Einer der Wachsoldaten, der den verstorbenen Leiter der Raumhafensicherheit hereingeschleppt hatte, trat auf Drams Wink hin vor und bot Schott sein Schwert. Der Abgeordnete nahm es entgegen, obwohl er damit sein eigenes Todesurteil unterschrieb. Er besaß keine Erfahrung im Duellieren. Schott hatte seit seinen Studententagen kein Schwert mehr im Zorn in der Hand gehalten. Und Dram war der Oberste Krieger. Immer vorausgesetzt, daß es wirklich Dram war.
Schott hob das Schwert, um ein Gefühl für die Waffe zu bekommen. Es war eine gute Klinge, hervorragend ausbalanciert.
Er begann zu weinen. Es war kein richtiger Zusammenbruch oder sonst etwas Dramatisches; er wollte verdammt sein, wenn er ihnen diese Genugtuung gönnen würde. Es waren nur ein paar Tränen, mehr nicht, die über seine Wangen rannen. Schott wußte, daß er sterben würde. Das hier war eine Exekution, kein Duell. Er konnte sich nicht daran erinnern, ob er seiner Frau noch gesagt hatte, daß er sie liebte, als er an diesem Morgen aus dem Haus gegangen war. Er hoffte, daß er es nicht vergessen hatte. Und er hatte diesen besonderen Marmor für den Vorhof bestellt. Seine geliebte Ehefrau würde nicht die leiseste Ahnung haben, was sie damit anfangen sollte. So viele Dinge würden unerledigt bleiben. Er schüttelte den Kopf. Nichts, das jetzt noch eine Rolle spielte. Es war zu spät für etwas anderes als Dram und ihre beiden Schwerter. Der Abgeordnete Schott blickte dem Hohen Lord fest in die Augen, und obwohl noch immer Tränen über seine Wangen liefen, klang seine Stimme hart, fest und entschlossen.
»Laßt uns anfangen.«
Dram trat einen Schritt vor, hob das Schwert, und Schott machte sich bereit, ihm zu begegnen. Sie umkreisten einander für einige Sekunden…, und dann startete Dram einen mörderischen Angriff, in den er all seine Kraft legte. Schott parierte, so gut er konnte, doch nach nur einem Dutzend Hieben wurde ihm das Schwert aus der Hand geprellt. Er blickte der Waffe hinterher, als sie durch die Luft segelte und einige Meter weiter in den Schnee fiel. Schott sah wieder zu Dram, den Kopf trotzig erhoben, und gab sich Mühe, das Beben seiner Lippen zu verbergen. Es gab keinen Ort, wohin er flüchten konnte, und vielleicht würde ihm ein mutiger Auftritt eine Begnadigung durch die Herrscherin verschaffen. Doch Dram blickte gar nicht erst zu Löwenstein zurück. Er hob die Klinge und stieß sie tief in Schotts rechte Schulter wie ein Förster, der mit seiner Axt einen störrischen Baum bearbeitet.
Die Wucht des Schlages warf Schott auf die Knie, und ein überraschtes Stöhnen drang aus seinem erschlaffenden Mund.
Dram riß die Klinge zurück. Blut sprudelte aus der großen Wunde und bespritzte Schotts Gesicht und den Schnee ringsum. Dram schlug wieder und wieder zu. Er vermied es sorgfältig, sein Opfer tödlich zu treffen. Sein Schwert arbeitete unermüdlich, mit eiskalter Präzision. Schott versuchte, ein paar der Hiebe mit bloßen Armen abzuwehren. Das Schwert fetzte Haut und Muskeln weg, als die Klinge von den Knochen abprallte.
Dann trennte einer der Hiebe Schotts linke Hand ab. Der Abgeordnete brach im Schnee zusammen und hielt den blutigen Stumpf an seine Brust gepreßt. Er schrie ununterbrochen vor Schmerz, doch er machte keine Bewegung mehr, um den unablässigen neuen Treffern zu entgehen. Schließlich zuckte er ein letztes Mal und lag still. Es war für jedermann offensichtlich, daß der Mann tot war. Trotzdem fuhr Dram fort, auf den Leichnam einzuschlagen wie ein Holzfäller bei der Arbeit, und der Körper Schotts zuckte und schüttelte sich unter dem Hagel von Hieben, die auf ihn einprasselten.
Die Höflinge beobachteten die Szenerie in entsetztem Schweigen. Löwenstein beugte sich auf ihrem Thron vor, um eine bessere Sicht zu haben. Ihre Lippen zierte ein breites Grinsen. Die Dienerinnen bewegten sich unruhig zu ihren Füßen, aufgepeitscht wegen des schweren Blutgeruchs in der Luft, und beobachteten mit kalten Insektenaugen, wie der leblose Körper zuckte und sich schüttelte. Schwejksam verzog keine Miene und überlegte, ob er sich an Schotts Stelle einfach im Schnee zusammengekrümmt und alles ertragen hätte. Bewaffnet oder nicht, er hätte sein Bestes gegeben, um selbst im Sterben noch die Hände um Drams Kehle zu klammern. Frost hatte die Lippen geschürzt. Sie mißbilligte eine derartige Schweinerei zutiefst. Stelmachs Gesicht war weiß wie der Schnee, doch er wandte die Augen nicht einen Augenblick lang ab. Er wußte, wie gefährlich es sein konnte, an Löwensteins Hof Schwäche zu zeigen.
