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»Wir werden behutsam vorgehen.« Was die Menschen darunter verstanden, dachte Louis bei sich, nicht die Puppetiers. »Chmeee hat recht: die Materie-Umwandler könnten auf der anderen Seite der Ringmauer liegen, wo man sie wegwarf, sobald man sie durch die Mauer transportiert hatte. Dort wurden sie dann von Bakterien zerfressen.«

Chmeee sagte: »Wir sollten nicht versuchen, mit unserem Landefahrzeug die Ringmauer zu durchstoßen. Ich habe kein Zutrauen zu einer fremden Maschine, die schon mindestens tausend Jahre alt ist. Wir müssen die Ringmauer überfliegen.«

Der Hinterste fragte: »Dann kommen Sie in den Schußbereich der Meteor-Kanonen. Wie wollen Sie diesen ausweichen?«

»Wir müssen sie zu überlisten versuchen. Louis, glaubst du immer noch, daß wir damals von einer automatischen Meteor-Abwehranlage abgeschossen wurden?«

»Ich glaube es bis heute. Es passierte alles so verdammt schnell.« Sie fielen auf die Sonne zu, alle ein bißchen nervös, eingeschüchtert von der überwältigenden Wirklichkeit der Ringwelt. Alle, bis auf Teela natürlich. Und dann gab es plötzlich einen violettweißen Blitz, und dann war die Liar in eine dichte violettglühende Gaswolke eingehüllt. Teela hatte durch ein Bullauge im Rumpf geschaut. »Unser Flügel ist verschwunden«, hatte sie gesagt.

»Wir wurden nicht eher unter Feuer genommen, bis unser Schiff sich auf Kollisionskurs mit der Oberfläche der Ringwelt befand. Also mußte es sich um eine automatische Anlage handeln. Und ich sagte dir vorhin bereits, weshalb ich annehme, daß das Reparaturzentrum längst aufgegeben wurde.«

»Schön. Dann wird also niemand mit Absicht auf uns schießen. Louis, wenn die Abwehranlage automatisch funktioniert, wird sie doch nicht aufs Ringmagnet-Transportsystem schießen, oder?«

»Chmeee, wir wissen nicht, wer dieses Transportsystem gebaut hat. Vielleicht gehört es nicht zu den Werken der Ringwelt-Ingenieure. Vielleicht wurde es erst später errichtet, von Prills Artgenossen.«

»Das trifft zu«, sagte der Hinterste.

Seine beiden Gefangenen drehten sich um, sahen das Bild des Puppetiers auf den Monitoren.

»Ich sagte doch bereits, daß ich mich mit dem Teleskop auf der Ringwelt umgeschaut habe. Dabei stellte ich fest, daß das Magnetring-Transportsystem nur zum Teil fertiggestellt wurde. Es bedeckt nur 40 Prozent der Mauerkrone. Auf dem Abschnitt des Artefakten, wo wir uns jetzt befinden, fehlen diese Magneten. Auf dem Ringwall an der Backbordseite ist das System nur zu 15 Prozent vervollständigt. Die Ringwelt-Ingenieure hätten so ein nebensächliches System auch niemals halb vollendet gelassen, nicht wahr? Vermutlich verwendeten sie das gleiche Raumschiff als Transportmittel, mit dem sie den Bau der Ringwelt überwachten.«

»Prills Volk kam erst später auf diese Welt«, sagte Louis. »Wahrscheinlich sehr viel später. Vielleicht wurde ihnen das Ringmagneten-Transportsystem zu teuer. Möglicherweise ist ihnen sogar die Eroberung der Ringwelt nicht ganz gelungen. aber warum bauten sie dann Sternenschiffe? Oh, was soll's. Vielleicht werden wir das nie erfahren. Aber welche Schlüsse können wir daraus ziehen?«

»Wir überlegten uns gerade, wie wir die Meteor-Abwehranlage überlisten können«, sagte Chmeee.

»Ja. Ich gebe dir recht. Falls die Meteor-Kanonen die Krone der Ringmauer unter Feuer genommen hätten, wäre dort nie ein Transportsystem errichtet worden.« Louis dachte einen Moment darüber nach. Es steckten noch ein paar Löcher in seiner Annahme, doch dann wäre nur noch die Möglichkeit gegeben, das Landungsschiff mit Hilfe des Cziltang brone durch die Wand der Ringwelt zu schleusen. Das Ding war uralt und vermutlich nicht mehr sehr zuverlässig. »Okay. Wir fliegen über die Krone der Ringwelt-Mauer.«

Der Puppetier sagte: »Sie schlagen ein gefährliches Abenteuer vor. Ich bereitete Sie so gründlich wie möglich auf diese Expedition vor. Aber ich mußte mich auf die menschliche Technologie verlassen. Nehmen wir an, Ihr Fluggerät versagt den Dienst? Ich möchte meine Vorräte nicht noch mehr erschöpfen. Sie säßen auf der Ringwelt fest. Sie wissen, daß der Artefakt zum Untergang verurteilt ist.«

»Das habe ich nicht vergesseen«, erwiderte Louis.

