Выбрать главу

Seine schnarrende Stimme verstummte schlagartig, als Frost ihm in den Unterleib trat. Die Wucht ihres Tritts warf den Jesuiten durch die Luft und mitten unter seine eigenen Leute, die umfielen wie Kegel. Ein lautes Stöhnen erklang von, den Priestern, als die beim Aufprall Verletzten sich mühsam auf die Beine rappelten. Der Jesuit, der sich vor Frost aufgebaut hatte, lag zusammengekrümmt am Boden und schnappte noch immer nach Luft. Frost stand ungerührt da und beobachtete ihn. Sie atmete noch nicht einmal schneller. Stelmach schlug die Hände vors Gesicht. Schwejksam klatschte Beifall, und einige der mutigeren Höflinge fielen ein. Frost ignorierte sie mit großartiger Geste, jeder Zentimeter ein echter Investigator.

»Ich glaube nicht, daß ich mich noch in Eurer Nähe aufhalten möchte«, murmelte Stelmach. »Ihr müßt lebensmüde sein.«

»Jetzt kommt schon«, sagte Schwejksam. »Laßt den Kopf nicht hängen. Wir wurden wahrscheinlich sowieso zur Exekution hergebracht, oder habt Ihr das bereits vergessen? Was für eine Rolle spielt es da, wer uns am Ende tötet?«

Stelmach warf einen kurzen Blick zur Eisernen Hexe auf ihrem Thron, dann sah er den Kapitän der Unerschrocken mit einem beinahe flehenden Ausdruck in den Augen an. »Seid Ihr sicher? Besteht denn gar keine Hoffnung mehr?«

»Oh, Hoffnung gibt es immer«, erwiderte Schwejksam. »Als Frost und ich das letzte Mal hier standen, hatte man uns von Kopf bis Fuß in schwere Ketten gelegt, und die Unterschrift der Imperatorin war das einzige, was auf unseren Erschießungsbefehlen noch fehlte. Wir haben trotzdem überlebt.

Diesmal hat man uns wenigstens nicht in Ketten gelegt. Ich betrachte das als gutes Omen.«

»Ich nicht«, widersprach Frost. »Diesmal geht man subtiler vor. Nichts ist schlimmer, als in jemandem falsche Hoffnungen zu erwecken.«

Stelmach seufzte. »Ich hatte gehofft, daß jemand aus meiner Familie auftauchen und mir wenigstens moralische Unterstützung geben würde, aber nein. Niemand ist gekommen, um Zeuge meines Todes zu werden. Ein Versager hat keine Verwandten oder Freunde, aus Furcht, es könnte abfärben.«

Schwejksam musterte seinen Sicherheitsoffizier. »Das war beinahe profund, Stelmach. Offensichtlich hat die Nähe des eigenen Todes einen inspirierenden Einfluß auf Euch. Ihr redet nie viel, Kühnhold. Erzählt uns von Eurer Familie. Was sind das für Menschen, die ihrem Sohn einen solchen Vornamen geben?«

»Ehrgeizige Menschen«, antwortete Stelmach grimmig.

»Meine Familie hat Geschäfte gemacht, aber niemand war erfolgreich genug, um Minister zu werden oder in einen großen Clan einzuheiraten. Also hat man uns Kinder alle zum Militär geschickt. Meine Brüder Stolzfried und Ehrheld sind Offiziere mittleren Ranges. Meine Schwester Athena wurde sogar noch früher weggegeben und in eine Investigatorenausbildung gesteckt. Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist. Man fragt nicht danach. Mein Vater starb vor vielen Jahren. So muß er wenigstens nicht mit ansehen, wie ich ihn enttäusche. Sicherheitsoffiziere bekleiden nicht gerade die ruhmreichsten Posten bei der Flotte.«

»Wenigstens besitzt Ihr noch eine Familie«, erwiderte Schwejksam. »Ich wurde Kapitän eines Raumschiffs, weil mein Clan das von mir erwartet hat. Und ich wollte, daß alle stolz auf mich sind. Statt dessen habe ich den Familiennamen nun bereits zum zweiten Mal in den Schmutz gezogen. Offiziell wurde ich enterbt, weil ich nicht zusammen mit meinem ersten Schiff, der Sturmwind, abgestürzt bin. Ich wollte es ja, doch Investigator Frost hier bestand aus unerfindlichen Gründen darauf, mich zu retten. Stimmt das nicht, Investigator?«

»Wir alle machen Fehler«, erwiderte Frost, ohne ihn anzublicken. Schwejksam mußte grinsen.

»Wollt Ihr uns nicht von Eurer Familie erzählen, Investigator? Stelmach und ich haben unser Herz bereits ausgeschüttet.

