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»So was soll's geben«, sagte mein Gesprächspartner. »Wie ich sehe, haben Sie die Verwandtschaft satt.«

Ich nickte gequält und war schon so in meiner Rolle, dass ich meine erfundene Tante wirklich zu hassen begann.

»Suchen Sie vielleicht ein wenig Unterhaltung?«, fragte der nette Mann unschuldig. »Verzeihen Sie, dass ich Ihnen das so offen anbiete, aber das ist hier gang und gäbe. Außerdem habe ich gerade niemanden zum Mau-Mau-Spielen. Normalerweise sind meine Freunde da, aber heute bin ich - wie Sie sehen - allein. Wir spielen um geringe Einsätze, Sie riskieren also praktisch nichts.«

Natürlich riskiere ich nichts, dachte ich verärgert. Unser Vermögen hat ja schon ein anderer durchgebracht.

Um überzeugend zu wirken, versuchte ich, meinem Gesicht einen etwas zweifelnden Ausdruck zu geben.

»Mein Name ist Ravello«, erklärte der Karawanenführer.

Freundchen, du heißt Abora Wala!, dachte ich nur.

»Keine Sorge, Sir«, zwitscherte der Lügner freundlich. »In Kettari lernt man sich ganz zwanglos kennen. Besonders, wenn zwei Männer einen netten Abend bei Mau-Mau verbringen. Was rauchen Sie da eigentlich, wenn ich fragen darf?«

»Ach das?« Ich winkte ab. »Dieser Tabak ist das Geschenk eines Freundes und stammt, soweit ich weiß, aus Kumon, der Hauptstadt des gleichnamigen Kalifats.«

Diesen Namen hatte ich in Manga Melifaros Enzyklopädie der Welt aufgeschnappt, war aber nicht ganz sicher, ob der Ort tatsächlich existiert. Hoffentlich irrte ich mich nicht.

»Mein Freund ist Händler, aber wahrscheinlich auch Pirat. Bei Seeleuten kann man sich da ja nie sicher sein«, fügte ich hinzu. »Haben Sie so einen Tabak noch nicht gesehen?«

»Nie im Leben.«

Diesmal durfte ich annehmen, dass Ravello nicht log.

»Woher kommen Sie eigentlich?«, fragte er interessiert.

»Aus der Grafschaft Wuk, aus den Grenzgebieten zu den Leeren Ländern. Wieso fragen Sie? Haben Sie das nicht an meiner Aussprache gemerkt? Aber lassen wir das. Spielen wir lieber eine Partie, ehe Sie es sich anders überlegen.«

»Reicht Ihnen eine Krone pro Spiel?«, fragte mein Verführer unschuldig. Ich pfiff durch die Zähne. Jetzt erschien mir das Tempo, in dem die Börse von Lonely-Lokley leichter geworden war, nicht mehr so atemberaubend.

»Eine halbe Krone«, widersprach ich entschieden. »Ich bin kein reicher Mann, heute Abend schon gar nicht.«

Mein Gesprächspartner nickte verständnisvoll. Eine halbe Krone war auch für ihn kein schlechter Anfang.

Jetzt musste ich nur dem Glück, dass ich von Sir Juffin geerbt hatte, vertrauen. Nach zwei verlorenen Spielen würde ich mich entscheiden müssen, ob ich bleiben oder heimgehen wollte.

Wir setzten uns an einen kleinen Tisch in der Ecke. Ein paar aufmerksame Augenpaare beobachteten mich. Mich schauderte, denn ich begriff: Ich sollte betrogen werden. Ich wusste zwar noch nicht, wie, aber sie würden es sicher versuchen.

»Darf ich nach Ihrem Namen fragen?«, meldete sich Ravello vorsichtig. »Sie haben sicher Gründe, sich nicht vorzustellen, aber ich muss Sie ja irgendwie anreden.«

»Meinen Namen möchten Sie wissen? Der ist natürlich kein Geheimnis«, sagte ich und machte eine kurze Denkpause. »Ich heiße Marlon Brando und stehe Ihnen gern zu Diensten.«

Wie sonst hätte ich Lady Marilyn steigern sollen?

Natürlich sah Ravello mich daraufhin kurz erstaunt an. Genauso erstaunt hatte Sir Juffin geschaut, als er den Namen Marilyn Monroe vernommen hatte.

»Aber sagen Sie einfach Brando zu mir«, fügte ich generös hinzu. Wenn dieser Mann mich beim Vor- und Nachnamen nennen würde, müsste ich lachen - das war mir klar.

Die beiden ersten Spiele gewann ich leicht und rasch, was mich sehr erstaunte. Nun hatte ich einen kleinen Vorrat, der mir noch mindestens vier weitere Versuche erlaubte.

