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Sein Schwert fuhr einem Gegner in den Unterleib und zusammen mit Blut und Eingeweiden wieder heraus. Dann hob die Klinge sich blitzend, um den Streich eines anderen Gegners zu parieren, der Finlays Kopf abgetrennt hätte. Finlay war froh, daß sich wenigstens einige der Männer zum Kämpfen entschlossen hatten. Er warf sich auf den Angreifer, und einen Augenblick lang standen sie sich Kopf an Kopf gegenüber.

Keiner von beiden wich zurück. Dann ein verräterisches Aufblitzen in den Augen des Leibwächters, und Finlay warf sich gerade rechtzeitig zur Seite, um dem Angriff des Mannes zu entgehen, der sich von hinten auf ihn stürzte. Finlay lachte bösartig, als die Waffe des Angreifers seinen vorherigen Gegner durchbohrte, und stach den Mann hinterrücks nieder, während sein Schwert noch im Körper seines Kameraden steckte. Dann waren nur noch drei Leibwächter übrig. Finlay erledigte sie, so rasch es ging. Jetzt war nicht die Zeit, den Kampf zu genießen.

Finlay stach den letzten Gegner nieder, riß das Schwert heraus und warf einen ersten Blick auf seine Umgebung. Sein Atem ging keine Spur schneller. Erst wenige Minuten waren vergangen, seit er Saint John getötet hatte. Draußen waren die Leibwächter des toten Lords noch immer hektisch bemüht, einen Weg zu finden, wie sie den Schutzschild des Fliegers überwinden und den Mörder ihres Herrn stellen konnten. Die Schilde bildeten noch immer ein unüberwindliches Hindernis, und bis jetzt war noch niemand auf die Idee gekommen, den Silvestri-Turm zu ersteigen, wie Finlay es vorgemacht hatte.

Ein armer Dummkopf feuerte mit dem Disruptor auf den Gravschlitten. Alles warf sich in Deckung, als der Schuß abgelenkt wurde und über ihre Köpfe zischte. Irgend jemand rief geistesgegenwärtig nach Verstärkungen und weiteren Gravschlitten. Für Finlay war es das Zeichen, daß es Zeit wurde, von hier zu verschwinden.

Er trat mit einem raschen Schritt an die Kontrollen des Fliegers und ließ die Maschine in die Luft steigen. Ein Blick in die Runde zeigte ihm, daß sich aus Süden eine Reihe weiterer Flieger mit großer Geschwindigkeit näherte. Finlay beschleunigte rasch auf Höchstgeschwindigkeit und flog in atemberaubenden Kurven zwischen den Türmen hindurch. Wenn seine Verfolger auch nur einen Funken von Selbsterhaltungstrieb besaßen, würden sie verdammte Schwierigkeiten haben, ihn einzuholen. Finlay lachte laut und stampfte mit dem Fuß in die Blutlache auf dem Boden. Es bereitete ihm Vergnügen, das Blut seiner Feinde spritzen zu hören. Finlay Feldglöck hatte es wieder einmal geschafft; hatte den Mord verübt, von dem jeder geglaubt hatte, er sei unmöglich, und jetzt würde er die Flieger abschütteln, die ihm im Nacken saßen, und entkommen. Finlay entkam immer. Er warf einen Blick auf den Leichnam von Lord Saint John, auf dessen blutigem Gesicht noch immer ungläubiges Staunen stand, und lachte erneut. Es klang laut und voller Selbstvertrauen, und wenn eine Spur von Wahnsinn darin mitschwang, dann war es Finlay auch egal.

Adrienne Feldglöck, die Frau Finlays, einst Geißel jeder formellen Festlichkeit und Besitzerin des größten und lästerlichsten Mundwerks in der gesamten Gesellschaft, saß kochend vor Wut vor ihrem Bildschirm und überlegte, wen sie als nächstes anrufen sollte. Sie hatte praktisch jedermann angerufen, dessen Name ihr in den Sinn gekommen war – einschließlich einiger, mit denen sie noch kurze Zeit zuvor niemals zu reden geschworen hatte, aber niemand war für sie zu sprechen. Einige machten Ausflüchte, andere waren grob und direkt, doch die meisten hatten einfach ihre Diener instruiert, Adrienne auszurichten, sie seien nicht zu Hause. Diese verdammten Lügner! Adrienne war in Ungnade gefallen, als der Feldglöck-Clan vernichtet worden war, und das traf sie hart. Sie war verbannt und ausgeschlossen aus der Gesellschaft, die sie früher allein durch die Kraft ihrer Persönlichkeit beherrscht hatte. Aber damals wußte sie auch die Macht und den Einfluß des Feldglöck-Clans noch hinter sich. Heute war Adrienne nichts weiter als eine der wenigen Überlebenden eines zerbrochenen Clans. Sie war isoliert wie niemals zuvor in ihrem Leben. Niemand wollte mit ihr sprechen. Alle hatten Angst, was mit ihr geschehen war, könnte ansteckend sein.

