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Also zog er seine silberne Pillendose hervor, wischte den Rauhreif vom Deckel, öffnete sie und entnahm ihr ein einzelnes Pflaster, das er mit geübter Treffsicherheit gegen seine Halsschlagader preßte. Sein purpurnes Grinsen wurde breiter, als die Wirkung einsetzte und die neue Droge sich wie ein dampfender Zug einen Weg durch seinen Kreislauf bahnte.

Valentins Gedanken arbeiteten schlagartig um ein Vielfaches schneller, und jeder ringsum schien sich mit einemmal wie in Zeitlupe zu bewegen. Ihm wurde angenehm warm, als würde er in einem gemütlichen Sessel vor einem großen knisternden Kaminfeuer sitzen. Ungeachtet der beißenden Kälte rannen kleine Schweißbäche an seinen Schläfen herab. Valentins Atem ging rascher, und sein Herz schlug spürbar in seiner Brust. Er beobachtete die Bewegungsmuster der Menschen ringsum, jede Geste eine einzige Enthüllung. Er riß sich zusammen und konzentrierte die Gedanken auf das, was er wissen mußte. Der Nachteil dieser speziellen Droge war, daß sie Valentin allzuleicht in einen paranoiden Zustand versetzte, doch das war eine akzeptable Nebenwirkung, wenn man die Umstände bedachte.

Am Hof der Löwenstein war Verfolgungswahn nie ganz fehl am Platz.

Eine gedrungene, fette Gestalt näherte sich ihm mit entschlossenem Gesicht, und Valentin warf sich in eine elegante Pose. Seinem Verhalten nach zu urteilen, hatte Lord Gregor Shreck etwas Geschäftliches mit Valentin zu besprechen. Valentin war es egal. Auch dieses Spiel beherrschte er. Der Wolf lächelte den Shreck freundlich an, ohne sich indes zu verbeugen. Er wollte den Mann auf keinen Fall ermutigen. Der Shreck blieb vor Valentin stehen, schnaufte kurz und verbeugte sich dann steif.

»Einen Augenblick Eurer Zeit, Wolf; ich denke, es ist zu unser beiderseitigem Vorteil.«

»Nun«, erwiderte Valentin freundlich, »niemand soll mir nachsagen, daß ich einen Vorteil nicht zu nutzen verstehe. Nett, Euch wiederzusehen, mein lieber Shreck. Ihr seht gut aus.

Kann es sein, daß Ihr ein wenig abgenommen habt?«

»Jedenfalls nicht lebensgefährlich«, sagte der Shreck und versuchte sich an einem höflichen Lächeln, doch ohne besonderen Erfolg. Ihm fehlte einfach die Übung. »Wir haben gemeinsame Interessen, Wolf, ganz zu schweigen von gemeinsamen Feinden. Der Chojiro-Clan gewinnt in letzter Zeit gefährlich viel Einfluß bei Hofe. Er ist mächtig geworden, seit die Feldglöcks vernichtet wurden. Und nicht genug, daß die Chojiros unsere geschäftlichen Interessen bedrohen, jetzt versuchen sie auch noch, unsere Stellung am Hof zu unterminieren. Ich würde sogar wagen zu behaupten, daß die Chojiros inzwischen so viel Einfluß gewonnen haben, daß weder Ihr noch ich ihnen irgend etwas verweigern könnten, das sie haben wollen. Jedenfalls nicht einer von uns allein. Doch…«

»… doch gemeinsam und vereint könnten wir sie dorthin zurückschicken, wo sie hingehören«, vollendete Valentin den Satz, den er beinahe schon gehört hatte, bevor der Shreck zu sprechen begonnen hatte. Seine Gedanken rasten, und er war dem Shreck weit voraus. Valentin wog sorgfältig ab, welcher der Clans in Zukunft den größten potentiellen Nutzen bieten und welcher ihm am gefährlichsten werden konnte. Die Chojiros waren eindeutig auf dem Weg nach oben, während der Stern der Shrecks sank. Und die Chojiros besaßen wenigstens einen Funken von Anstand und Ehre, etwas, das der feiste Shreck nie gekannt hatte. Valentin schätzte Anstand und Ehrgefühl. Das machte es viel leichter, die Leute zu manipulieren, die daran glaubten oder dachten, daß er es tat. Außerdem vertraute der Wolf dem Shreck nicht. Er hatte ihm nie vertraut.

