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»Bald«, antwortete Owen. »Wartet nicht auf mich.«

Die beiden Esper-Klone nickten gleichzeitig mit der gleichen Geste, und ihre Gesichter wurden mit einemmal ausdruckslos und leer, als sie über die Komm-Implantate Verbindung mit der Fluchtburg aufnahmen. Dann verschwanden sie von einem Augenblick auf den anderen, und die Luft schlug klatschend in das Vakuum, das die Stevies hinterlassen hatten. Owen blinzelte respektvoll. Teleportation wie diese hier benötigte unglaubliche Mengen an Energie, was ein Grund war, warum sie im Imperium nicht mehr verwendet wurde. Esper waren viel billiger und leichter zu kontrollieren. Außerdem hatte es keinen Sinn, eine derart nützliche Technik in die Hände der Allgemeinheit fallen zu lassen. Der Adel mußte schließlich seine Privilegien bewahren, nicht wahr? Owen zog ein verdrießliches Gesicht. Die Fluchtburg hatte in der letzten Zeit eine Menge Energie verbraucht, und selbst ihre gewaltigen Ressourcen waren nicht bodenlos. Aber das war nicht Owens Problem. Sein Problem lief noch immer irgendwo in der Stadt der Hadenmänner herum und ließ sich verdammt viel Zeit für den Rückweg. Er ließ den Blick über die glänzende Stadt schweifen, sah zum hundertsten Mal auf das Chrono und fluchte leise vor sich hin. Owen konnte nicht mehr länger warten. Er mußte gehen und Hazel suchen.

Natürlich bestand die Möglichkeit, daß Hazel etwas zugestoßen war, aber das erschien Owen als recht unwahrscheinlich.

Er würde es gewußt haben. Wer den Weg durch die rätselhafte Struktur geschafft hatte, die unter dem Namen Labyrinth des Wahnsinns bekannt war, war verändert wieder aus ihr hervorgekommen. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch.

Owen stand auf eine tiefe, fundamentale Weise mit den anderen in Verbindung, einer Verbindung, die durch nichts gestört werden konnte, auch nicht durch die allergrößte Entfernung. Er konzentrierte sich, und da waren die anderen, irgendwo in seinem Unterbewußtsein, und erwiderten seinen mentalen Blick.

Jakob Ohnesorg, Ruby Reise und Owens Vorfahr Giles befanden sich in der Fluchtburg in Orbit. Hazel befand sich nicht weit entfernt von Owens Standort in der Stadt. Er konzentrierte sich auf sie und machte ihren genauen Aufenthaltsort aus. Sie war wirklich ganz in der Nähe. Ein bequemer Fußmarsch.

Owen mußte nur in die fremdartigste und beunruhigendste Stadt hineinlaufen, die er jemals gesehen hatte, um Hazel zu finden. Verdammt, dachte er leidenschaftslos. Owen atmete tief durch, überprüfte seine Waffen und machte sich auf den Weg.

Die fremdartigen Bauwerke und Strukturen ragten unheilvoll und drohend rings um Owen in die Höhe. Bald schon schlossen sie ihn von allen Seiten ein. Die Gebäude schimmerten von innen heraus in einem unerschütterlichen silbernen Glühen, das geheimnisvoll und entnervend zugleich war. Irgend etwas an den Gebäuden störte Owen. Schließlich entdeckte er den Grund dafür. Es gab keine Schatten. Das Licht schien aus allen Richtungen zugleich zu kommen, und nirgendwo fand Owen auch nur die Spur eines Schattens. Nur Licht, überall dieses unnachgiebige, harte Licht, das sich auf der Haut kalt anfühlte wie die Berührung eines vorüberschwebenden Geistes. Die feindselige Grellheit verursachte bald einen Kopfschmerz, der direkt hinter den Augen zu sitzen schien. Vielleicht lag es auch an den Formen der fremdartigen Strukturen. Die Dimensionen schienen verkehrt zu sein. Schief und beunruhigend auf einer sehr fundamentalen Ebene, wie ein Dreieck, dessen drei Winkel zusammen mehr als einhundertachtzig Grad ergaben. Ein weiterer Beweis, daß die Hadenmänner nicht länger menschlich waren.

Ein Mensch wäre verrückt geworden, hätte er längere Zeit in dieser Stadt leben müssen. Was, zur Hölle, konnte so bedeutsam sein, daß es Hazel immer und immer wieder in diese widernatürliche Stadt trieb und sie dort festhielt, wenn jeder einzelne menschliche Instinkt ihr zuschreien mußte, augenblicklich zu verschwinden?

Es wurde immer kälter, je weiter Owen in die Stadt vordrang.

