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Schwejksam und Frost blickten sich an, einmal mehr nur Mensch. Keiner konnte das Gesicht des anderen sehen, aber das war auch nicht notwendig. Schwejksam sah zu den wie betäubt dastehenden, das Schauspiel verfolgenden Marineinfanteristen und beschloß, daß Erklärungen warten konnten. Er aktivierte das Komm-Implantat und stellte auf dem Kommandokanal eine Verbindung zu Frost her.

»Das ist nicht die gleiche Kreatur wie die, die wir auf Unseeli fanden«, sagte Frost gelassen. »Und sie besitzt auch keinerlei Ähnlichkeit mit dem, was die armen Schweine auf Wolf IV vorfanden. Was sind das für Wesen? Die Schöpfer der Kreaturen in den Gewölben der Schläfer? Oder ist das der uralte Feind, zu dessen Bekämpfung die Schläfer von Grendel erschaffen wurden? Oder vielleicht eine vollkommen andere Rasse?«

»Wenn ich nur die geringste Ahnung hätte, Investigator. Sollen die Spezialisten sich deswegen den Kopf zerbrechen. Wir müssen reden, Frost. Diese… diese Verbindung zwischen uns.

Sie wird stärker. Ich weiß nicht, wie lange wir sie noch geheimhalten können.«

»Wir müssen sie geheimhalten«, erwiderte Frost. »Niemand darf erfahren, was hier wirklich geschehen ist. Man würde uns als Esper einstufen und uns degradieren. Wir würden als Versuchskaninchen in den Labors landen. Ich würde lieber auf der Stelle sterben als das.«

»Wir könnten in den Untergrund gehen.«

»Nicht wir.«

»Nein«, seufzte Schwejksam. »Ihr habt recht. Fremde wie diese könnten jederzeit wieder über das Imperium herfallen, und nur stark und vereint besitzen wir eine Chance, ihrem Ansturm zu widerstehen. Also werden wir darüber schweigen, was hier geschehen ist. Wir tun einfach, als würden wir es selbst nicht verstehen. Löwenstein darf die Wahrheit auf keinen Fall erfahren.«

»Andererseits«, entgegnete Frost nachdenklich, »andererseits hat Löwenstein heute ziemliches Glück gehabt. Die Flotte war nicht da, die planetare Verteidigung in vollkommener Auflösung, und Golgatha war praktisch schutzlos. Wenn wir nicht zur rechten Zeit aufgetaucht wären, hätten die verdammten Fremden den gesamten Planeten in Schutt und Asche gelegt.

Wir haben Löwenstein ihren verdammten Imperialen Arsch gerettet. Vielleicht zeigt sie sich dankbar? Dankbar genug, um unsere Fehlschläge zu übersehen. Was meint Ihr?«

»Nie im Leben«, erwiderte Schwejksam.

KAPITEL III

ERTRINKENDE

Finlay Feldglöck, vogelfreier Terrorist und ehemals der berühmteste Stutzer seiner Epoche (und der geheimnisvolle Maskierte Gladiator, Liebling der blutrünstigen Anhänger der Zirkusspiele), hing mit dem Kopf nach unten am Ende seines Seils und überlegte, ob er inzwischen nicht vielleicht doch ein wenig zu alt für derartige Heldentaten war. Unter ihm pulsierte das Leben von Golgathas Hauptstadt, die weiten Straßen und prachtvollen Alleen von Parade der Endlosen. Die Stadt hatte ihren Namen wegen des schier endlosen Stroms von Möchte-gern-Helden, die jedes Jahr aufs neue herbeiströmten, um ihre Kraft und Geschicklichkeit in der berühmten Arena unter Beweis zu stellen, die die Stadt im gesamten Imperium bekannt gemacht hatte. Auch viele Aristokraten lebten in dieser Stadt, in streng bewachten pastellfarbenen Türmen, weil Parade der Endlosen der beste Ort im Imperium war, um zu sehen und gesehen zu werden – mit Ausnahme des Imperialen Hofs der Löwenstein natürlich. Dort ging man allerdings nur hin, wenn man gerufen worden war. Und wenn man dorthin ging, dann verfaßte man am besten vorher seinen Letzten Willen, falls man schlau war – nur für den Fall. Finlay bemerkte, daß seine Gedanken unnötig abschweiften. Das hatte man davon, wenn man mit dem Kopf nach unten an einem Seil hing und das Blut in den Ohren rauschte. Er seufzte, griff nach oben, bekam das Seil zu packen und zog sich Hand über Hand wieder hinauf, bis er einen bequemen Ruheplatz in einer Nische an der Fassade des Silvestri-Turms erreicht hatte. Glücklicherweise standen die Silvestris auf Rokoko. Die Fassade ihres Turms war bedeckt mit Hunderten von Nischen und unerwarteten Erkern, voller häßlicher kleiner Statuen mit übertrieben großen Genitalien und Gesichtern, deren Anblick nur eine Mutter ertragen konnte. Finlay quetschte sich neben einen besonders üppig ausgestatteten, Gargoylen mit offensichtlichen Verdauungsstörungen und legte eine Verschnaufpause ein. All dieser Ärger, nur um einen dreihundert Meter hohen Turm hinaufzuklettern.

