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Er hatte sie über alles geliebt, doch jetzt konnte er nur noch daran denken, wie seine Hände sich um ihren perfekten Hals schlossen, während ihr spöttisches Grinsen einem Schrei des Entsetzens wich. Plötzlich lachte Julian auf, ein rauhes, brutales Geräusch von schwärzestem Humor. Der Verhörmeister blieb überrascht im Eingang stehen, als wäre ihm in diesem Augenblick bewußt geworden, daß er im Begriff stand, einen kleinen Raum zu betreten, in dem ein wildes Tier auf ihn wartete. Doch der Augenblick ging vorüber, und der weißgekleidete Mann trat ein, während er sein zukünftiges Opfer gönnerhaft anlächelte. Sorgfältig schloß er hinter sich die Tür, so daß Julians Schreie niemanden stören konnten, der zufällig draußen über den Korridor ging.

Finlay Feldglöck kehrte auf einem Wrack von Flieger von seiner Mission zurück, blutend und ein klein wenig außer Atem.

Die Piloten der verfolgenden Gravschlitten hatten sich als außerordentlich geschickt erwiesen, und Finlay hatte tief in seine Trickkiste greifen müssen, um sie am Ende doch noch abzuschütteln. Er landete die Maschine mit einem deutlichen Krachen und sackte für einen Augenblick über den Kontrollen zusammen. Leute kamen herbei, um den Flieger außer Sicht zu ziehen, bevor man ihn entdeckte. Finlay straffte sich mit einem Ruck. Niemand sollte das Gerücht in die Welt setzen können, er sei weich geworden. Er trat vom Flieger herunter und genoß den Ausdruck auf den Gesichtern der Umstehenden, als sie sahen, was er auf der Plattform für sie zurückgelassen hatte.

Finlay hatte den Leichnam Saint Johns mitgebracht, zum Teil als Beweis, daß er seinen Auftrag erfüllt hatte, zum Teil, weil der fehlende Körper die Lords wütend machen würde, und zum Teil als Trophäe. In ihm regte sich die vage Idee, daß er Saint John ausstopfen lassen und an einer belebten Ecke ausstellen sollte, damit jeder ihn sehen und den Anblick genießen konnte.

Doch im Augenblick blieb Finlay keine Zeit, sich eingehender mit diesem verlockenden Gedanken zu beschäftigen.

Finlay ließ den Leichnam in dem erbeuteten Flieger zurück und schlenderte unwillig zu den wartenden Aufzügen. Sollte jemand anderes sich um Saint John kümmern. Einer von Julians Stiefel gab beim Gehen laute, platschende Geräusche von sich. Es war Blut aus einer Wunde am Bein. Finlay hatte auch noch andere Wunden davongetragen, doch er hielt sich aufrecht. Er hatte schließlich einen Ruf zu verteidigen. Ungeduldig wartete er vor der Aufzugstür, die Hand auf dem Griff seines Schwerts, als würde er seine Kraft aus der Waffe beziehen.

Endlich glitten die Türen zur Seite, und Finlay stapfte in den Lift. Hinter ihm schlossen sich die Türen wieder, und Finlay Feldglöck sank zusammen. Nur die stählerne Wand verhinderte, daß er fiel. Finlay hatte sich schon besser gefühlt. Er wurde anscheinend alt. Demnächst würde er wohl nur noch Dame spielen. Im Augenblick wünschte er sich nichts sehnlicher als ein heißes Bad und ein paar Tage ungestörten Schlaf, doch die Anführer der Bewegung erwarteten seinen Bericht. Natürlich nicht schriftlich, das wäre zu leicht gewesen. Nein, er hatte persönlich vor ihnen zu erscheinen und in allen Einzelheiten von seinen Taten zu berichten wie ein Schuljunge in einem Klassenzimmer. Finlay dachte sehnsüchtig an sein Quartier und ein großes Glas guten Branntwein. Während der letzten Phase seiner Flucht hatte ihn nur der Gedanke an einen guten Tropfen auf den Beinen gehalten. Das, und die Erinnerung an Evangeline. Sie war nie weit von ihm, wenigstens in Gedanken, was auch immer er unternahm. Langsam richtete Finlay sich wieder auf und drückte sich von der stützenden Wand ab. Er schnaufte geringschätzig wegen der zahlreichen Schmerzen, die ihn plagten. Er wußte wirklich nicht, warum er sich eigentlich Gedanken um seinen Bericht machte. Die Anführer der Untergrundbewegung mußten nur einen Blick in den Schlitten werfen, um zu sehen, daß er seinen Auftrag erfolgreich abgeschlossen hatte. Aber sie wollten Einzelheiten. Sie wollten immer Einzelheiten. Vielleicht half es ihnen, sich einzubilden, daß sie die Befehle gaben. Und Finlay spielte mit. Widerwillig. Er war auf den Untergrund angewiesen.