Verratet uns doch, woher Ihr kommt.«

Lange Zeit schwieg Frost, und in Schwejksam regte sich bereits das Gefühl, den Bogen vielleicht überspannt zu haben, doch dann begann sie sehr leise zu sprechen. So leise, daß Schwejksam und Stelmach sich anstrengen mußten, um die Worte zu verstehen. Frost hielt den Blick gesenkt, während sie sprach.

»Offiziell besitzen Investigatoren keine Familie. Nur ihresgleichen. Doch ich war neugierig, und da bin ich in die versteckten Dateien eingebrochen und habe nach meiner Vergangenheit geforscht. Ich fand die Adresse meiner Eltern und wollte sie besuchen. Nur mein Vater war bereit, mich zu sehen, und selbst er hatte so viel Angst vor mir, daß er nicht zuhörte. Ich ging niemals wieder hin. Ich besitze keine Familie, Kapitän.

Ich bin selbst für das verantwortlich, was ich heute bin. Das Imperium hat mir ein klein wenig dabei geholfen, das ist alles.«

»Ich bin froh über dieses aufmunternde Gespräch«, brummte Stelmach. »Ich fühlte mich ein wenig deprimiert, doch jetzt ist mir nach Selbstmord zumute. Warum verschlucken wir nicht alle einfach unsere Zungen und bringen es hinter uns?«

»Weil es noch immer Hoffnung gibt«, erwiderte Schwejksam. »Und weil ich Haltung bewahre, selbst wenn ich untergehen muß. Richtig, Investigator?«

»Richtig«, bestätigte Frost. »Oh, seht nur; die Jesuiten erholen sich anscheinend.«

Die Kriegerpriester waren inzwischen alle wieder auf den Beinen, obwohl sie sich noch gegenseitig stützen mußten. Die Offiziere kicherten ungeniert und stießen sich in die Rippen.

Einige der Höflinge applaudierten erneut, doch plötzlich unterbrachen sie sich und warfen ängstliche Blicke auf die Imperatorin, um zu sehen, was sie davon hielt. Zum Glück für die Besorgten schien die Eiserne Hexe in ein Gespräch mit General Beckett versunken zu sein. Also wandte man sich wieder um und beobachtete den zweiten Mann, der vor dem Eisernen Thron stand: James Kassar, Kardinal der Kirche von Christus dem Krieger und nach Meinung vieler einer der gefährlichsten Männer im gesamten Imperium. Er war groß und muskulös und trug einen schwarzen, gepanzerten Kampfanzug, als wäre er hineingeboren worden. Über dem Herzen befand sich das Relief eines Kruzifixes in der Brustplatte. Früher einmal war der Kardinal ein attraktiver Mann gewesen, doch diese Zeit war vorbei. Kassar hatte einen Mann aus fragwürdigem Anlaß als Häretiker hinrichten lassen, und dessen Witwe hatte dem Kardinal Säure ins Gesicht geschüttet. Der Kardinal hatte die Witwe im nächsten Augenblick mit dem Schwert durchbohrt, doch der Schaden war bereits angerichtet. Sein rechtes Auge war verloren und die gesamte rechte Gesichtshälfte bis auf die Knochen verätzt. Die farblosen Knochen zeigten sich noch immer durch das Narbengewebe. Die Zähne schimmerten durch die Überreste seines Kiefers hindurch und verliehen Kassars Gesicht ein konstantes häßliches Grinsen, in dem keine Spur von Humor zu erkennen war. Das Gesicht war ein entsetzlicher Anblick, der selbst den stärksten Magen umdrehte, und Kassar wußte es. Genau aus diesem Grund hatte der Kardinal sich nie operieren lassen. Eine Regenerationsmaschine hätte keine Spur von den entsetzlichen Wunden zurückgelassen, doch er verzichtete darauf. Vielleicht als Zeichen oder Warnung, daß nichts und niemand ihn aufhalten konnte, oder vielleicht aus irgendeiner pervertierten Art von Eitelkeit. Nicht wenige Leute waren überzeugt, daß Kassar es genoß, wenn sein Anblick andere entsetzte.

Man erzählte sich auch, Kassar hätte die Wachen, die die Frau hatten durchschlüpfen lassen, in einen Behälter mit Säure senken lassen. Ganz langsam, mit den Füßen voran. Niemand hatte Schwierigkeiten, sich diese Geschichte als wahr vorzustellen. Kardinal Kassar war bekannt für seine kalte Wut und seine als Gerechtigkeitssinn maskierte Rachsucht. Er war durch die Ränge der Kirche aufgestiegen, indem er fanatisch gegen jeden Häretiker vorgegangen war, der seine oder die Autorität der Kirche in Frage gestellt hatte. Er zögerte nicht, jeden anzuklagen, der sich gegen den wachsenden Einfluß der Kirche zur Wehr setzte – oder seiner persönlichen Karriere im Weg stand