Выбрать главу

»Ich hab es noch mal versucht. Alle haben geschwiegen - bis auf Sir Lukfi Penz, der sich sofort gemeldet hat«, verkündete Lonely-Lokley unerwartet. Er klang so ruhig, als würden wir uns übers Mittagessen unterhalten. »Im Haus an der Brücke ist alles in Ordnung. Das Problem liegt also bei uns. Du kannst dich jetzt mit Lukfi unterhalten. Ich glaube, Sir Juffin sitzt neben ihm.«

»Dieses Spiel nennt man Stille Post«, sagte ich und lachte erleichtert.

»Welches Spiel? Was redest du denn da?«

»Vergiss es und setz dich ans Steuer, mein Freund.«

Erneut tauschten wir die Plätze. Innerlich zitternd meldete ich mich bei Lukfi Penz, doch diesmal klappte alles bestens.

»Guten Tag, Lukfi. Ist Sir Juffin in der Nähe?«

»Guten Tag, Sir Max. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, von Ihnen zu hören. Sir Schürf hat mir gesagt, Sie beide können niemanden außer mir per Stummer Rede erreichen. Finden Sie das nicht etwas seltsam?«

»Natürlich«, meinte ich und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Tut mir leid, dass wir Ihnen so viele Probleme bereiten. Lukfi, übermitteln Sie Sir Juffin bitte wortgetreu, was ich Ihnen jetzt sage, und geben Sie mir seine Antwort möglichst genau wieder. Schaffen Sie das?«

»Natürlich, Sir Max. Und machen Sie sich keine Sorgen - Sie bereiten mir keine Probleme. Das ist für mich schmeichelhaft und ... interessant. Die Beteiligung am Gespräch zwischen Ihnen und Sir Juffin, meine ich.«

»Das freut mich, Sir Lukfi«, sagte ich und berichtete die wenigen, aber überaus seltsamen Ereignisse des Tages.

»Sir Juffin bittet Sie, Ihren Weg genau zu schildern -ab dem Zeitpunkt, als Sie von der Hauptstraße abgebogen sind.«

In aller Kürze beschrieb ich zuerst die schmale Ruckelpiste, dann die Straße in den Bergen, die bedrohlichen, mit Gras bewachsenen Felsen und die tiefe Kluft,

die mal links, mal rechts der Straße aufgetaucht war. Nach kurzem Überlegen fügte ich hinzu, der Karawanenführer habe uns auf die einfache Frage, wie weit es noch nach Kettari sei, seltsam nichts sagende Antworten gegeben.

«Sir Juffin lässt Ihnen ausrichten, Max, dass er fast vierhundert Jahre in Kettari gelebt und mehrmals ganze Räuberbanden durch die dortigen Wälder geführt hat. Er kennt jeden Stein im Umland und hat dort nie etwas gesehen, das dem ähnelt, was Sie gerade beschrieben haben«, berichtete Lukfi. »Er sagt außerdem ... Sündige Magister, das darf doch nicht wahr sein!«

Damit war die Verbindung unterbrochen. Ohne große Hoffnung versuchte ich, den Kontakt zu Sir Lukfi erneut herzustellen. Erwartungsgemäß klappte es nicht.

»Jetzt schweigt auch Lukfi Penz«, meldete ich Lonely-Lokley finster. »Sir Juffin hat die Geschichte unserer Reise gehört und ausrichten lassen, dass es rings um Kettari nichts von dem gibt, was wir gerade sehen. Dann hat er Lukfi noch gebeten, uns etwas zu sagen, was Penz erstaunt kommentierte, uns aber nicht mehr übermitteln konnte, weil die Verbindung zusammenbrach. Ich wüsste zu gern, was er uns sagen wollte.«

Lonely-Lokley zuckte schweigend die Achseln. Die Situation gefiel ihm gar nicht.

»Tja, jetzt müssen wir uns wohl Gedanken machen«, meinte ich. »Vergiss bitte nicht, mein lieber Glama, dass Lady Marilyn eine einfache, recht ungebildete Provinzlerin ist. Um von dem armen Sir Max gar nicht erst zu reden. Die beiden wissen also nicht mal die elementarsten Dinge, doch ich hoffe, den Herren Glama und Lonely-Lokley ist das kleine Einmaleins bekannt.«

»Musst du so aufgeblasen daherreden, Marilyn? Was willst du eigentlich sagen?«

»Donnerwetter - ich hab immer gedacht, ich könnte mich klar ausdrücken! Na schön, ich mach kein Theater mehr, sondern stell dir ein paar Fragen.«

»Gute Idee, Marilyn. Kann sein, dass du auf diese Weise wichtige Dinge erfährst, die mir unwichtig erscheinen.«

»Gut. Stimmt es, dass bei der Stummen Rede die Entfernung zwischen den Gesprächspartnern keine Rolle spielt?«

»Natürlich. Es kommt darauf an, den Menschen zu kennen, an den man sich wendet. Deinen Gesprächspartner kannst du selbst in Arwaroch erreichen - das ist kein Problem.«

