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Die drei Kontrahenten drehten sich um und erblickten Valentin, der aus der Menge hervorgetreten war und nun direkt hinter ihnen stand. Beatrice wich ostentativ einen Schritt zurück, um die Distanz zwischen sich und dem Wolf zu vergrößern. Valentin schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Kassar funkelte den Wolf böse an.

»Was habt Ihr hier zu suchen, Degenerierter?«

»Nun, ich hätte eine ganze Liste, falls Ihr Euch dafür interessiert, Kassar. Ansonsten seid Ihr nicht mein Typ. Ich möchte lediglich allem zustimmen, was Beatrice soeben gesagt hat.«

»Na, dann danke ich auch recht schön«, murmelte Beatrice.

»Wenn Ihr auf meiner Seite steht, werden sie mir niemals glauben. Ihr macht das mit Absicht, Wolf, gebt es zu! Nur weil ich Euch nicht heiraten wollte, seid Ihr entschlossen, mein Leben zu ruinieren.«

»Ihr betrübt mich zutiefst«, entgegnete Valentin spöttisch.

»Darf ein Mann nicht mehr aus gesundem Menschenverstand heraus sprechen?«

»Was, zur Hölle, wißt denn Ihr über gesunden Menschenverstand?« konterte Beatrice. »Ich habe depressive Lemminge auf der Kante einer Klippe gesehen, die mehr von Realität verstehen als Ihr. Und von gesundem Menschenverstand.«

»Wenn die Herrschaften sich vielleicht zuerst ein wenig allein unterhalten wollen?« begann Beckett und verstummte, als er Beatrice’ wütenden Blick auffing.

»Ich würde lieber in einem Becken voller ausgehungerter Piranhas herumschwimmen! Bleibt nur hier, General. Das gilt auch für Euch, Kardinal. So widerlich mir Eure Gegenwart ohne Zweifel ist – ich ziehe sie immer noch diesem genetischen Desaster vor, das zur Zeit die Familie Wolf leitet. Ich habe gehört, daß die Untersuchungsbehörde für gefährliche Chemikalien ihn zu Sondermüll erklären will. Vielleicht können wir ihn aus Gründen der allgemeinen Gesundheit aus bewohnten Gegenden verbannen.«

»Ah«, seufzte die Herrscherin auf ihrem Thron. »Junge Liebe…«

Nicht weit entfernt starrte der Shreck mißmutig auf die Gesellschaft, die sich vor dem Thron versammelt hatte. Seinem Status entsprechend hätte auch er dort sein sollen, um seinen Beitrag und sein Wissen zu der laufenden Diskussion beizusteuern. Er war das Oberhaupt einer der ältesten Familien des Imperiums und ein Mann, den man nicht übergehen durfte. Doch hinterhältige Verräter, die seine wirklichen Qualitäten nicht sehen wollten, hatten ihn seiner ihm zustehenden Position in der Gesellschaft beraubt. Sie grinsten ihm ins Gesicht und lachten und tuschelten hinter seinem Rücken über ihn. Sie würden dafür bezahlen. Sie alle würden dafür bezahlen – eines Tages.

Aber das konnte warten. Im Augenblick gab es im Kopf des alten Shreck nicht viel Raum für etwas anderes als rasende Wut. Evangeline hatte ihn verlassen. Die undankbare kleine Hexe hatte es tatsächlich gewagt, ihn hinauszuwerfen. Zusammen mit dieser Kuh Adrienne hatte sie den Mut gefunden, ihm die Stirn zu beten. Der Shreck grinste böse. Sie mochten denken, sie hätten ihn geschlagen, aber sie würden schon bald feststellen, daß niemand ungestraft dem Shreck in den Weg trat und lange genug lebte, um sich auch noch damit zu brüsten.

Evangeline sollte ruhig glauben, daß sie im Untergrund bei all diesen Unpersonen sicher war. Aber es mußte irgendwo eine Schwachstelle geben, und er besaß genug Zeit, das nötige Geld und den Haß, um sie zu finden. Irgend jemand würde schwach werden, wenn der Shreck nur genug Geld bot, das richtige Druckmittel fand oder sonst einen Handel abschließen konnte.

Irgend jemand wurde immer schwach. Und dann… dann würde er Evangeline in die Finger bekommen.

Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Leute sich wunderten, wo Evangeline abgeblieben war. Die Leute im Shreck-Turm würden zu reden anfangen. Man konnte sie nicht daran hindern. Und dann würden die Höflinge einen Schwachpunkt des alten Shreck entdecken und anfangen, unangenehme Fragen zu stellen. Wo war Evangeline? Was war mit ihr geschehen? Was hatte er ihr angetan? Es gab immer Leute, die ihre Nasen in Angelegenheiten steckten, die sie nichts angingen.

Der Shreck konnte jederzeit eine neue Evangeline klonen.

