Also waren seine Peiniger für den Augenblick sehr vorsichtig mit dem, was sie zu ihm sagten. Wenn sie etwas zu ihm sagten.
Wenn sie überhaupt redeten. Zwischen den Schlägen. Sie konnten keinen Esper auf Skye ansetzen, ohne den ESP-Blocker aus seiner Zelle zu entfernen, und im gleichen Augenblick, wo sie das taten, würde er seine Zelle mit einem psionischen Sturm zerfetzen, wie die Folterknechte ihn noch nie zuvor erlebt hätten. Der einzige Weg in Skyes Gehirn führte über die Hirntechs. Die Spezialisten des Imperiums, was Schmerz, Wahrheit und mentale Konditionierung anging. Sie würden Drogen und Technologie und all die psychologischen Tricks einsetzen, die sie bereits seit Jahrhunderten vervollkommnet hatten. Schließlich würden Skyes Schilde fallen, und er hätte nichts mehr, hinter dem er seine Informationen verstecken konnte. Dann erst würde Skye zerbrechen und den Imperialen alles verraten, was sie wissen wollten. Er würde sie anflehen, es tun zu dürfen.
Skye wußte, daß es so kommen würde. Jeder zerbrach am Ende. Er besaß nur eine Hoffnung: sie so lange hinzuhalten wie möglich, um der Untergrundbewegung genug Zeit zu verschaffen, damit sie ihn entweder befreien oder töten konnten. Er hatte nicht viel Hoffnung auf eine Rettung. Auf der anderen Seite fürchtete er auch den Tod nicht mehr, nicht nach dem, was seine Peiniger ihm angetan hatten und noch antun würden.
Skye fürchtete nur eines: daß sie ihn am Ende dazu bringen könnten, den Untergrund zu verraten. Wenn er erst tot war, dann starben seine Geheimnisse mit ihm. Er konnte es nicht selbst tun. Nach dem Ziehen seines Giftzahns hatte einer seiner Peiniger Skye einen spinalen Block eingesetzt. Er konnte noch immer alles spüren, aber er konnte sich nicht mehr bewegen.
Die Fesseln besorgten den Rest. Er konnte sich wimmern hören, aber er konnte nicht damit aufhören. Er hatte noch nie in seinem Leben so viel Angst gehabt. Andererseits hatte er auch nie geglaubt, daß er eines Tages hier enden würde. In Gefangenschaft zu geraten war etwas, das nur anderen Leuten zustieß. Jetzt weinte Julian Skye. Er konnte spüren, wie die Tränen über seine Wangen liefen. Er hätte sogar geschrien, aber er konnte nicht. Es spielte auch keine Rolle. Er würde später noch genug schreien.
Plötzlich erklang das Geräusch sich entriegelnder elektronischer Schlösser, und die Tür schwang leise auf. Julian wäre zusammengeschreckt, aber selbst das konnte er nicht. Sein Verhörmeister trat ein, ein großer schlanker Mann, ganz in Weiß gehüllt, damit die Blutspritzer noch dramatischer wirkten. Ein großer Teil der Schmerzen spielt sich schließlich im Verstand ab. Der Mann nickte Julian zu und umrundete den Stuhl. Er nahm sich Zeit und überprüfte sorgfältig die Fesseln und den spinalen Block in Julians Nacken. Der Mann war stets freundlich und hob niemals auch nur die Stimme. Das war auch gar nicht nötig. Seine Bewegungen wirkten abgehackt, präzise und äußerst effizient. Julian kannte seinen Namen nicht. Er mußte ihn nicht wissen, also nannte ihn niemand. Der Verhörmeister trat vor den Stuhl und blickte Julian an.
»Du hast Besuch, Julian«, sagte er mit sanfter Stimme. »Ich habe deinen Spinalblock so justiert, daß du sprechen kannst.
Nutze deine Zeit gut. Wenn du fertig bist, werde ich mit dir reden.«
Der Mann verließ die Zelle, während Julians Gedanken sich überschlugen. Wer, zur Hölle, hatte genügend Einfluß, daß die Hirntechs ihn zu ihrem Gefangenen ließen, während sie mitten im Weichmachungsprozeß steckten? Vielleicht ein anderes armes Schwein aus seiner Gruppe. Jemand, den sie gefangen hatten und von dem sie glaubten, daß Julian sich um ihn sorgte.