Das dritte Spiel verlor ich sehr schnell - aus Dummheit, wie es schien. Abora Wala, besser bekannt als Ravello, verlor seine Nervosität, denn er merkte endlich, dass ich genau der normale Dummkopf aus der Provinz war, für den er mich von Anfang an gehalten hatte, und dass meine Glückssträhne beendet war. Ich nahm das gleichmütig hin: Wer wirklich Glück hat, muss mitunter verlieren können. Schon, damit dem Gegenspieler nicht langweilig wird.

Dann gewann ich viermal hintereinander, und Herr Ravello wurde erneut nervös. Ich wusste, dass ich die Glückssträhne jetzt unbedingt bremsen sollte. Mein Gegenspieler gab Karten. Als ich meine sah, begriff ich, dass ich keine Chance hatte zu verlieren - nicht mit einem so guten Blatt. Also gewann ich erneut. Es tat weh, Ravello anzuschauen - bestohlene Diebe sind ein furchtbarer Anblick. Ich zog meine Zigaretten aus der Tasche.

»Möchten Sie eine probieren, Sir? Die Bewohner des Kalifats Kumon haben einen außerordentlich leckeren Tabak.«

»Wirklich?«, fragte der Arme verwirrt.

Seine aufmerksamen Äuglein musterten mich streng. Anscheinend begann er Sir Marlon Brando allmählich für einen gut getarnten Betrüger aus Kettari zu halten. Das passte allerdings nicht zu dem fremden Akzent und den exotisch schmeckenden Zigaretten.

So begannen wir die nächste Partie. Nach intensivem Bemühen konnte ich sie nicht nur verlieren, sondern auch schlagende Beweise meiner Dummheit liefern. Das kam mir sehr zupass, denn ich wollte den Einsatz erhöhen.

»Ich bin offenbar ein wenig reicher geworden«, sagte ich nachdenklich. »Und in einer Stunde möchte ich schlafen gehen. Was meinen Sie: Wollen wir den Einsatz auf eine Krone pro Spiel erhöhen?«

Es machte Spaß, Ravello anzusehen, denn Gier und Vorsicht lieferten sich auf seinem ausdrucksstarken Gesicht einen leidenschaftlichen Kampf. Ich verstand ihn gut: Für ihn war ich einerseits ein Glückspilz, andererseits aber ein ganz normaler Dummkopf. Und wenn wir den Einsatz erhöhten, konnte er alles zurückgewinnen. Natürlich stimmte er zu, denn er war gierig genug, dieses Risiko einzugehen.

Ich gewann sechs Partien nacheinander und staunte nicht schlecht darüber. Meine Theorie, dass man das Glück vom Lehrer erbt, durfte langsam als bewiesen gelten. Bestimmt hatte Sir Juffin Glück im Überfluss!

»Heute haben wir nicht so viel Glück, Ravello, was?«, fragte jemand vom Nachbartisch mit gespielter Gleichgültigkeit.

Zuvor schien sich niemand für uns interessiert zu haben.

Das ist bestimmt ein notorischer Falschspieler, dachte ich belustigt. Und ich erlebe hier einen Rettungsversuch unter Kollegen. Sollte Ravello die Segel streichen, wird dieser Kerl mich sicher fertigmachen wollen. Aus lauter Freude bestellte ich noch einen Dschubatinischen Säufer. Nie hätte ich gedacht, dass ich so schnell in Fahrt kommen würde.

»Nein, heute habe ich wirklich kein Glück«, gab mein Gegenspieler zu.

»Dann solltest du nach Hause gehen und dich ausschlafen«, riet ihm der Mann, der sich in unser Spiel eingemischt hatte. »Das liegt am Mond - dem gefällst du heute offenbar nicht.«

»Du hast Recht, Tarra«, seufzte mein unglückliches Opfer. »Ich sollte mein Glück auf dem Kopfkissen suchen. Aber Herr Brando ist anscheinend noch nicht müde«, meinte er und sah mich fragend an.

Stimmt, dachte ich und lächelte inwendig. Vermutlich übernimmt mich jetzt der andere. Warten wir mal ab, wie das endet.

»Ich bin auf den Geschmack gekommen«, sagte ich und versuchte, mir die Miene eines arglosen Menschen zu geben, der sich naiv an seinem Gewinn freut. »Aber wenn Sie auf hören wollen ...«

»Das ist mein Freund Sir Tarra. Sein Spielpartner, Herr Linulen, muss um diese Zeit schon das Ehebett hüten, während Tarra Single ist. Möchten Sie ihm vielleicht Gesellschaft leisten?«, fragte Ravello vorsichtig. Offenbar sollte ich auf seinen Verkuppelungsversuch reinfallen, und das tat ich auch.

Sir Tarra sah seinem Vorgänger erstaunlich ähnlich. Er hatte die gleichen leicht ergrauten Haare, war ungefähr ebenso groß wie Ravello und hatte eine ähnliche Nase. Vielleicht ist das ja hier ein verbreiteter Männertyp, dachte ich. Aber vielleicht ist es auch einfacher: Womöglich sind sie Brüder und leiten ein erfolgreiches kleines Familienunternehmen.