Der Kapitän der Unerschrocken faßte sich kurz, ohne wesentliche Punkte auszulassen. Als er beschrieb, was er in der zerstörten Basis von Gehenna vorgefunden hatte, erhob sich ein unruhiges Stimmengemurmel unter den Anwesenden.
Schwejksam berichtete weiter, wie er die Spur des fremden Schiffes mit der Unerschrocken bis nach Golgatha verfolgt hatte, und als er auf Bauweise und Bewaffnung des fremden Schiffs und die Lebensformen an Bord zu sprechen kam, wuchs das Gemurmel zu einem lauten Durcheinander von Stimmen an. An dieser Stelle beendete Schwejksam seinen Bericht, und Frost fuhr fort. Sie war die Expertin für fremde Lebensformen. Sie berichtete kalt, nüchtern, beinahe klinisch, und als sie schließlich endete, erschauerte selbst Schwejksam wie jeder andere auch, und das ganz sicher nicht wegen der verfluchten Kälte. Danach wurde es sehr still. Die Herrscherin nickte langsam und ließ den Blick erneut über ihre versammelten Untertanen schweifen.
»Vielleicht versteht man jetzt Unsere Position bezüglich der Notwendigkeit erhöhter Militärausgaben. Wenn bereits ein einziges Schiff der Fremden so viel Schaden anrichten kann, zu was wäre dann erst eine ganze Flotte imstande? Wir haben Gerüchte vernommen über eine geplante Revolte wegen Unserer letzten Steuererhöhungen. Wir wollen an dieser Stelle klar und deutlich verkünden, daß Wir jeden derartigen Versuch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln niederschlagen werden.
Unter den gegenwärtigen Umständen kann die Weigerung, Unser Militär zu unterstützen, nur als Verrat an der gesamten Menschheit betrachtet werden.« General Beckett lächelte. Kardinal Kassar verzog keine Miene. Die Imperatorin blickte Stelmach an. »Hat Er zu diesem Zeitpunkt etwas hinzuzufügen?«
Stelmach schluckte mühsam, schüttelte rasch den Kopf und brachte schließlich ein sehr leises »Nicht zu diesem Zeitpunkt, Euer Majestät, nein« heraus.
»Sehr schön«, sagte die Imperatorin. »Wachen! Bringt den Gefangenen herbei!«
In der Mitte der versammelten Menge entstand rasch ein schmaler Gang, durch den zwei bewaffnete Wachen einen nackten Mann halb durch den tiefen Schnee zerrten, halb stießen. Er trug nichts am Leib außer Ketten an Händen und Füßen, und auf seiner Brust klebten ein paar verkrustete Blutflecken von seiner kürzlich gebrochenen Nase. Seine Haut war blau-weiß, und er zitterte unkontrolliert in der beißenden Kälte.
Die Wachen stießen den Mann vor dem Thron auf die Knie.
Der Gefangene sah flehend zu Löwenstein hoch und versuchte, etwas zu sagen, doch das Zittern war so stark, daß er kein Wort herausbrachte.
Löwenstein blickte ihn nachdenklich an. »Dieses erbärmliche Objekt ist Frederic Hügel. Leiter der Sicherheitsbehörden des Raumhafens von Golgatha. Wir hielten ihn für vielversprechend. Doch er ließ die Rebellen ein, erlaubte ihnen, Unsere Steuerbehörde zu sabotieren, und versagte schließlich darin, sie an der Ausschaltung Unserer planetaren Verteidigung zu hindern, als sie flohen. Er versäumte außerdem, Uns vor dem feindlichen Schiff zu schützen. Wir könnten ihn deswegen verhören, doch wozu soll das gut sein? Er würde zu allem nur nicken und lächeln und jedem Wort zustimmen, das Wir zu sagen haben, und anschließend würde er versuchen, seinem Stab die Schuld in die Schuhe zu schieben. Oder heimlichen Verrätern oder der fehlenden Ausrüstung. Alles, nur nicht sich selbst.
