kommando zurückgeben, und dazu war er noch nicht bereit. Also führte er den Landungstrupp persönlich. Und er betete, daß er der Situation gewachsen war. Frost begleitete ihn (natürlich) als Investigator der Unerschrocken. Aber was Schwejksam wirklich überraschte, war der Wunsch des Sicherheitsoffiziers Stelmach, ebenfalls mitzukommen. Vielleicht traute er den beiden nicht mehr über den Weg. Der Rest des Trupps bestand aus sechs Marineinfanteristen, die durch Los bestimmt worden waren, sowie Kommunikationsoffizier Eden Creutz. Creutz hatte zwei Jahre zuvor kurze Zeit auf Gehenna Dienst verrichtet. Er schien nicht sonderlich erfreut darüber, dem Planeten einen weiteren Besuch abzustatten.
Creutz war mittelgroß, mittelschwer, von dunkler Hautfarbe und ein schweigsamer Typ. Er hatte nicht zu denen gehört, die hinter Schwejksams Rücken über den Kapitän getuschelt hatten, doch er sprach auch außer Dienst kaum ein Wort. Als es schließlich darum gegangen war, ob er zum Landungstrupp gehören sollte oder nicht, war er beim Suchen von Gründen, die dagegen sprachen, zu Schwejksams Überraschung beinahe geschwätzig geworden. Schwejksam war das nur recht gewesen. Er wollte keine stumpfsinnigen, loyalen Leute in gefährlichen Situationen um sich haben. Er brauchte Leute, die Angst hatten, Leute, die mitdachten. Überlebenskünstler. Interessanterweise war Creutz noch gar nicht lange Kommunikationsoffizier. Er war von einer Position zur anderen versetzt worden, üblicherweise immer auf eigenen Wunsch, anscheinend, weil er sich nach einer Weile stets gelangweilt hatte, ganz egal, was er tat. Er war zu gut, und das in einer Umgebung, in der Uniformität mehr galt als alles andere. Creutz würde es entweder zum Kapitän bringen, noch bevor er dreißig war, oder vorher resignieren. Schwejksam hatte ihm das Kommando über die Pinasse übertragen, die sie zur Planetenoberfläche hinabbringen würde. Creutz würde sie sicher nach unten bringen oder bei dem Versuch sterben. Es lag nicht in seiner Natur, sich mit weniger zufriedenzugeben.
Schwejksam umklammerte die Armlehnen seines Sitzes, als die Pinasse wie ein Stein der Oberfläche entgegenfiel. Er schaltete sich über das Komm-Implantat auf die Sensoren des Schiffs, und vor seinen Augen erschienen die Temperaturanzeigen. Der Kapitän beobachtete mit ausdruckslosem Gesicht, wie die Werte sprunghaft anstiegen und sich auf einem unglaublichen Niveau einpendelten. Schwejksam schaltete die Anzeigen wieder ab. Sie machten ihn nervös. Die lange, schlanke Pinasse schoß durch die überhitzte Atmosphäre und bäumte sich auf, als sie durch die röhrenden Flammen raste, die sich meilenweit über die Oberfläche hinaufschwangen.
Schwejksam zwang sich dazu, die Armlehnen loszulassen. Die Außenhülle der Pinasse würde die Insassen vor jeder Temperatur schützen, und außerdem gab es auch noch den Energieschirm. Das Schiff würde mit allem zurechtkommen, was Gehenna ihm entgegenwerfen konnte.
Theoretisch zumindest.