»Ich danke Euch, Gregor.« Nach außen hin war kaum eine Pause zu seinen letzten Worten spürbar. »Aber zur Zeit habe ich nicht das geringste Interesse an irgendwelchen Auseinandersetzungen. Ich habe so schrecklich viel zu tun seit meiner Übernahme des Feldglöck-Clans. Die Chojiros sind ein Ärgernis, mehr nicht. Trotzdem danke ich Euch für Euer Interesse, Lord Shreck. Laßt Euch nicht von mir aufhalten. Ich bin sicher, andere warten sehnsüchtig auf Eure Gesellschaft.«

Gregor Shreck stand einen Augenblick lang einfach nur wütend da, dann machte er auf dem Absatz kehrt und stampfte durch den Schnee davon. Am liebsten hätte er den Wolf unter Druck gesetzt, um deutlich zu machen, daß es an den Seitenlinien ebenfalls gefährlich war, doch der Shreck besaß nichts, mit dem er Valentin hätte drohen können, und beide wußten es.

Valentin grinste schwach, während er der kleinen, dicken Gestalt hinterherblickte, die voller wütender Energie über den dichten Schnee davonstapfte. Der Shreck würde hier am Hof keine Verbündeten finden, und er hatte nie Freunde besessen.

Natürlich konnte er sich immer an die Kirche wenden, und in letzter Zeit schien er sie auch verstärkt zu umgarnen, aber die Kirche war sowieso nicht gut auf Valentin zu sprechen. Von dieser Seite waren keine Überraschungen zu erwarten.

Valentin Wolf blickte durch die Kammer, um zu sehen, ob irgend jemand seine kurze Begegnung mit dem Shreck mitverfolgt hatte, doch alle wichen seinem Blick aus. Natürlich hatten sie ihn beobachtet. Es gab keinen, der nicht irgend etwas von Valentin gewollt hätte. Alle wollten etwas vom Oberhaupt des mächtigsten Clans im Imperium. Valentin zuckte die Schultern.

Er hatte wichtigere Sorgen. In letzter Zeit hatten ihm seine Spione in der Untergrundbewegung immer wieder Nachrichten über anscheinend übermenschliche Fähigkeiten bei den Rebellen zugetragen, Fähigkeiten, die nicht durch neue Esper-Talente erklärbar waren. Stärken und Fähigkeiten, die weit über alles hinausgingen, wovon man je gehört hatte. Natürlich waren das alles nur Gerüchte und zufällig aufgefangener Klatsch, doch wenn es wirklich eine Möglichkeit gab, Fähigkeiten hervorzubringen, die über ESP hinausgingen, dann mußte Valentin diese Technologie oder was immer es war in seinen Besitz bringen. Erjagte weiterhin hinter der Esper-Droge her, doch ohne rechten Erfolg. Seit seiner Trennung von der Untergrundbewegung war es schwieriger geworden, aber Valentin hatte beizeiten dafür gesorgt, seine eigenen Leute in die Reihen der Rebellen einzuschleusen, nur für den Fall. Es war eine Schande, daß er nicht mehr selbst dorthin gehen konnte. Der Untergrund besaß Zugriff auf alle möglichen Arten ungewöhnlicher und verbotener Drogen. Valentin war zu populär geworden, um weiterhin die Verbindung aufrechtzuerhalten.

Der Hohe Lord Dram persönlich hatte sich als der Mann namens Huth in den höchsten Rängen der Klon- und Esper-Bewegung aufgehalten, bevor er seine wirkliche Identität enthüllt hatte – was bedeutete, daß er alles über Valentins Verbindungen wußte. Valentin Wolf hatte sich nie einen verdammten Dreck um die Ziele und Ideale der Untergrundbewegung geschert. Ihn hatten nur alternative Wege zur Macht interessiert und die Esper-Droge, die nachgewiesenermaßen aus jedem gewöhnlichen Menschen einen Esper machen konnte. Es wäre Valentin schwergefallen, die Löwenstein davon zu überzeugen, und deshalb hatte der Wolf sich blitzartig aus dem Untergrund zurückgezogen und alle Beziehungen abgebrochen, nachdem Huth sich als der Hohe Lord Dram zu erkennen gegeben hatte, und sich aller Dinge oder Personen entledigt, die ihn direkt mit dem Untergrund in Verbindung bringen konnten. Die Spione, die er eingeschleust hatte, spielten keine Rolle. Sie hatten keine Ahnung, wem sie ihre Berichte erstatteten, und solange das Geld regelmäßig kam, stellten sie auch keine Fragen. Dann hatte Valentin sich zurückgelehnt und wartete seither, daß Dram seinen ersten Zug machte, und er war sicher, daß der Mann keine Beweise gegen ihn in der Hand hielt, die Valentin nicht entkräften konnte. Selbst das Wort eines Obersten Kriegers reichte nicht aus, um jemanden in Valentins Position als Oberhaupt der Ersten Familie des Imperiums ohne Beweise anzuklagen. Man hatte schließlich seine Privilegien.