»Gut. Nächste Frage: Gibt es Orte, an denen die Stumme Rede nicht funktioniert?«

»Im Cholomi-Gefängnis, aber das weißt du doch schon. Ansonsten habe ich noch nie von solchen Orten gehört. Es gibt natürlich Leute, die sich nicht per Stummer Rede verständigen können, aber uns beide betrifft das nicht.«

»Gut. Nächste Frage: Haben Sie je von einer Situation gehört, wie wir sie gerade erleben? Vielleicht auch in einer Legende, im Mythos, gerüchteweise oder im Scherz?«

»Bei uns im Orden hatten wir einen Spruch: Ein guter Zauberer erreicht auch das Jenseits. Das war natürlich ein Witz, denn im Jenseits kann man sich nicht per Stummer Rede melden. Und zum Glück haben wir viele Beweise dafür, dass unsere Kollegen am Leben sind.«

»Und was ist mit uns?«

»Ich bin gewöhnt, meiner Wahrnehmung zu trauen, und ich habe durchaus den Eindruck, lebendig zu sein.«

»Sündige Magister - natürlich lebst du, Glama, genau wie ich. Aber wir sitzen so richtig in der Patsche, und es wäre besser, gemeinsam einen Ausweg zu finden als allein. Das Jenseits muss nicht unbedingt ein Reich der Toten sein. Es gibt viele verschiedene Welten, Schürf - ich bin der beste Beweis dafür. Meine Heimat ist eigentlich auch eine Art Jenseits.«

»Ich weiß«, sagte Lonely-Lokley ruhig.

»Das wissen Sie? Woher? Hat Ihnen Juffin davon auf einem Seminar zum Thema Sir Max - das größte Naturwunder erzählt?«

»Es war viel einfacher. Ihre Geschichte über die Leeren Länder war sehr gut, und ich hatte lange keine Zweifel daran. Aber es hat mich misstrauisch gemacht, wie Sie atmen. Dazu kam noch die seltsame Bemerkung von Sir Juffin, unsere Magie wirke auf Sie anders als auf die übrigen Bewohner von Echo. Und dann Ihre Augenfarbe. Sie wissen doch, dass sie ständig wechselt?«

»Allerdings«, murmelte ich. »Das hat mir Lady Melamori schon gesagt.«

»Ich hätte nicht gedacht, dass sie so aufmerksam ist. Doch der ständige Wechsel Ihrer Augenfarbe, Sir Max, ist wirklich recht auffällig. Aber keine Sorge: Die meisten Leute merken so was nicht. Auch ich hab Sie erst im Traum begleiten müssen, um das Changieren Ihrer Augenfarbe zu registrieren. Marilyn, du bist heute ja wirklich gesprächig! Aber ich möchte jetzt ohnehin nicht mehr über dich reden. Erklär mir lieber, worauf du mit deinen Fragen hinauswillst.«

»Ich will eigentlich nur erfahren, ob ich mich per Stummer Rede bei meiner Mutter melden kann, die - wie Sie offenbar wissen - in einer ganz anderen Welt lebt.«

»Natürlich können Sie das. Meiner Meinung nach allerdings ist die Kommunikation zwischen zwei Welten ein ungewöhnliches Ereignis - unsere Reise dagegen ist eine ganz normale Sache. Umso erstaunlicher, dass es uns nicht gelungen ist, mit Sir Juffin per Stummer Rede in direkten Kontakt zu kommen.«

»Diese Reise soll eine -normale Sache* sein, mein guter Glama? Von wegen! Wir fahren durch eine Gegend, die es laut Juffin gar nicht gibt, und ein Einheimischer kann uns nicht sagen, wann wir Kettari erreichen. Obwohl ich schon Erfahrungen mit dem Reisen zwischen den Welten habe, muss ich gestehen, dass mir solche Schwierigkeiten noch nicht begegnet sind.«

»Gut, machen wir es so: Sir Glama bleibt bei seiner Meinung und hält diese Reise weiter für eine ganz normale Sache, und Lady Marilyn kultiviert ihre Ängste. Ich halte es für klug, unsere Lage aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.«

»Verstehe. Kommt Zeit, kommt Rat!«

»Du sprichst mir aus der Seele, Marilyn. Hast du nicht langsam den Eindruck, dass wir doch allmählich Kettari erreichen?«

»Der Weg ist jedenfalls deutlich erträglicher geworden, obwohl die Gegend weiter sehr öde wirkt. Vielleicht ist das da vorn ja schon die Stadtmauer?«

»Eben.«

»Bald dürften die sieben Wacharibäume und das Stadttor auftauchen, das noch Skulpturen aufweisen soll, die der alte Kwawa Ulon gefertigt hat«, meinte ich träumerisch. »Ich bin so aufgeregt, als wäre es nicht Juffins Heimatstadt, sondern meine. Was mag mich an Kettari so anziehen? Vielleicht vermisse ich meine Heimat ja doch ...«