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Julian Skye, Esper und Agent des Untergrunds, hatte früher einmal gut ausgesehen, aber das war gewesen, bevor die Verhörspezialisten des Imperiums ihre Hand an ihn gelegt hatten.

Zu Beginn hatten sie ihn nur schlimm zusammengeschlagen, nicht, um ihn zum Reden zu bringen, sondern nur, um ihn weichzuklopfen. Sie hatten ihm keine einzige Frage gestellt.

Zwei hatten ihn festgehalten, und der dritte hatte sich an Julian ausgetobt, bis jeder Knochen in ihm vor Schmerz stöhnte. Anschließend hatten sie sich mit seinem Gesicht beschäftigt. Verletzungen im Gesicht waren zugleich seelische Verletzungen.

Dann waren sie gegangen, und Julian hatte nackt und allein in seiner Verhörzelle gesessen, in aufrechter Position von dicken Stricken an den blanken Metallstuhl gefesselt, während er darauf wartete, daß seine Folterer zurückkamen und von vorn begannen. Ein Auge war zugeschwollen, seine Nase war gebrochen, und getrocknetes Blut verkrustete sein Gesicht. Sie hatten den Mund relativ unverletzt gelassen. Julian sollte schließlich in der Lage sein, ihre Fragen zu beantworten – falls sie irgendwann begannen, ihm welche zu stellen.

Sie hatten Julian allein gelassen, damit er seine Situation überdenken und sich Sorgen über das machen konnte, was als nächstes auf ihn zukommen würde. Und Julian Skye, der von sich immer geglaubt hatte, ein Held zu sein, schämte sich in Grund und Boden, weil er nicht aufhören konnte zu weinen. Er war noch jung, ein junger Mann mit dem Mut und den Idealen eines jungen Mannes, doch die Imperialen Folterknechte hatten den Mut systematisch aus ihm herausgeprügelt. Jetzt waren Julian nur noch seine Ideale geblieben, und auch die schienen nicht mehr so stark und überzeugend zu sein wie einst. Schließlich brachte er seine Tränen doch zum Versiegen und schluchzte nur noch gelegentlich auf, während er seine Umgebung in Augenschein nahm, so gut es ging. Julian befand sich in einem kahlen, leeren Raum, tief unter der Oberfläche, in den dunklen stählernen Eingeweiden des Imperialen Palasts. Die Wände bestanden aus blankem Stahl, ohne jedes Fenster, und außer seinem verzerrten Spiegelbild im schmerzhaft grellen Licht des einzigen Scheinwerfers direkt über ihm war nichts zu erkennen. Julian Skye konnte die Hitze des Scheinwerfers spüren, die auf seinem Kopf brannte, als stünde sein Gehirn in Flammen. Die Tür seines Gefängnisses bestand aus stumpfem schwarzem Metall, direkt vor seinem Stuhl, elektronisch gesichert. Der einzige Weg hinaus, nur von außen zu öffnen und nur von jemandem, der den korrekten Zugangskode besaß.

Julian Skye saß nackt auf seinem Metallstuhl. Man hatte ihm alles genommen, was geistigen Trost oder körperliches Behagen bedeuten konnte. Sie hatten ihn sogar seines hohlen Zahns mit der Selbstmordkapsel darin beraubt. Ohne jede Betäubung hatten sie den Zahn mitsamt der Wurzel aus dem Kiefer gerissen. Hin und wieder fuhr Julian tastend mit der Zunge über das Loch, als hoffte er, der Zahn wäre wieder da. Der Schmerz war klein gewesen – klein im Vergleich zu dem, was danach gekommen war, aber Skye schossen noch immer die Tränen in die Augen, wenn er daran dachte. Der Zahn war seine letzte Hoffnung gewesen. Seine Blase hatte sich entleert, und er konnte nicht einmal den Urin von seinen Beinen wischen.

Auch das war ein Bestandteil der Weichmacherstrategie seiner Peiniger.

Skye wußte, daß er niemandem außer sich selbst die Schuld an seiner Gefangennahme geben konnte. Julian Skye war immer zu wild für den langsamen, bedächtig arbeitenden Untergrund gewesen, selbst für Esper-Terroristen der ELF, der Esper-Liberations-Front. Zu stolz und zu impulsiv. Also hatte man ihn in Ruhe gelassen, und Skye hatte seine eigenen Aktionen mit seinen eigenen Leuten durchgeführt, mit dem Untergrund verbündet, aber nicht Teil von ihm. Weshalb er auch mitten im Geschehen gesteckt hatte, als der mißglückte Überfall auf Silo Neun stattfand und der Untergrund sich fluchtartig zurückziehen mußte. Julian Skye war der einzige gewesen, der aus halbwegs sicherer Distanz den Rückzug organisieren und die Verantwortung übernehmen konnte. Er hatte die Operation geführt und, solange es ging, Zufluchtsorte, falsche Namen und neue Paßwörter beschafft, bis er selbst durch den Verrat des Mannes namens Huth so sehr kompromittiert worden war, daß er um sein Leben rennen mußte.

Er war ihnen entwischt, wie immer, und die Sicherheitsleute hatten nichts gefunden außer dem Echo seines spöttischen Gelächters. Julian Skye war ein alter Hase, was das Große Spiel der Intrigen anging, trotz seines noch fast jugendlichen Alters.