Die Türen des Aufzugs öffneten sich auf einer Ebene, die in keiner offiziellen Karte existierte, und Finlay wankte unsicher in einen düsteren Korridor hinaus. Im Untergrund schien es nie genug Lampen zu geben. Wahrscheinlich war das Absicht, um den Treffpunkten ein mysteriöses Aussehen zu verleihen. Entweder das, oder man sparte wieder einmal Energie. Finlay bemerkte, daß seine Gedanken erneut zu wandern begannen, und konzentrierte sich auf den Weg vor ihm. Hier unten in den Subsystemen, weit unter der Oberfläche Golgathas, sah ein verlassener stählerner Korridor aus wie der andere. Nur wenige Menschen hielten sich hier unten auf, und Finlay riß sich zusammen und erwiderte die Grüße der Passanten. Sie nickten alle freundlich, und das gehörte sich auch so. Er war schließlich Finlay Feldglöck, verdammt!

Schließlich erreichte Finlay den Treffpunkt, eine verlassene Werkstatt, deren Existenz die Kyberratten aus dem offiziellen Gedächtnis gelöscht hatten. Es war ein großer, offener Raum, dessen Wände aus stählernen Platten bestanden. Überall hingen lose Kabel herab und gaben dem Platz ein unfertiges, provisorisches Aussehen. Ziemlich treffend, wenn man bedachte, daß der Untergrund jeden Augenblick damit rechnen mußte, seine Sachen zusammenpacken und fluchtartig verschwinden zu müssen. Nach dem Debakel des Angriffs auf Silo Neun und den darauffolgenden Säuberungsaktionen tendierten die Überreste der Bewegung dazu, von einem Augenblick auf den anderen zu leben und sich noch paranoider zu verhalten als vorher.

Finlay stapfte zu den wartenden Anführern der Bewegung, die in der Mitte des Raums im Zentrum einer freien Fläche auf ihn warteten, und nickte ihnen steif zu. Diesmal waren sie zu dritt, mächtige Esper, die sich hinter telepathisch projizierten Bildern versteckten, um ihre wahre Identität zu verbergen. Zumindest lautete so ihre Geschichte. Finlay gefiel die Vorstellung, daß sie ihr Aussehen wegen Hautproblemen oder einer mißglückten Haartransplantation hinter einer Illusion verbargen. Finlay hatte vor nichts und niemandem mehr Ehrfurcht.

Der Anführer, den alle nur unter dem Namen Mister Perfekt kannten, war ein nackter Adonis, dessen unglaublich definierte Muskulatur vor Schweiß glänzte, obwohl er nie etwas anderes tat, als reglos dazustehen. Mister Perfekt besaß harte, furchteinflößende Gesichtszüge, die ein wenig zu klassisch geschnitten waren, um echt zu sein. Er besaß sogar ein Grübchen am Kinn, der Bastard. Finlay achtete sorgfältig darauf, nicht auf Mister Perfekts Genitalien zu starren. Es hätte ihn nur deprimiert. Neben dem griechischen Adonis hing ein Mandala in ständig wechselnden Farben und Umrissen in der Luft, ein sich drehendes Rad aus ineinander verlaufenden Mustern. Finlay behagte der Anblick ebensowenig wie der des üppig proportionierten Mister Perfekt. Die plötzlichen Wechsel von Farbe und Intensität und die Art und Weise, wie sie anscheinend ins Nichts davonwirbelten, bereiteten ihm Kopfschmerzen. Der dritte Anführer präsentierte sich als sechs Meter langer Drache, der sich um einen großen Baum gewickelt hatte. Er sprach meist nicht viel, doch seine großen goldenen Augen blinzelten kaum jemals und vermittelten den Eindruck eines aufmerksamen Zuhörers. Wenn es denn ein männlicher dritter Anführer war. In Finlay regte sich darüber hinaus der heimliche Verdacht, daß der Baum mehr war, als er zu sein schien. Vielleicht waren es ja vier Anführer, vor denen er stand.