Jemand, den sie vor Julians Augen quälen oder töten konnten.
Skye bewegte den Kopf langsam hin und her, zum Teil aus Ablehnung, aber größtenteils einfach, um zu spüren, wie sein Kopf sich nach der langen Zeit der Bewegungslosigkeit bewegte. Er leckte sich über die Lippen und schmeckte getrocknetes Blut und Salz von seinen Tränen. Julian hörte, wie Schritte näher kamen, und wappnete sich, so gut er konnte. Dann trat SB Chojiro durch die Tür in die Zelle, und Julian dachte im ersten Augenblick, sein Herz würde stehenbleiben. Sie sah wunderschön aus, wie immer, eine kleine puppenhafte Frau mit langem schwarzem Haar und scharf geschnittenen orientalischen Gesichtszügen. Sie trug einen leuchtend purpurnen Kimono, dessen Farbe zu der ihrer Lippen paßte, und blickte Julian fest aus dunklen, glänzenden Augen an. Sie blieb vor ihm stehen, und die Tür fiel hinter ihr ins Schloß. Julian erwiderte ihren Blick und spürte, wie das Entsetzen erneut in ihm aufstieg. Sie wußten Bescheid über SB. Wenn sie ihr weh taten…
Allein der Gedanke trieb ihn fast in den Wahnsinn. Sie trat einen Schritt vor – selbst hier bewegte sie sich mit der vollkommenen Grazie, die den Angehörigen ihres Clans zu eigen war – und zog ein kleines metallenes Gehäuse aus dem Ärmel.
Sie drückte auf den einzelnen Knopf auf der Oberseite, und der Spinalblock gab Julian frei. Er sackte nach vorn. Allein die Fesseln verhinderten, daß er von seinem Stuhl fiel. Julians Finger zuckten krampfartig und hilflos. SB Chojiro kniete vor ihm nieder und blickte Skye in die Augen. Julian versuchte, ein Lächeln zustande zu bringen, aber es wurde nur eine Grimasse daraus. SB Chojiro steckte den kleinen Apparat wieder ein und zog ein seidenes Taschentuch hervor, mit dem sie Julians Tränen und das getrocknete Blut abwischte. Ihre Berührung war sehr sanft.
»Mein armer Julian, was haben sie nur mit dir gemacht? Du warst immer so stark, so sicher. Jetzt haben sie dir die Flügel gebrochen, und du wirst nie wieder fliegen.«
»SB«, sagte Julian mit heiserer Stimme. Er mußte seinen Mund zwingen, ihm zu gehorchen. »Haben sie dir weh getan?
Was…?«
»Versuch nicht zu sprechen. Hör einfach nur zu. Ich kann nicht lange bleiben. Ich möchte, daß du ihnen alles sagst, Julian. Es ist nur zu deinem Besten, wirklich. Du weißt, daß sie es so oder so aus dir herausholen werden. Das tun sie immer. Und was dann noch von dir noch übrig ist, wird nicht einmal mehr wissen, wer ich bin. Wenn du mit ihnen zusammenarbeitest, lassen sie dich am Ende gehen, und wir können wieder Zusammensein, so wie früher. Würde dir das nicht gefallen, mein armer Julian?«
Julian blickte sie an und schwieg. Er kannte SB Chojiro noch kein ganzes Jahr. Sie war die Geliebte seines jüngeren Bruders gewesen. Auric Skye hatte versucht, eine Anstellung im Chojiro-Clan zu finden, damit er in ihrer Nähe sein konnte. Um den Clan zu beeindrucken, hatte er den Maskierten Gladiator in der Arena herausgefordert. Der Maskierte hatte ihn getötet. Auric hatte nicht die Spur einer Chance gegen den legendären Schlächter gehabt. Julian hatte seinen Bruder gewarnt, doch Auric hatte nicht auf ihn hören wollen. Julian hatte schweigend zugesehen, wie sie den Leichnam seines Bruders über den blutigen Sand davongetragen hatten. Er hätte Auric gerächt, wenn er eine Möglichkeit dazu gesehen hätte, aber Julian besaß genug Verstand, um zu wissen, daß er den Maskierten weder in einem fairen noch in einem unfairen Kampf schlagen konnte.