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»Nein!« unterbrach Evangeline Adrienne unvermittelt. »Wir stehen uns… überhaupt nicht nahe.«

Adrienne hob eine Augenbraue. In Evangelines Stimme hatte ein Ton mitgeschwungen… »In der Öffentlichkeit und bei Hofe seid Ihr immer an seiner Seite. Ihr erweckt ohne Zweifel den Anschein…«

»Der Schein kann trügen. Bitte, Ihr müßt jetzt gehen. Er wird bald hiersein, und er darf Euch nicht sehen. Ich möchte, daß Ihr jetzt geht.«

»Warum? Was ist so Besonderes am Besuch eines Vaters bei seiner Tochter?« Adriennes Augen verengten sich. »Ihr habt ein Geheimnis. Ich kann es riechen, und ich spüre Eure Furcht.

Was ist es? Hat er Euch verletzt? Der Shreck ist ein verdammter Bastard und Schläger, wie die meisten Männer, aber ich wußte nicht, daß er gewalttätig gegenüber seiner eigenen Familie ist.« Adrienne verstummte abrupt, als sie den plötzlichen Ausdruck von Schmerz und Leid auf Evangelines Gesicht bemerkte. Tränen rannen über Evangelines Wangen, und sie rang um Atem. Adrienne beugte sich vor und nahm Evangelines Hände in die ihren. »Nein, nein, hört auf damit, Kleines. Was auch immer es sein mag, ich werde Euch helfen. Ich bin gut darin, Dinge zurechtzurücken. Und es gibt keinen einzigen Mann auf der Welt, der solche Tränen wert ist. Ist es Euer Vater? Hat er Euch geschlagen? Ich kann mit einflußreichen Leuten bei Hofe sprechen…«

»Nein. Er ist nicht… gewalttätig. Er…« In Evangelines Hals bildete sich ein Kloß. Sie konnte nicht weitersprechen. Sie spürte die Röte auf ihren Wangen, als die Scham sie übermannte. Die Stimme ihres Vaters donnerte durch Evangelines Kopf.

Du kannst es niemandem verraten, niemals. Oder sie werden entdecken, daß du ein Klon bist. Und du weißt, was mit dir geschieht, wenn du ihnen auch nur den kleinsten Hinweis lieferst. Außerdem würde dir sowieso niemand glauben. Und ich schwöre dir, wenn du trotzdem jemals den Mund aufmachen solltest, dann werde ich dir weh tun, kleine Evie. Ich werde dir weh tun, bis du vom Schreien heiser bist. Wage es ja nicht, jemals den Mund aufzumachen!

Evangeline umklammerte Adriennes Hände, als würde sie aus ihnen Kraft ziehen können. Sie saß da mit der Frau, die sie am meisten von allen Menschen gehaßt hatte, und sie war so dicht davor wie noch nie, ihr Geheimnis preiszugeben, das sie so sorgsam gehütet hatte, jene Sache, über die sie noch nie mit einem Menschen gesprochen hatte, noch nicht einmal mit Finlay. Vielleicht, weil nur eine Frau wie Adrienne es hören konnte, ohne sie zu verurteilen. Ihren Schmerz und ihr Entsetzen anhören konnte, ohne daß sie vor Scham starb. Und ganz sicher würde nur eine Frau wie Adrienne einen Dreck darauf geben, daß Evangeline ein Klon war…

»Sagt mir, was Euch bedrückt, Kind«, redete Adrienne mit ruhiger, fester Stimme auf Evangeline ein, damit sie nicht bemerkte, wie sehr ihr Griff um Adriennes Hände schmerzte.

»Wir Frauen müssen zusammenhalten. Wir leben in einem Männerimperium, selbst wenn eine Frau auf dem Thron sitzt, aber wir müssen uns nicht alles gefallen lassen. Männer haben Macht und sind stark, doch wir sind schlauer als sie. Was auch immer Euch bedrückt, ich werde einen Ausweg finden, glaubt mir. Er sperrt Euch hier ein, nicht wahr? Das ist der Grund, warum wir Euch in der Öffentlichkeit nur gemeinsam sehen.

Richtig. Unternehmt etwas gegen den Bastard. Brecht mit ihm.

Die Gesellschaft wird auf Eurer Seite stehen. Sie haben keine Geduld mit Typen, die ihre Angehörigen verprügeln.«

»Ihr… Ihr versteht nicht. Er… er tut mir nicht weh. Nicht auf diese Weise.«

»Was dann, Kind? Was hat er mit Euch angestellt, um Euch in einen derartigen Zustand zu versetzen?« Plötzlich hielt Adrienne inne und blickte Evangeline an. Evangeline machte sich auf einen mitleidigen oder sogar entsetzten Blick gefaßt, doch als sie die Augen hob, erkannte sie nur Schockiertheit in Adriennes Gesicht, die nach und nach blanker Wut wich.

