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Ich tat, wie er mir geraten hatte, und als wir zehn Minuten später ein leeres Wirtshaus betraten, konnte ich das Geschirr in die Hand nehmen, ohne Scherben zu produzieren.

••Prima«, sagte ich erfreut, »deine Gymnastik hilft wirklich.«

»Ich würde nicht darauf schwören, wenn es nicht so wäre«, meinte Lonely-Lokley achselzuckend.

»Was machen wir nun mit dem Schönling?«, fragte ich belustigt. »Oder willst du ihn zur Erinnerung in deiner Hand lassen?«

»Das würde mir kaum gefallen«, meinte Schürf gedankenverloren. »Aber ich muss deine Idee loben. Dein Gedanke war erstaunlich einfach und kam genau rechtzeitig. Weißt du, dass du weit mehr als nur mein Leben gerettet hast, Max?«

»Durchaus. Ich bin ein aufmerksamer Zuhörer, Schürf, und kann mich genau daran erinnern, was du mir vom Verrückten Fischer erzählt hast. Hat Kiba Azach jetzt das Gleiche durchgemacht? Er hat noch geschafft, mir zu sagen, dass es ein Fehler war, ihn in Kettari zu treffen, weil die Verteilung der Kräfte hier nicht besser sei als in deinen Träumen.«

»Stimmt«, gab Lonely-Lokley ruhig zur Antwort. »Weißt du, Max, ich glaube, für uns wäre es das Beste, ihn endgültig zu töten. Würde dir dein geheimnisvoller Freund dabei helfen? Ich meine den Mann, der dir von Kiba Azach erzählt hat?«

Ich zuckte die Achseln. »Woher soll ich das wissen? Wir können es versuchen. Aber lass uns erst was trinken. Die Atemübungen sind zwar prima, doch es gibt noch andere gesundheitsfördernde Maßnahmen, findest du nicht?«

»Da hast du Recht«, sagte Lonely-Lokley und nickte verwirrt. »Ich muss mich auch unbedingt stärken.«

Wir tranken schweigend einen herben, fast schwarzen Rotwein. Ich fühlte mich erstaunlich gut - ganz leicht und bar aller Gedanken. In meinem Kopf herrschte Leere.

Schürf sah mich fragend an. »Lass uns spazieren gehen«, sagte er und stand auf. In diesem Moment wusste ich, wohin wir gehen sollten, obwohl ich noch immer keinen Schimmer habe, wie ich darauf gekommen bin. Ich setzte einfach einen Fuß vor den anderen und hatte keine Kraft, Widerstand zu leisten. Lonely-Lokley fragte mich nicht nach unserem Ziel - sein Vertrauen in mich war möglicherweise grenzenlos geworden.

Wir gingen zur Stadtmauer. Noch vor ein paar Tagen hatte Schürf Kettari nicht verlassen können. Inzwischen aber hatte ich keinen Zweifel, dass ihm das mühelos gelingen würde. Obendrein konnte ich ihm immer sagen, er brauche keine Angst zu haben, weil Kiba Azach unschädlich gemacht war und in seiner Hand gefangen saß.

Aber das war gar nicht nötig. Wir verließen Kettari problemlos und bewunderten die uns schon bekannten Wacharibäume und andere ländliche Idyllen.

Auf verschiedenen Wegen spazierten wir vor uns hin, und ich wusste nicht einmal, ob meine Beine den Boden berührten. Es interessierte mich auch nicht. Ein bemerkenswertes Machtgefühl durchflutete mich. Während des Spaziergangs hatte ich den Eindruck, ich könnte tun, was immer mir beliebt. Doch ich hatte keine revolutionären Gedanken. Ich wollte nur mit Schürf Drahtseilbahn fahren. Mochte dann geschehen, was wolle.

»Was ist das?«, fragte Lonely-Lokley erstaunt. Vor uns befand sich die Talstation der Drahtseilbahn, und in der Ferne ragte die mir ebenfalls bekannte Silhouette meiner Stadt in den Bergen auf. Ich sah meinen Begleiter freundlich an: »Erkennst du die Stadt nicht? Hier bist du vor kurzem noch gewesen.«

»Ist das die Stadt aus deinen Träumen?«

»Ja, aber inzwischen auch aus deinen. Komm, fahren wir hoch.«

Die Kabinen der Drahtseilbahn waren für zwei Personen gedacht. Sir Schürf sah wie verzaubert mal nach oben, mal nach unten. Sein Schweigen wirkte nicht so reserviert wie sonst, sondern erschien mir als Zeichen der Begeisterung. Enorm erleichtert brach ich in Lachen aus und fühlte mich wie im Besitz eines Zertifikats, das mir Unsterblichkeit und allzeit unbegrenzte Entfaltung meiner Persönlichkeit garantierte.