»Zunächst müssen wir die elf Raumschiffe untersuchen, die ich auf den anderen Flughäfen auf der Ringmauer entdeckte. Vielleicht finden wir noch mehr auf der anderen Hälfte der Ringwelt.«

Und so konnte es noch Wochen dauern, ehe der Hinterste sich damit abfinden würde, daß an Bord dieser Schiffe keine Materien-Umwandler existierten. Oh, zum Teufel.

»Wir sollten sofort aufbrechen«, sagte Chmeee. »Vielleicht liegt die Lösung des Geheimnisses schon hinter der nächsten Mauer.«

»Wir haben genügend Treibstoff und Vorräte an Bord. Wir können noch warten.«

Chmeee streckte einen Arm aus und legte ein paar Schalter um. Er mußte sich die Sequenz der Schaltvorgänge genau überlegt und die Arbeitsweise des Landungsschiffes eingehend studiert haben, während Louis, von den Anstrengungen des vergangenen Tages erschöpft, wie ein Toter schlief. Das kleine kegelförmige Flugzeug erhob sich dreißig Zentimeter über den Boden, drehte sich um neunzig Grad, und dann füllte der Rückstoß eines Fusionsmotors die Ladeluke mit einem weißen Feuer.

»Das ist töricht von Ihnen«, sagte die melodische Altstimme des Hintersten mit leisem Tadel, »ich könnte Ihren Antrieb sofort abschalten.«

Das Landefahrzeug glitt aus der Ladebucht heraus und stieg mit der brutalen Kraft von vier g in das All hinauf. Als der Hinterste seine Warnung beendete, wären sie jetzt bei einem Absturz bereits getötet worden. Louis verfluchte sich, daß er das nicht vorausgesehen hatte. Chmeee war verjüngt, er hatte unruhiges Blut in den Adern. Die Hälfte aller Kzinti wurden nie erwachsen — sie starben im Kampf.

Und Louis Wu, der sich zu sehr mit sich selbst und seinen Entzugserscheinungen beschäftigt hatte, hatte eine seiner Optionen aus der Hand gegeben.

Er fragte kühclass="underline" »Wollten Sie die Ringwelt auf eigene Faust erkunden, Hinterster?«

Die Köpfe des Puppetiers zuckten unentschlossen über seiner Instrumentenkonsole.

»Nein? Dann müssen Sie uns schon überlassen, wie wir die Erkundung durchführen wollen. Vielen Dank.« Louis wandte sich dem Kzin zu und sagte: »Versuche auf dem Ringwall zu landen.« Erst jetzt fiel ihm die eigentümlich starre Haltung des Tigerwesens auf, dessen blanke Augen und ausgefahrene Krallen. Hatte er den Verstand verloren? Wollte er tatsächlich versuchen, mit dem Landungsboot das Raumschiff zu rammen?

Der Kzin heulte in der Heldensprache.

Der Puppetier antwortete mit der Stimme eines Kzin, änderte seine Meinung und wiederholte auf Interworld: »Zwei Fusionsraketen, eine im Achterschiff, eine unter dem Rumpf. Keine Schubmotoren. Sie brauchen die Fusionsmotoren auf dem Boden nicht zu zünden, es sei denn, Sie müssen sich verteidigen. Sie können mit Hilfe der Repulsionsdüsen abheben, die das Schiff von dem Bodenmaterial der Ringwelt wegdrückt. Sie können damit fliegen, als würden Sie einen negativen Gravitationsgenerator benützen, aber die Repulsionsdüsen sind einfacher gebaut und leichter zu reparieren und zu warten. Aber schalten Sie jetzt diese Düsen nicht ein. Sie würden Sie von der Ringmauer abdrücken und in das Weltall hinausstoßen.«

Das erklärte auch Chmeees offensichtliche Panik. Er hatte Schwierigkeiten, mit dem Fluggerät zu fliegen. Das war nicht sehr ermutigend. Aber die Rampe des Raumhafens lag jetzt schon tief unter ihnen, und das entsetzliche Rütteln beim Start hatte sich fast vollkommen gelegt. Sie flogen mit einer stetigen Schubkraft von vier g in das Universum hinauf. und plötzlich stand der Fusionsmotor still. Louis sagte: »Autsch!«, als das Fluggerät in den freien Fall überging.

»Wir dürfen uns nicht zu hoch über die Ringmauer erheben. Schau mal in den Wandschränken nach, Louis. Mache eine Bestandsaufnahme unserer Ausrüstung.«