Die Luft schien dünner zu werden, als würde Owen einen hohen Berg ersteigen und sich stetig dem Gipfel nähern. Die Luft stank nach Ozon und anderen giftigen Chemikalien, die er nicht erkannte, und ein konstantes, tiefes Klopfgeräusch erfüllte die Luft, so leise, daß Owen es mindestens genausosehr in den Knochen spürte wie mit den Ohren hörte, ein Pulsieren wie der Schlag eines riesenhaften Herzens. Wohin Owen auch blickte, überall sah er Hadenmänner, die an unbekannten Maschinen arbeiteten oder zielstrebig über die weiten Straßen stapften. Einige standen reglos in der Gegend und schienen ins Nichts zu blicken, während sie auf neue Befehle warteten. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Sie waren untereinander auf einer Ebene miteinander verbunden, die weit über normale Sprache hinausging. Niemand drehte den Kopf und blickte zu Owen, während er an den Hadenmännern vorbeimarschierte, aber er wußte, daß man ihn beobachtete. Solange er nichts berührte oder sie bei ihrer Arbeit störte, würde man ihn nicht behelligen. Die meiste Zeit über verhielten sie sich äußerst respektvoll gegenüber dem Mann, der sie aus ihrem Schlaf erweckt hatte. Erlöser nannten sie ihn, und sie verneigten sich vor Owen – doch er war nicht so dumm zu versuchen, daraus einen Vorteil zu ziehen. Ihr Verhalten sollte ihn wahrscheinlich nur verunsichern. Owen war im Gegensatz zu den Hadenmännern ein Mensch, und wenn er ihnen in die Quere kam oder etwas sah, das er nicht sehen sollte, würden sie ihn ganz ohne Zweifel mit der gleichen Lässigkeit umbringen, wie ein Mann eine Schmeißfliege erschlug. Also spazierte er lässig die Hauptstraße hinunter und blickte stur geradeaus, die Nackenhaare unter dem Blick zahlloser beobachtender Augen steil aufgerichtet und die Hand ständig in der Nähe des Disruptors an seinem Gürtel. Hazel hatte besser einen verdammt guten Grund, um sich hier aufzuhalten…

Owen fand Hazel in einer Nebenstraße. Sie hatte sich nicht gerade versteckt, aber sie war auch nicht von weitem zu sehen.

Hazel unterhielt sich mit einem Hadenmann. Sie blickte nicht auf, als Owen sich näherte. Der aufgerüstete Mann reichte ihr eine kleine Metallflasche, die Hazel augenblicklich in einer Tasche verschwinden ließ. Dann erst sah sie mit verdrießlichem Gesicht zu Owen. Der Hadenmann entfernte sich in die entgegengesetzte Richtung, ohne Owen auch nur eines Blickes zu würdigen.

»Was, zur Hölle, hast du hier zu suchen, Aristo?« fragte Hazel mit der kältesten Stimme, die Owen je von ihr gehört hatte.

»Die gleiche Frage könnte ich Euch stellen«, erwiderte Owen leichthin. »Wir sollten einem Konzil in der Fluchtburg beiwohnen, oder habt Ihr das vergessen? Es würde gar nicht gut aussehen, wenn wir nicht erschienen; immerhin sind wir beide die Ehrengäste.«

Hazel zuckte die Schultern. »Geh nur. Mich brauchen sie nicht. Pläneschmieden gehört nicht gerade zu meinen Stärken.«

»Das ist mir nicht verborgen geblieben. Aber man hat ausdrücklich uns beide eingeladen. Wahrscheinlich wegen unserer Popularität, damit potentielle Gönner und Mäzene unsere Gesichter sehen. Worüber habt Ihr Euch mit dem Hadenmann unterhalten?«

»Hast du ihn nicht erkannt? Das war Mond.«

Owen blickte dem Hadenmann rasch hinterher, doch er war bereits verschwunden. Er sah wieder zu Hazel. »Nein. Ich habe ihn nicht erkannt. Wie habt Ihr ihn gefunden? Er sieht inzwischen genauso aus wie alle anderen.«

»Mond hat mich gefunden.«

»Hat… hat er sich an Euch erinnert?«

»Nicht wirklich. Er erkannte mich. Du und ich sind Teil aller Hadenmann-Programme. Aber Tobias Mond existiert nicht mehr. Nichts ist mehr übrig von dem Mann, den wir einst kannten.« Hazel zuckte die Schultern. »Nicht so schlimm. Wir standen uns nie besonders nahe.«

Owen nickte zustimmend und schwieg. Er würde Hazel nur in Verlegenheit bringen, wenn er nachhakte und sie dazu brachte zuzugeben, daß sie sich immerhin genug aus Mond machte, um in einer Stadt nach ihm zu suchen, die die meisten Menschen nicht ohne eine Armee im Rücken betreten hatten.