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»Das reicht mir vollkommen. Sie können die Leute wirklich gut erschrecken, Juffin - das muss ich sagen.«

Kaum verließ ich das Arbeitszimmer, warfen sich mir alle Begrüßungswilligen an den Hals. Als Erster kam Melifaro, der offenbar seit dem Vorabend Schlange gestanden hatte, dann der schüchterne Sir Lukfi und schließlich Kofa Joch, der vor Rührung schnaufte. Sogar Lady Melamori gab die Distanz auf, mit der sie mich vor der Reise behandelt hatte - offenbar hatte Lady Marilyn uns wieder zusammengebracht. Aber ich rechnete ohnehin mit nichts anderem mehr als Freundschaft.

Ich freute mich sehr, meine Kollegen wiederzusehen, und sie waren genauso froh. Man mochte mich offenbar, und es ist doch was, fünf Menschen in einer Welt etwas zu bedeuten. Und hier konnte ich noch Lonely-Lokley mitzählen, der vermutlich gerade in seinem Bett schlief, und Lady Sotova, die sich immer über meinen Besuch gefreut hatte. Und womöglich noch ein paar andere, die eine Schwäche für mich hatten.

»Kinder!«, rief ich, als die im Fressfass bestellte Kamra vor uns stand. »Wisst ihr was? Ich bin glücklich!«

Am Abend war ich noch glücklicher, weil ich den Hund Chuf wiedersah. Er leckte mich tatsächlich von Kopf bis Fuß ab, und ich leistete keinen Widerstand. Dann schlief ich ein. Vielleicht, weil ich verzaubert war - vielleicht aber auch, weil ich seit mehr als achtundvierzig Stunden nicht geschlafen und mich nur mit Kachar-Balsam wachgehalten hatte.

Mitten in der Nacht erwachte ich, ohne zu verstehen, was los war. Als ich mich umsah, merkte ich, dass ich im Schlafzimmer von Sir Juffin auf dem Bett lag, während er an der Wand saß. Blinzelten seine Augen etwa in der Dunkelheit? Auf alle Fälle wurde mir bei seinem Anblick ganz kalt.

»Schlaf weiter, Max. Stör mich nicht«, sagte mein Chef trocken, und ich gehorchte.

Am nächsten Morgen war Juffin zwar müde, aber glücklich.

»Du kannst heimgehen, Max. Ich muss mich ein wenig erholen. Komm bitte nach dem Mittagessen ins Haus an der Brücke. Von mir aus kannst du dir bis zum späten Nachmittag damit Zeit lassen, aber ich verlasse mich darauf, dass du auftauchst ... Und denk bitte daran, dein Armband anzulegen, wenn du dich schlafen legst. Versprichst du mir das? Du solltest dir wirklich angewöhnen, es zu tragen.«

»Na, wenn Sie meinen ... Was haben Sie eigentlich von mir erfahren?«

»Vieles, das für dich ganz uninteressant ist. Und jetzt husch, husch nach Hause, mein Weltwunder. Lass mich alten Mann sich ein wenig erholen.«

Zu Hause stürzte sich Ella auf mich. Sie war noch dicker als vor meiner Abreise nach Kettari. Armstrong dagegen besaß eine andere Logik: Kaum sah er mich, sprang er zu seinem Napf. Und eigentlich hatte er damit Recht.

»Na, habt ihr mich vermisst?«, fragte ich fröhlich. »Ihr braucht mir nicht zu antworten. Ich weiß doch, dass ich euch nur störe - ich gehe herum, mache Krach und verbreite Unruhe. Na ja, aber jetzt essen wir.«

Als ich die Tiere gefüttert hatte, sah ich meine Reisetaschen durch. Ich glaube, niemand hat je aus einer anderen Welt so viele unnütze Dinge mitgebracht wie ich. Ich bekam Klamotten von Lady Marilyn in die Hände, aber auch all das, was ich in Kettari unter der Couch, dem Schaukelstuhl und anderenorts hervorgezogen hatte. Die kubanischen Zigarren wollte ich ins Haus an der Brücke mitnehmen - vielleicht fand dort jemand Gefallen daran. Meine elf Stadtpläne hängte ich ins Gästezimmer, obwohl Juffin mir mehrmals eingeschärft hatte, sie vor fremden Augen zu verstecken.

Schließlich zog ich ein kleines Päckchen aus der Reisetasche. Sündige Magister! Das hatte ich ja ganz vergessen: meine fantastische Überraschung für Sir Juffin -Gericht Nummer dreizehn aus dem Alten Haus, eine Delikatesse in Kettari, aber für mich nur ein stinkendes Stück Fett. Nicht so schlimm. Das konnte ich ihm auch am Abend noch geben.

