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Hazel sah sich gerne als über derartige menschliche Schwächen erhaben. »Was war das für eine Flasche, die er Euch gegeben hat?« erkundigte Owen sich, um das Thema zu wechseln.

»Hör auf, mich mit deinen Fragen zu löchern, Aristo. Meine Sache. Es geht dich nichts an. Und jetzt laß uns gehen. Wir haben eine Verabredung, oder hast du das vergessen?«

Frauen, dachte Owen, doch er besaß genug Geistesgegenwart, es nicht laut auszusprechen. All das wegen ein bißchen Gefühl. Der Himmel mochte verhüten, daß irgend jemand in Hazel nicht die starke, unnahbare Piratin mit einem Herzen aus Stein sah. Owen bedeutete ihr mit einem Wink vorauszugehen, und sie machten sich auf den Weg. Keiner der Hadenmänner, an denen sie vorbeikamen, blickte auch nur für einen Augenblick von seiner Arbeit auf.

»Sie werden sich ziemlich anstrengen müssen, wenn sie hier Touristen haben wollen«, sagte Hazel. »Keine Bars, keine romantischen Aussichten, und die Luft stinkt zum Himmel.«

»Richtig«, stimmte Owen zu. »Vielleicht sollten sie einen Streichelzoo anlegen.«

»Ob das etwas nützt?« zweifelte Hazel. »Wahrscheinlich würden sie Menschen in die Käfige setzen.« Sie hielt inne und blickte über die Schulter zu Owen. »Findest du es nicht seltsam, daß sie alle so nett und vernünftig sind? Ich meine, diese Leute, wenn der Begriff erlaubt ist, waren schließlich einmal die offiziellen Feinde der Menschheit. Wenn ein Mensch einen Hadenmann sah, dann war es meist das letzte, was er in seinem Leben überhaupt gesehen hat. Warum helfen sie uns jetzt bei unserer Rebellion? Wo liegt ihr Gewinn bei dieser Sache?«

»Tote Menschen, schätze ich. Die alte Sache von wegen Teilen und Herrschen. Sie wollen sehen, wie das Imperium fällt, und gleichzeitig ihre Fähigkeiten als Kämpfer verbessern. Wir müssen immer auf der Hut sein und sicherstellen, daß sie nicht wieder zu mächtig werden. Aber wir schaffen es nicht ohne sie, Hazel. Sie sind alles, was wir den Armeen des Imperiums entgegen werfen können.«

»Und was, wenn sie nur so lange mit uns kämpfen, bis sie all unsere Schwachstellen entdeckt haben, und uns erledigen, sobald wir das Imperium besiegt haben?«

»Dann werden Ihr und ich ins Spiel kommen und den Tag retten müssen«, sagte Owen gelassen. »Das ist unsere Aufgäbe, oder habt Ihr das vergessen? Wie sind schließlich die Helden hier.«

»Ja«, erwiderte Hazel gedehnt. »Helden.«

Owen und Hazel teleportierten in die Große Halle der Fluchtburg hinauf und stellten fest, daß alle anderen bereits versammelt waren. Die Halle war riesig, größer noch als die Halle in der Todtsteltzer-Burg daheim auf Virimonde, aber sie war trotzdem bis zum Bersten gefüllt mit den Holos von Menschen, die sich freundlich miteinander unterhielten. Jede Gruppe, die an der Rebellion interessiert war, hatte einen holographischen Repräsentanten entsandt, um sicherzustellen, daß man nichts Wichtiges versäumte. Owen und Hazel standen unbeachtet am Rand des Geschehens, wofür zumindest Owen dankbar war. Er wollte zuerst eine Vorstellung von der Bärenfalle gewinnen, in die er trat, bevor er den Mund öffnete. Owen blickte sich unauffällig um, doch in dem Meer von Gesichtern erblickte er niemanden, den er kannte. Einige schienen allein von der schieren Größe der Halle beeindruckt, obwohl sie sich Mühe gaben, das nicht zu zeigen. Owen mußte grinsen. Sie sollten dankbar sein, daß sie hier in der Halle waren. Die Hadenmänner hatten vorgeschlagen, die Versammlung in der Stadt abzuhalten, doch die Menschen hatten das rasch abgelehnt, weil die Stadt einfach zu beunruhigend war. Ganz besonders Giles hatte Bedenken geäußert. Er war davon überzeugt, daß die Hadenmänner nicht einfach nur ihre Stadt restaurierten, sondern daß eine ganze Menge mehr dahintersteckte, wovon die Menschen keine Ahnung hatten. Jedenfalls waren alle darin übereingekommen, es sei am besten, einen sicheren Abstand zwischen den aufgerüsteten Männern und möglichen Verbündeten aus dem Imperium zu wahren. Die Hadenmänner hatten darauf bestanden, ebenfalls einen Vertreter zu entsenden, in Person.