»Mein Gott! Er schläft mit Euch, oder nicht? Dieser verdammte Scheißkerl! Er zwingt Euch, mit ihm ins Bett zu gehen, das ist es! Macht Euch keine Gedanken. Die Gesellschaft wird ihn dafür an das Kreuz nageln!«

»Nein!« erwiderte Evangeline scharf und kämpfte gegen die Tränen, damit sie deutlich sprechen konnte. »Niemand darf es je erfahren! Wenn Finlay davon erfährt, wird es ihn umbringen.

Oder er wird versuchen, Papa zu töten, und dabei oder hinterher umgebracht. Ich habe mein Geheimnis so lange für mich behalten, und ich kann es auch noch eine Weile länger aushalten. Finlay darf nichts geschehen. Ich kann Euch nicht helfen, Adrienne. Ich kann nicht einmal mir selbst helfen.«

»Hört auf«, erwiderte Adrienne brüsk. »Also schön, wir dürfen es niemandem sagen. Aber es gibt andere Methoden. Ich habe noch nie einen Mann kennengelernt, den eine Frau nicht austricksen und überlisten konnte, wenn sie sich Mühe gab.

Laßt mich einen Augenblick nachdenken. Ich werde einen Ausweg finden, der Finlay nicht mit einbezieht. Ihr habt vollkommen recht. Er darf nichts darüber erfahren. Er würde überreagieren. Männer sind nun mal so. Meine Güte!«

»Und wenn Ihr mir helft, muß ich Euch helfen«, sagte Evangeline. »Ist es das, was Euch vorschwebt?«

»Kein Geschäft«, entgegnete Adrienne. »Nicht in dieser Sache. Ich würde jedem helfen, der in einer Situation wie der Euren steckt. Und jetzt gebt mir bitte meine Hände zurück, und wischt Eure Tränen ab. Wir werden uns einen Weg ausdenken, wie wir dem alten Bastard seine fiesen Marotten abgewöhnen.«

»Werdet Ihr, meine Liebe?« ertönte die Stimme des Shreck in der offenstehenden Wohnungstür. »Wie faszinierend!«

Die beiden Frauen fuhren erschreckt zusammen. Evangeline sprang auf, die Hände vor den Mund geschlagen. Sie war weiß wie eine Wand, die Augen weit aufgerissen vor Entsetzen.

Adrienne ließ sich Zeit, bevor sie aufstand. Sie wollte nicht, daß der Shreck glaubte, er könne sie einschüchtern. Sie bedachte Gregor mit ihrem kältesten Blick.

»Hat man Euch nicht beigebracht anzuklopfen?«

»In meinem eigenen Heim?« erwiderte der Shreck und grinste breit. »Warum, um alles in der Welt, sollte ich das tun? Der Turm gehört mir, zusammen mit allem und jedem, was sich darin befindet. Sie gehören mir. Stimmt das etwa nicht, Evangeline? Nun sei ein braves Kind und bitte deine neue Freundin zu gehen. Wir haben so viel zu besprechen.«

»Nein«, wiederholte Evangeline und starrte auf ihre Schuhe.

»Was war das?« erkundigte sich Gregor. »Ich glaube, ich habe dich nicht richtig verstanden, meine Liebe.«

»Nein!« sagte Evangeline laut und starrte den alten Shreck trotzig an. »Ich habe es satt, ständig in Angst zu leben. Du hast mich angelogen, Papa. Du hast mir geschworen, Adrienne und ihre Kinder und die restlichen überlebenden Feldglöcks zu beschützen, und jetzt muß ich erfahren, daß du sie sogar bedrohst, um an Finlay heranzukommen. Du hast mich belogen.«

»Das ist Politik, mein Kind. Die Dinge ändern sich. Ich erwarte nicht, daß du das verstehst. Aber du solltest wissen, daß ich einzig und allein das Wohl der Familie im Auge habe.«

»Wenn Eure Familie wüßte, daß Ihr Eure eigene Tochter vergewaltigt, würde sie Euch davonjagen und enteignen«, meldete sich Adrienne mit ruhiger Stimme zu Wort. »Ihr seid ein geschmackloser Krimineller, Shreck, und Ihr verschanzt Euch hinter feigen Lügen und Drohungen. Ich wußte schon immer, daß Ihr kein Mann seid, aber ich hätte nicht gedacht, daß Ihr die Frauen in Euer Bett prügeln müßt. Und jetzt dreht Euch um und verschwindet von hier. Wenn Ihr dieses arme Kind jemals wieder anrühren solltet, werde ich persönlich dafür sorgen, daß jeder in Eurer Familie von Eurem schmutzigen kleinen Geheimnis erfährt. Sie werden Euch aller Ämter entheben und aus dem Clan werfen, Shreck, und Ihr wißt, daß sie das können, wenn sie sich mehrheitlich dazu entschließen. Und ich wüßte nicht, wer von ihnen über eine so scheußliche Angelegenheit wie dieser hier anderer Meinung sein sollte. Ohne Clan wird niemand mehr mit Euch reden oder Geschäfte machen. Ihr wärt erledigt, Shreck, ein Ausgestoßener, genau wie ich. Mit dem Unterschied, daß ich damit zurechtkomme und Ihr nicht.