Gegen Nachmittag ging ich ins Büro. Mein schwarzgoldener Todesmantel erschien mir wie das schönste Gewand. Ja, ich hatte meine Arbeit tatsächlich vermisst.

Entgegen seiner Ankündigung war Sir Juffin noch nicht da. Im Saal der Allgemeinen Arbeit thronte Lonely-Lokley. Er war ganz in Weiß gekleidet und hatte seine auffälligen Handschuhe an. Dieser Anblick entsprach meinen ästhetischen Erwartungen vollkommen, und ich strahlte.

»Lass uns zum Fressfass und zurück spazieren, Schürf. Oder willst du behaupten, du steckst bis zum Hals in Arbeit?«

»Aber nicht doch«, antwortete er. »Das Fressfass gehört zu den Orten, die ich sogar im Alten Haus vermisst habe.«

»Dort, wo die Männer von Kettari sich abends beim Kartenspiel die Zeit vertreiben? Das glaube ich nicht.«

»Richtig so, Max. Gehen wir, ehe ich es mir anders überlege«, meinte Schürf und rief ins Nachbarzimmer: »Sir Melifaro, nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich das Büro verlasse.«

»Was ist eigentlich in den dunklen Ecken unserer Hauptstadt los, meine Herrschaften?« Mit diesen Worten erschien Melifaros neugieriges Gesicht auf der Türschwelle. »Wessen Blut wollt ihr jetzt schon wieder trinken?«

»Nichts ist los«, meinte Lonely-Lokley achselzuckend. »Leider muss ich feststellen, dass zahlreiche Dienstvorschriften Ihrer Anwesenheit im Fressfass zu dieser Uhrzeit im Wege stehen.« Dann wandte er sich an mich: »Komm, Max, lass uns gehen, solange die Situation sich noch nicht geändert hat.«

Melifaro fiel die Kinnlade runter. Die unbeschwerte Antwort des eisernen Lonely-Lokley - der letzten Bastion des Ernstes in unserer Abteilung - war für ihn eindeutig zu viel.

»Wo ist unser Loki-Lonky?«, fragte er. »Was hast du mit ihm auf eurer Dienstreise getrieben, Max? Hast du ihn verzaubert? Sag mir die Wahrheit.«

»Ich hab nichts Besonderes mit ihm angestellt, Melifaro. Ich hab ihn nur ein paar Mal beschimpft. Stimmt's, Schürf?«, fragte ich und zwinkerte Lonely-Lokley zu. »Vielleicht sollten wir das Gleiche mit unserem Kollegen hier machen?«

»Ach, Max, den Fall Melifaro muss man ganz anders lösen«, seufzte mein wunderbarer Freund träumerisch. »Aber wenn du ihn richtig beschimpfst, merkt er sich vielleicht endlich mal meinen Namen. Das wäre günstig für die Ruhe in der Stadt und die allgemeine Sicherheit.«

Hoch erhobenen Hauptes verließen wir - die zwei grausamsten Männer des Vereinigten Königreichs - das Gebäude: ich im schwarzen Todes- und Schürf im weißen Lochimantel. Das wird ein hübscher Anblick gewesen sein.

Als wir nach einer Stunde zurückkehrten, musste ich - um der Gerechtigkeit willen - auch mit Melifaro für eine Stunde ins Fressfass gehen.

»Sag mir bitte endlich, was du mit Loki-Lonky angestellt hast, Sir Nachtantlitz.«

Der arme Melifaro - einer der besten Detektive von Echo - konnte das Geheimnis von Schurfs Metamorphose nicht knacken. Er tat mir zwar leid, und ich hatte keine Geheimnisse vor ihm, anderer Leute Geheimnisse aber wollte ich nicht ausplaudern.

»Ich hab die reine Wahrheit gesagt, mein Freund. Schürf hat mich aufwecken wollen, und ich hab ihn im Halbschlaf nach Strich und Faden beschimpft. Hinterher hab ich mich zwar brennend geschämt, aber du siehst ja,

was dabei herausgekommen ist. Vielleicht haben meine Schimpfworte wie Zaubersprüche gewirkt.«

»Und was hast du ihm genau gesagt?«, fragte Melifaro, der noch nicht recht überzeugt war.

»Das weiß ich nicht mehr. Am besten fragst du ihn selbst. Er hat sich alles notiert und mich den ganzen Abend bis ins Detail nach der Bedeutung einzelner Worte gefragt.«

»Er hat sich alles aufgeschrieben!? Max, jetzt hast du mich wirklich beruhigt. Dann ist alles halb so schlimm. Nur der gute alte Schürf ist imstande, die Schimpfworte zu notieren, die er aufschnappt. Dadurch will er nur sein Wissen erweitern. Dann ist mit ihm ja noch alles in Ordnung.«