Adriennes angeheirateter Vetter. Robert Feldglöck. Seine Position in der Armee hatte ihn vor dem Fall bewahrt. Die Flotte kümmerte sich um ihre Angehörigen. Nur seinem Einfluß und seinem Schutz verdankte es Adrienne, daß sie die Vendetta überlebt hatte, die von den triumphierenden Wolfs so bösartig und methodisch über den Clan der Feldglöcks verhängt worden war. Blut war in den Straßen geflossen, und niemand hatte auf das Schreien und Flehen der Opfer gehört. Dennoch hatte man Adrienne in Ruhe gelassen. Solange sie sich nicht einmischte, würde es auch so bleiben. Also hatte Adrienne die Tür verschlossen und auf kein noch so verzweifeltes Klopfen reagiert, und wenn es ihr das Herz zu zerreißen drohte. Andere Überlebende der Feldglöcks bettelten und drohten und riefen ihren Namen, und Adrienne saß so weit entfernt von der Tür, wie es nur ging, die Hände auf die Ohren gepreßt. Es half nichts. Sie konnte noch immer hören, wenn die Wolfs kamen und ihre schreienden Opfer verschleppten. Manchmal verstummte das Schreien auch schlagartig, und die darauffolgende Stille war um so schlimmer.

Irgendwann drangen keine Stimmen mehr an Adriennes Ohren, und niemand kam mehr an ihre Tür und klopfte. Adrienne Feldglöck war allein. Die Wolfs besaßen nun alles, was vorher den Feldglöcks gehört hatte, und sie hatten Adrienne nichts gelassen außer ein paar persönlichen Schmuckstücken. Ihr Konto war gekündigt worden. Ein paar unbedeutende Vettern aus einer Seitenlinie der Familie waren dem Blutbad der Wolfs entkommen, weil sie entweder Verbindungen besaßen oder höheren Schutz genossen, so wie Robert, aber auch sie wollten nichts mit Adrienne zu tun haben. Sie machte ihnen deswegen keinen Vorwurf. Die Herrschaft des Hauses Feldglöck war vorüber, und das in jeder Hinsicht.

Adrienne war eine mittelgroße Frau und ziemlich mager. Es ging doch nichts über Furcht und Verzweiflung als Diät. Sie hatte in den letzten Monaten jede Menge Gewicht verloren, und sie war sicher, daß es so weitergehen würde bis zu ihrem Tod. Adrienne konnte nicht nach draußen gehen, um Nahrungsmittel einzukaufen, und sie konnte nicht einmal eine Bestellung über ihren Bildschirm aufgeben. Sie besaß kein Geld.

Adrienne war von Robert abhängig, und Robert hatte seine eigenen Sorgen. Er tat für sie, was er konnte, der Gute. Wenn er konnte. Und wo Adrienne früher die modischsten und auffälligsten Kleider der gesamten Gesellschaft getragen hatte – mit Ausnahme ihres Gatten –, da mußte sie sich heute mit einem verknitterten Hausanzug in blassen, unmodischen Farben zufriedengeben. Sie hatte auch ihre Garderobe auf der Flucht zurücklassen müssen. Adrienne vermißte ihre Kleider nicht wirklich – die meisten hatte sie sowieso nur getragen, um ihren modebesessenen Gatten zu ärgern –, doch es war eine Frage des Prinzips. Sie konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, langweilig auszusehen. Robert besorgte ihr jetzt die Kleider, wenn er daran dachte – genau wie er ihr diesen Unterschlupf besorgt hatte. Und wie die meisten Männer besaß Robert nicht eine Spur von Geschmack.

Adrienne blickte mißvergnügt auf ihr Spiegelbild in der Mattscheibe des Schirms. Sie besaß scharf geschnittene Gesichtszüge, und ihr purpurroter Mund war zu einer schmalen, wütenden Linie zusammengepreßt. Die Augen waren dunkel und strahlten Entschlossenheit aus, und ihre Nase war ungewöhnlich stark nach oben geschwungen. Damals war es ihr als guter Einfall erschienen. Adrienne trug das goldene Haar noch immer lang und füllig, obwohl es im Augenblick ein wenig ungepflegt wirkte. Alles in allem hatte Adrienne bereits besser ausgesehen. Bedeutend besser.