Schließlich hielt Dram inne. Er richtete sich auf und stand über seinem Opfer, das Schwert der Länge nach mit Blut besudelt. Der Hohe Lord atmete ein wenig schneller, doch sein Gesicht wirkte ruhig. Er zog die Klinge ein paarmal durch den Schnee, um sie zu reinigen, bevor er sie in die Scheide zurücksteckte. Dann blickte er die Höflinge an und lächelte knapp.
»Ich schätze, im Bezirk Grausee Ost ist eine Neuwahl erforderlich.«
Dram kletterte auf das Podest zurück und nahm wieder seinen Platz neben dem Thron Löwensteins ein. Kassar wich bereitwillig zur Seite. Die Herrscherin winkte ein paar Wachen herbei, damit sie den Leichnam wegschafften, genau wie zuvor den des verstorbenen Sicherheitschefs. Die Soldaten wickelten den verstümmelten Körper in ein Tuch, achteten sorgfältig darauf, daß keine Gliedmaßen liegenblieben, und trugen ihn davon. Die Höflinge beobachteten die Szene aufmerksam und schweigend, und jeder dachte sich insgeheim seinen Teil. Darüber würde man später noch diskutieren. Jeder von ihnen erkannte eine Lektion, wenn sie erteilt wurde. Und jeder von ihnen kannte auch den besonderen Stil des Hohen Lords Dram, und dieser Mord war typisch für den Mann gewesen, den man auch den Witwenmacher nannte. Löwenstein streckte die Hand aus und streichelte ihrem Prinzgemahl den Kopf, wie man ein Haustier streichelt, bevor sie ihren Blick wieder auf Schwejksam, Frost und Stelmach richtete. Schwejksam und Stelmach gaben sich Mühe, noch strammer zu stehen.
»Wir haben neue Aufgaben für Euch drei«, sagte Löwenstein leise. »Wir waren sehr aufgebracht, als Wir von Seinem Versagen auf der Wolflingswelt hörten, doch indem Er Uns vor dem fremden Schiff gerettet habt, hat Er seinen Kopf noch einmal aus der Schlinge gezogen. Wir müssen Ihn loben, Kapitän Schwejksam. Er scheint eine Gabe zu besitzen, seine Fehler im letzten Augenblick wiedergutzumachen. Achte Er darauf, daß Ihn dieses hervorragende Zeitgefühl nicht irgendwann einmal im Stich läßt. Nun denn; Er und Seine Begleiter werden an Bord der Unerschrocken zurückkehren. Er wird eine Reise zu allen Welten unseres Imperiums unternehmen, auf denen hauptsächlich fremde Rassen leben, und Er wird sicherstellen, daß Unsere Untertanen in diesen verlockenden Zeiten loyal zum Eisernen Thron stehen. Sollte Er auf Ablehnung treffen, ist Er durch Uns persönlich ermächtigt, alle Ihm nötig erscheinenden Schritte einzuleiten, um die Ordnung wiederherzustellen. Unter keinen Umständen ist es auch nur einer einzigen Welt erlaubt, mit fremden Mächten von außerhalb des Imperiums in Kontakt zu treten. Sollte dieser Kontakt bereits geknüpft worden sein, so ist die Welt zu sengen. Das ist alles. Er darf sich jetzt bedanken.«
»Ich danke Euer Majestät im Namen von uns allen«, sagte Schwejksam. Er dachte, es wäre besser, wenn er für sich und seine beiden Begleiter sprach. Stelmach befand sich noch immer in einem Schockzustand, und Frost hatte in ihrem ganzen Leben noch nie danke gesagt. Investigatoren bedankten sich nicht. »Ich nehme an, wir werden augenblicklich zu dieser Reise aufbrechen, Euer Majestät?«
»Oh, ganz so eilig ist es auch wieder nicht«, erwiderte Löwenstein. »Wenn Er mag, kann Er bis zum Ende dieser Audienz bleiben. Es mag sein, daß einige Zeit ins Land geht, bevor Er Uns wiedersieht.«
Wenn wir Glück haben, dachte Schwejksam und verbeugte sich. Ihre freundlichen Worte konnten ihn nicht täuschen. Nur ein Dummkopf ließ sich durch Löwensteins freundliche Worte täuschen. Die Eiserne Hexe hatte Schwejksam die schmutzigste und unerfreulichste Aufgabe übertragen, die sie sich hatte ausdenken können. Es war zwar eine notwendige Aufgabe, doch ganz eindeutig auch eine Bestrafung. Zu wichtig, um sie jemand Inkompetentem oder jemand mit einem schwachen Magen zu übertragen, aber zu zeitaufwendig für jemanden, den Löwenstein wirklich brauchte. Und hinterher, wenn sich herausstellte, daß sein Vorgehen politisch unangemessen gewesen war, konnte man ihn jederzeit den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Trotzdem. Es hätte schlimmer kommen können. Schwejksam lebte, und er besaß noch alle seine Gliedmaßen. Man hatte ihm ein Zeichen gegeben, daß man seinen Fehler verziehen, wenn auch nicht vergessen hatte – und eine letzte Chance zu beweisen, daß er noch immer nützlich war.