Der aufgerüstete Mann stand recht isoliert in der Halle. Die Menschen hielten sich, soweit es ging, von ihm entfernt, doch es schien ihn nicht weiter zu stören. Er hielt ein Glas Wein in der Hand, ohne davon zu trinken, und lächelte jedermann freundlich zu, der seinen Weg kreuzte. Es war kein besonders erfolgreiches Lächeln, aber für einen Hadenmann gar nicht schlecht. Vielleicht hatte er vor einem Spiegel geübt.

Hunderte von Holos aus jeder Ecke des Imperiums hatten sich versammelt, und dank der Kyberratten von Golgatha trafen die Signale über eine verwirrende Vielzahl von Relaisstationen hier ein. Jeder, der einen Versuch unternehmen würde, die Versammlung abzuhören, würde sich allein bei der Verfolgung des Signalweges von Station zu Station hoffnungslos verlieren, ohne je etwas Nützliches auffangen zu können. Viele der Anwesenden waren von Jakob Ohnesorgs Namen angezogen worden. Der berühmte Berufsrebell besaß noch immer eine beträchtliche Anziehungskraft, obwohl seine Niederlagen weitaus zahlreicher waren als seine Siege. Jakob hielt in der Mitte des Saales hof, mit einem breiten Grinsen und einem freundlichen Wort für jedermann. Ruby Reise stand dicht neben ihm, bereit, jeden anzugiften, der zu nahe an Jakob herantrat.

Es darf nicht verschwiegen werden, daß eine ganze Reihe von Leuten schockiert war, Jakob in seinem gegenwärtigen Zustand zu sehen. Die Jahre und all die bitteren Niederlagen hatten ihre Spuren hinterlassen, aber es waren besonders die Hände und Apparate der Imperialen Hirntechs, die ganze Arbeit geleistet hatten. Die Legende von Jakob Ohnesorg hatte sich durch das gesamte Reich verbreitet, hauptsächlich durch Propaganda-Holos, die er in seinen früheren, erfolgreicheren Tagen in Umlauf gesetzt hatte. Aber das war damals, und heute war heute, und Jakob sah überhaupt nicht mehr wie ein strahlender Held aus.

Er war ein kleiner schmächtiger Mann Ende Vierzig, doch er wirkte zwanzig Jahre älter. Sein schmales, gefurchtes Gesicht wurde von zerzaustem Haar eingerahmt, das aussah, als hätte er es selbst geschnitten. Einst war er ein muskulöser Mann gewesen, aber jetzt konnte man ihn bestenfalls noch als drahtig bezeichnen. Auf seinen Handrücken zeichneten sich Altersflecken ab, und die Hände zitterten ununterbrochen.

Jakob Ohnesorg sah nicht mehr aus wie ein berühmter Rebell und Kämpfer. Eher wie ein alter Mann, der um diese Zeit längst ins Bett gehört.

Ruby Reise andererseits sah aus wie der Tod auf zwei Beinen mit einem dazu passenden Blick. Sie war die beste Kopfgeldjägerin auf Nebelwelt gewesen, was einiges zu bedeuten hatte, und die meisten Leute gingen ihr noch mehr aus dem Weg als dem Hadenmann. Als Holos waren die Versammelten natürlich vor ihr sicher, aber irgendwie mußten sie nur einen Blick auf Ruby werfen und hatten plötzlich tausend verschiedene Ausreden, warum sie nicht in Rubys Nähe sein konnten. Die Kopfgeldjägerin war mittelgroß und geschmeidig, und sie trug glänzend schwarze Lederkleidung unter verschmutzten weißen Fellen. An den Hüften hingen Schwert und Pistole, und niemand bezweifelte auch nur für eine Sekunde, daß Ruby wußte, wie man damit umging. Ihr Gesicht war schmal und spitz, ihr Blick fest und ihr Lächeln wild. Sie war dunkelhaarig und nicht gerade schön, doch auf gefährliche Weise attraktiv. Jakob Ohnesorg gewann bei den Anwesenden allein schon dadurch eine Menge zusätzlichen Respekt, daß er sich so ungezwungen in Rubys Nähe aufhielt.

Owen und Hazel bewegten sich ohne Eile durch die Menge, nickten nach hier und verbeugten sich nach dort und begrüßten jedermann, während sie sich darum bemühten, Zuversicht auszustrahlen. Sie bemühten sich außerdem, niemanden anzurempeln, obwohl es sehr voll war. Owen hatte mehr Erfahrung in Diplomatie und im Lügen mit unbewegtem Gesicht, und so hinterließ er einen besseren Eindruck als Hazel, doch er mußte ihr zugestehen, daß sie sich zumindest Mühe gab. Hazel war selbst zu ihren besten Zeiten nicht besonders gesellig gewesen, und in letzter Zeit hatte sie sich noch weiter zurückgezogen.