Schließlich kamen die Rebellen in einem Schiff der Hadenmänner, würde er sagen. Wahrscheinlich hat die Hälfte seiner Leute einen kurzen Blick auf das große goldene Schiff aus den alten Legenden geworfen, bevor sie alle um ihr Leben gelaufen sind. Und die andere Hälfte folgte ihnen, als das Schiff der Fremden über Unsere nicht existenten Verteidigungsanlagen fegte und die Stadt beschoß.
Nein, es macht überhaupt keinen Unterschied. Er war verantwortlich für die Sicherheitsbehörden des Raumhafens, und er war verantwortlich für unsere Verteidigung. Ein starker Mann in dieser Position hätte viel verhindern können. Er hätte genug von seinen Leuten zusammengezogen, um die Ausrüstung zu reparieren, Notsysteme hochzufahren, Rettungsmannschaften zusammenzustellen, um die Verwundeten in der Stadt zu bergen und zu versorgen. Statt dessen, so zeigen Uns seine eigenen Aufzeichnungen, schwankte dieser Mann hier unsicher und zögerte, und als das fremde Schiff auftauchte, versteckte er sich sogar und kam erst wieder zum Vorschein, als alles vorüber war. Ein inakzeptables Verhalten von einem Unserer höchsten Offiziere. Wir haben aus diesem Grunde beschlossen, daß ein Exempel statuiert werden soll.«
Die Imperatorin blickte zu der Bestie von Grendel, und alle Augen folgten ihrem Blick. Das Wesen stand ruhig und entspannt hinter dem Thron, ein lebender Alptraum in einem stachligen Panzer aus Silizium. Das Joch um seinen Nacken gab plötzlich ein leise summendes Geräusch von sich, und das Wesen schoß schneller vor, als das menschliche Auge zu reagieren imstande war. In der einen Sekunde hatte es noch reglos hinter dem Thron gestanden, und in der nächsten ragte es bereits hoch über dem sich windenden Chef der Sicherheitsbehörden auf, die gewaltigen krallenbewehrten Pranken auf seinen Schultern. Die am nächsten stehenden Höflinge wichen zurück, soweit es die dahinter stehende Menge zuließ, doch der Schläfer beachtete sie gar nicht. Seine Klauen versanken tief im Fleisch seines Opfers, und dicke Bäche von Blut strömten über den nackten Leib. Der Gefangene öffnete den Mund und wollte schreien, doch der Schläfer riß das Maul auf und biß dem Mann das Gesicht aus dem Kopf. Haut, Augen, Nase und Mund verschwanden, als die Bestie zuschnappte, und nur ein zerschmetterter blutiger Schädel blieb zurück, aus dem entsetzliche Schreie mit der Stimme des Sicherheitschefs erklangen.
Der Schläfer kaute und schluckte, dann beugte er sich erneut vor und stieß seine grinsenden Kiefer mit brutaler Gewalt in die Brust des Mannes. Das Brustbein gab nach, zerbrach wie Papier, und der Kopf der Kreatur versank im Leib ihres Opfers auf der Suche nach dem Herzen wie ein Schwein auf der Trüffeljagd. Die Arme des Opfers wedelten für einige Augenblicke haltlos in der Luft, dann fielen sie schlaff herab und bewegten sich nicht mehr. Und Frederic Hügel, ehemaliger Chef der Raumhafensicherheit von Golgatha, hing leblos in den Fängen des Schläfers, der genüßlich auf den Überresten herumkaute und den Geschmack ganz offensichtlich genoß. Das Joch um seinen Nacken summte erneut. Der Schläfer ließ den Leichnam achtlos in den blutbesudelten Schnee fallen und bewegte sich ohne Eile zurück hinter den Thron, wo er seine alte Position wieder einnahm. Dampfend heißes Blut tropfte aus seinen grinsenden Mundwinkeln und rann langsam über den purpurnen Siliziumpanzer herab. Im Schnee vor dem Thron lag der zusammengesunkene Leichnam Hügels, wie ein zerbrochenes Spielzeug, mit dem niemand mehr spielen wollte.
Schwejksam trat dicht neben Frost. Er konnte die Wut in ihr spüren, die sich schon beim geringsten Anlaß entladen würde.