Schließlich besaß er noch immer die Gewebeproben des Originals. Aber es würde Monate dauern, sie großzuziehen und auszubilden. Mit der letzten hatte es schon verdammt lang gedauert. Und was, wenn der andere Klon wieder auftauchte? Es würde keine Möglichkeit mehr geben, zu verheimlichen, was er getan hatte, wenn erst zwei Evangelines herumliefen. Außerdem bestand die Möglichkeit, daß der erste Klon aus sicherer Entfernung alles erzählen würde, um sich an Shreck zu rächen.

Sie würde natürlich nichts beweisen können, ohne sich selbst auszuliefern, doch allein die Anschuldigung würde dem Shreck gewaltigen Schaden zufügen. Dreck bleibt nun einmal kleben, ganz besonders, wenn die anderen wollen, daß er kleben bleibt.

Gregor schnitt eine Grimasse. In diesen Tagen war es wichtiger als je zuvor, daß er über jeden Vorwurf erhaben schien.

In den letzten Monaten hatte er Schritte eingeleitet, die ihn in der Öffentlichkeit als religiösen Menschen erscheinen ließen.

Er hatte die richtigen Gottesdienste in den richtigen Kirchen besucht, sich in den richtigen Kreisen bewegt, die zur Zeit modernen Wohltätigkeitsorganisationen und Interessengruppen unterstützt und alles getan, was in seiner Macht stand, um die Anerkennung der Staatskirche zu gewinnen. Er benötigte ihre Unterstützung, wenn er sich seinen Platz in den erlauchten Kreisen zurückerobern wollte, zu denen er von seinem Rang her gehörte. Allerdings mußte Gregor in der Öffentlichkeit reiner als rein dastehen, wenn er die Rückendeckung der Kirche wollte, und das hatte ihn einiges gekostet. In der Vergangenheit war Gregor Shreck immer seinen eigenen Weg gegangen, hatte getan, was er wollte, und seine Leute hatten den dabei entstandenen Schaden entweder mit Geld oder Drohungen beseitigen müssen. Das typische Verhalten eines Aristokraten mit Geld wie Heu und mehr Hormonen als Verstand. Zum Glück war der Kirche die Vergangenheit egal, solange man nur öffentlich bereute, eine große Summe spendete und alles hinter sich ließ. Die beiden erstgenannten Anforderungen kümmerten Gregor wenig, doch die dritte stellte ein nicht unbeträchtliches Hindernis dar. Es gab Grenzen. Trotzdem, auf der einen Seite gab es die Öffentlichkeit und auf der anderen das Private. Solange der Shreck in den Augen der Öffentlichkeit gut dastand, vergab man ihm alle Sünden, von denen die Gerüchte erzählten. Man ignorierte sie sogar. Gregor hatte sich nie um sein Ansehen in der Öffentlichkeit geschert, doch zum Glück gab es Familienangehörige, die das in die Hand genommen hatten. Im Augenblick standen sie direkt hinter ihm und warteten auf seine Instruktionen. Jedenfalls diejenigen, die wußten, was gut für sie war und was nicht. Gregor wandte sich zu ihnen um und bedachte sie mit seinem furchteinflößendsten Gesichtsausdruck.

Toby der Troubadour war sein Neffe, obwohl Gregor sich das manchmal nur ungern eingestand. Ein gedrungener, dicker, schwitzender Bursche mit flachsblondem Haar und falschem Grinsen, einem Verstand wie eine stählerne Fußangel und der Moral einer verhungernden Kanalratte. Seine Hauptaufgabe bestand darin, die Biographie der Familie im bestmöglichen Licht erscheinen zu lassen und dafür zu sorgen, daß seine Berichte an den richtigen Stellen erschienen. Journale, Holoschauen, Klatschkolumnen. Er war der richtige Mann für Öffentlichkeitsarbeit, ein meisterhafter Rhetoriker, Experte für Schadensbegrenzung und ein erstklassiger Lügner. Das mußte er auch sein. Es war nicht leicht, Gregor Shreck gut aussehen zu lassen. Der Rest der Familie hatte wenigstens vereinzelte gute Augenblicke, trotz der kleinen schwarzen Herzen, aber Toby kam damit zurecht. Solange sie nicht aus der Reihe tanzten und taten, was Toby von ihnen verlangte – eine vorbereitete Rede hier und ein öffentlicher Auftritt dort und ein Lächeln und Winken für die Kameras –, ließ er seine Angehörigen in der Zwischenzeit einfach aus seinen Berichten heraus. Schließlich gab es nur eine Sache, die noch schlechter war, als wenn jeder über einen redete: daß nämlich überhaupt niemand über einen redete. Wenn dein Gesicht nicht in allen Klatschspalten und den Holosendungen auftaucht, dann bist du ein Niemand.