Ohne seine Sicherheitsleine hätte Finlay einen ziemlich häßlichen Fleck auf dem Boden tief unten hinterlassen. Das geschah nun einmal, wenn man in Eile war. Normalerweise wäre Finlay vorsichtiger zu Werke gegangen, doch er lag hinter seinem Zeitplan. Seine eigene Schuld. Er war auf dem Weg zum Turm in einem annehmbaren Restaurant eingekehrt und hatte hervorragend gegessen. Kein bekanntes Restaurant, natürlich nicht. Finlay konnte sich nicht leisten, erkannt zu werden. Aber seit sein Clan einer feindlichen Übernahme durch die Wolfs zum Opfer gefallen war, war Finlay ständig auf der Flucht. Die einzigen Leute, bei denen er Unterschlupf gefunden hatte, waren die Esper und Klone der Untergrundbewegung, feine Männer und Frauen, wenn es um Mut, Ideale und Widerstand gegen die Autorität ging, aber ziemlich unbedarft, was die angenehmen Seiten des Lebens betraf. Ganz besonders vermißte Finlay die gute Küche, die einem Mann seiner Position zustand. Er war zwar kein ausgesprochener Feinschmecker, doch er wußte, was er mochte. Suppe zum Beispiel, so klar, daß man darin baden konnte. Oder fast rohes Fleisch. Schlachte das Tier, zerlege es, wedele mit dem Steak kurz in Richtung der Pfanne und serviere es. Mehr brauchte es gar nicht, um Finlay glücklich zu machen. Außer vielleicht noch ein paar exotische Gemüse als Beilage und wegen der Ballaststoffe. Und ein widerlich klebriges, süßes Dessert. Himmlisch. Absolut himmlisch.

Finlay hatte so lange darauf verzichten müssen… Finlay hatte dem Duft, der aus dem kleinen, abgelegenen Restaurant auf die Straße gedrungen war, einfach nicht widerstehen können.

Ein schneller Blick auf das Chronometerimplantat am Handgelenk hatte ihm gezeigt, daß er noch ziemlich früh dran war, also… hatte er einen kleinen Abstecher gemacht. Und die Zeit bis zum dritten Nachtisch vollkommen vergessen. Der Schreck war ihm in die Glieder gefahren, als er festgestellt hatte, wieviel Zeit über seiner Schlemmerei vergangen war. Finlay hatte eine Handvoll Münzen auf den Tisch geworfen und war aus der Tür gerannt wie ein Mann, der sich des zurückgelassenen Trinkgeldes schämen mußte. Als er schließlich beim Silvestri-Turm angekommen war, hatten seine Lungen geschmerzt, er hatte an Seitenstechen gelitten, und sein voller Magen hatte rebelliert. Es war ein Wunder gewesen, daß die Wachen ihn nicht entdeckt hatten. Finlay hatte sich genau an den Plan gehalten, war zwischen den Patrouillen hindurchgeschlüpft und hatte sich an den Aufstieg gemacht wie ein Seemann, der gerade im Heimathafen angekommen ist und seine Frau nicht schnell genug wiedersehen kann. Er war noch immer ziemlich spät dran gewesen und deswegen überhastet geklettert. Und beinahe hätte er das Pflaster tief unten mit seinen Innereien dekoriert.

Finlay warf einen weiteren Blick auf seine Uhr. Er hatte gut aufgeholt. Er zwang sich, ruhig zu atmen, während sein Blick über die Stadt glitt. Die pastellfarbenen Türme erstreckten sich in alle Richtungen, ein ganzer Wald aus Glas, Metall und seltenen Steinen, die im Sonnenlicht hübsch funkelten. Finlay warf einen Blick auf sein Spiegelbild im polierten Stahl hinter seinem Rücken. Er hätte sich keine Sorgen machen müssen, daß irgend jemand in dem kleinen Restaurant ihn erkennen könnte.