Er hatte sich für unschlagbar gehalten. Unberührbar. Er hatte sich geirrt. In Wahrheit hatte Julian Skye bisher immer nur Glück gehabt. Und sein Glück hatte ihn in dem Augenblick verlassen, als er den Fehler beging, der falschen Person zu vertrauen.

Wenigstens hatten sie ihn nicht nach Silo Neun verschleppt und ihm auch keinen jener gentechnisch produzierten Würmer ins Gehirn gepflanzt, die jeden seiner Gedanken kontrollierten.

Wenn schon nichts anderes, so hatte der Untergrund wenigstens gründliche Arbeit geleistet, das Gefängnis zerstört und den Wurmwächter getötet, bevor die Angreifer verraten worden waren und flüchten mußten. Es würde Jahre dauern, bis das Imperium Silo Neun wieder in Betrieb nehmen konnte. Wenn es überhaupt gelang, einen weiteren künstlichen Esper wie den Wurmwächter zu züchten, der ein vollkommener Gefängniswärter gewesen war. Und ohne einen Wurmwächter funktionierten die Würmer nicht. Deswegen saß Julian hier in seiner Zelle, und ein ESP-Blocker neutralisierte seine Fähigkeiten.

Zum ersten Mal grinste er schwach. Sie mochten ihn daran hindern, sein ESP einzusetzen, aber wenigstens kontrollierten sie nicht seine Gedanken. Sein Lächeln verschwand rasch wieder. Die Hirntechs würden ihm seine Gedanken entreißen. Zusammen mit allem anderen, was sie von ihm erfahren wollten.

Skye überlegte, was am Ende mit ihm geschehen würde, wenn sie ihn ausgepreßt hatten wie eine Zitrone und er nichts mehr wußte, das sie interessierte. Wahrscheinlich würden sie sein Bewußtsein einfach löschen und ihm eine neue Persönlichkeit einpflanzen, die den Bedürfnissen des Imperiums eher gerecht wurde. Sie würden den neuen Julian Skye mit dem alten Gesicht in den Untergrund zurückschicken, zusammen mit einer überzeugenden Geschichte, die seine Flucht deckte, und dann würde er einen nach dem anderen in rascher Reihenfolge verraten, bevor der Untergrund seine neue Persönlichkeit entdecken konnte. Aber vielleicht verriet er schon hier in seiner Zelle alles so gründlich, daß sie ihn anschließend gar nicht mehr benötigten. Skye hatte gehört, daß das Imperium einige der Monstrositäten aus Silo Neun gerettet hatte, Esper und Klone, an denen Experimente durchgeführt worden waren, denen sie mit ihren schmutzigen Fingern an der DNS herumgepfuscht und Gestalt und Bewußtsein in eine neue, entsetzliche Form gebracht hatten. Vielleicht ereilte ihn das gleiche Schicksal. Vielleicht würde auch Julian Skye nicht länger menschlich bleiben, außer auf genetischer Ebene. Vielleicht rüsteten sie ihn zu einer lebenden Waffe um, die nach Bedarf auf die zahlreichen Feinde des Imperiums losgelassen werden konnte. Es war ihm egal. Skye wollte nur, daß es endlich vorbei war. Die Schmerzen, die Furcht und das Entsetzen. Er war nicht länger ein Held – wenn er überhaupt jemals einer gewesen war. Ein einfacher Mann, der darauf wartete, daß man ihn zerbrach. Bei dem Gedanken regte sich schwacher Widerstand in ihm. Julian Skye war noch nicht zerbrochen. Denk nicht an das, was sie wollen. Halte es aus deinem Verstand raus. Vergrab es tief in dir. Laß die Hirntechs danach suchen. Gewinne Zeit. Denk überhaupt nicht mehr. Sei wie ein weißes Blatt Papier. Gib ihnen nichts, an dem oder mit dem sie arbeiten können.

Doch Skye konnte nicht aufhören zu denken. Sein Körper schmerzte zu sehr, um ihn zu ignorieren, und weil er mit dicken Seilen, die in sein Fleisch schnitten, hilflos und nackt an einen Stuhl gefesselt war, blieb ihm nichts anderes zu tun, als nachzudenken. Im Augenblick war er sicher. Die Untergrundesper waren vor langer Zeit tief in sein Bewußtsein eingedrungen und hatten eine Reihe mentaler Blocks errichtet, undurchdringliche Schilde, die alles bis auf die mächtigsten Imperialen Esper von seinem Verstand fernhalten würden. Skye hatte die Blocks mit Hilfe eines unterbewußten Kodeworts im gleichen Augenblick aktiviert, als ihm bewußt geworden war, daß er in der Falle saß, und die Schilde hatten sein Bewußtsein abgeschirmt. Jetzt besaß er keinerlei Informationen mehr, an denen seine Peiniger interessiert waren. Sie waren weggesperrt, an einen Ort, den selbst Skye nicht erreichen konnte. Man kann nichts verraten, das man nicht weiß. Bearbeitet die Schilde zu stark, und mein Bewußtsein wird sich selbst zerstören und alle Informationen mitnehmen.