»Weißt du, was du jetzt tun könntest?«, fragte ich, als ich mich beruhigt hatte. »Du könntest deinen ewigen Feind in den Abgrund werfen, damit er uns nicht den Genuss der Landschaft verleidet. Ich glaube, das ist meine Lieblingsmethode, tote Magister umzubringen - eine ausgezeichnete Methode, wie ich dir garantieren kann.«

In Lonely-Lokleys Augen erschien kurz ein Hauch von Zweifel, doch dann sah er sich erneut die Landschaft an, nickte ernst und streckte den linken Arm aus ...

Kiba Azach stürzte schweigend in die Tiefe. Er staunte nicht, denn er wusste alles - Tote wissen immer alles. Ich hatte den Eindruck, dass er eigentlich nichts gegen das abrupte Ende seines langen, tatenreichen Lebens hatte, im Gegenteiclass="underline" Dieses Ende gefiel ihm, weil es eine schwere und undankbare Aufgabe war, als toter Magister durch die Weltgeschichte zu streifen. Er verschwand, ohne den Boden zu berühren, den es - offen gesagt - auch gar nicht gab. Ich lachte wieder, schaute gen Himmel und fragte lächelnd: »Hat Ihnen das gefallen, Sir Maba? Jetzt sagen Sie nicht, Sie seien nicht begeistert!«

»Natürlich hat es mir gefallen. Bist du jetzt zufrieden?« Als mich die Worte Maba Kalochs per Stummer Rede erreichten, zuckte ich erschrocken zusammen. »Nur hör bitte mit der dummen Gewohnheit auf, mich laut anzusprechen. Schaffst du das?«

»Ich werde mich bemühen«, seufzte ich schuldbewusst und machte den Mund dabei nicht auf.

»Toll«, schwärmte Lonely-Lokley fröhlich und wirkte jünger als je zuvor. »Na, bist du zufrieden?«, fragte er dann neugierig.

»Ja, aber frag nicht, warum. Jedenfalls bin ich jetzt sicher, alles schaffen zu können. Schürf, sieh mal - wir sind fast angekommen. Jetzt kannst du deinen Handschuh nehmen.«

Ich schüttelte meine Linke und gab Lonely-Lokley sein Eigentum zurück.

Die Stadt freute sich auf uns - daran gab es keinen Zweifel. Die Straßen waren beinahe leer, einige Fußgänger begrüßten uns freundlich, und der warme Wind wehte mir vertraute Düfte zu. Der Ort war zwar nichts Besonderes, für mich aber war er der beste Platz aller möglichen Welten. Allerdings wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, hier länger zu bleiben. Ich wusste, dass das unmöglich war.

In einem Straßencafe machten wir Rast. Schürf hatte zwar keinen Gefallen an Kaffee gefunden, war aber über die tief hängenden Pflaumenbaumäste entzückt. Unser Aufenthalt in der Stadt war angenehm und sehr lustig. Ich weiß noch, dass Lonely-Lokley seinen Löffel so gegen die Sonne hielt, dass er beinahe ein Loch ins Metall gebrannt hätte. Dann zwinkerte er mir zu und zauberte eine Art Pflaumenkranz, der heiter über meiner Tasse schwebte. Ein rankes und ungemein schlankes Mädchen kam mit unserem Essen und küsste mich zur Begrüßung auf die Wange. Das war zwar unerwartet, aber sehr angenehm. Ich konnte nur den Kopf schütteln. Ich glaube, wir schwiegen die ganze Zeit und lächelten nur ab und an.

Nach einem raschen Gang durch die ganze Stadt erreichten wir den Park im englischen Stil. Hier irgendwo musste Lady Marilyn spazieren gehen, wenn man dem klugen Sir Machi Ainti Glauben schenken durfte. Und warum sollte man das nicht?

»Ich hab schon wieder vergessen, mich zu erkundigen, wie die Stadt heißt-, seufzte ich. »Ich hätte die nette Kellnerin fragen sollen.-

»Ach was, Max«, winkte Lonely-Lokley ab. »Hauptsache, sie existiert. Der Rest spielt keine Rolle.«

»Eigentlich hast du Recht. Lassen wir das leidige Thema.«

Dann kehrten wir nach Kettari zurück, und ich war so müde, dass ich zwischendurch in der Seilbahn einschlief.

Am anderen Morgen war alles wieder normal, zu normal eigentlich: Meine Füße befanden sich wie üblich auf dem Boden, und ich verspürte keine übernatürlichen Kräfte mehr. Ich vollführte nur ein einziges Wunder, indem ich ein paar Cola-Dosen unter dem Schaukelstuhl hervorzog.

Langsam bekam ich Hunger. Lonely-Lokley war beherrscht und gelassen wie stets. Ihm war nur eine gewisse Leichtigkeit anzumerken, als wäre er lange erkältet gewesen und plötzlich gesundet.

»Ich glaube, wir haben nichts mehr in Kettari zu tun, oder?«, fragte er und nahm einen Schluck von der Kamra, die wir uns hatten kommen lassen, da wir nicht einmal Lust gehabt hatten, frühstücken zu gehen.