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Nach ihrem Bauprinzip hätte die Ringwelt ein endloser Garten sein müssen. Es war keine zufällig entstandene Welt, sondern ein Artefakt.

Was sie bei ihrer ersten Expedition von dieser Kunstwelt gesehen hatten, konnte man nicht als typisch bezeichnen.

Sie hatten sich damals zwischen zwei markanten Punkten der Ringwelt bewegt, die durch Meteoreinschläge entstanden waren: Zwischen dem Orkanauge, einem Luftstrudel über einem Leck im Ringweltboden und einem mächtigen Bergkegel, der ebenfalls durch eine Meteoreinschlag entstanden war und den sie »Faust Gottes«, getauft hatten. Selbstverständlich war dort die Ökologie gestört gewesen. Das sorgfältig berechnete Windmuster der Ringwelt-Ingenieure war dort vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten.

Und wie stand es hier? Louis suchte vergeblich nach dem Muster eines Vulkanauges, nach einem Hurrikan, dessen Kegel vertikal verlief und an seiner Unterseite abgeflacht war. Hier gab es keine Meteor-Lecks im Ringweltboden. Aber er unterschied Wüstengebiete, so groß wie die Sahara und noch größer. Und die Sättel und Gipfel der Bergketten zeigten den perlgrauen Schimmer des Ringwelt-Basismaterials. Der Wind hatte den Fels, der früher die Gipfel bedeckte, abgetragen.

Hatte sich das Wettermuster so schnell zum Schaden der Ringwelt verändert? Oder hatten die Ringwelt-Ingenieure eine Vorliebe für Wüstengebiete gehabt? Das Reparaturzentrum muß schon sehr lange verwaist sein, dachte Louis. Halrloprillalars Artgenossen hatten es vermutlich nie entdeckt, nachdem die Ringwelt-Ingenieure von ihrem Kunstplaneten verschwunden waren. Und das waren sie ganz bestimmt, wenn Louis' Theorie stimmte.

»Ich möchte jetzt drei Stunden schlafen«, sagte Chmeee. »Kannst du das Landeboot bedienen, falls ein Notfall eintreten sollte?«

Louis bewegte die Achseln. »Sicher kann ich das. Aber was soll schon passieren? Wir fliegen zu niedrig für das Meteoren-Abwehrsystem. Selbst wenn sich diese Anlagen auf der Ringmauer befänden, würden sie nicht auf das tiefer gelegene Land hinunterschießen. Wir werden eine Weile lang in dieser Höhe kreuzen.«

»Ja. Weck mich in drei Stunden.« Chmeee stellte die Rückenlehne nach hinten und schlief ein.

Louis schaltete jetzt das Bug- und Heckteleskop gleichzeitig ein. Die Nacht hatte sich über die Sonnenblumen gesenkt. Er verfolgte im Teleskop den aufstrebenden Bogen der Ringwelt bis zu einem der Großen Ozeane.

Dort, vom Ozean aus spinnwärts und fast auf der Medianlinie der Ringwelt, ragte dieser mächtige, schiefe Vulkankegel auf, der in Wirklichkeit eine Verwerfung durch einen Meteoreinschlag darstellte und den sie »Faust Gottes« getauft hatten. Er war von einer marsfarbenen Wüste umgeben, die größer war als der Mars. Weiter drüben auf der Backbordseite leckte eine Zunge des Großen Ozeans in das Land hinein, in der mehrere Planeten Platz gefunden hätten.

Sie hatten damals die Küste dieser Meeresbucht erreicht und waren wieder umgekehrt.

Die Inseln waren in Gruppen über diese blaue Ellipse verteilt. Er sah auch eine einzelne Insel von kontinentaler Größe, geformt wie eine Schüssel, gefärbt wie eine Wüste. Da war eine Scheibe im Ozean, die von einem Kanal durchschnitten wurde. All die anderen Inseln in diesem gewaltigen Meer schienen wie von der Natur geschaffen. dort, da hatte er die Landkarte der Erde wiedergefunden: Amerika, Grönland, Eurasien und Afrika, Australien, die Antarktis — alle unter dem gleißend weißen Nordpol angeordnet, wie er sie auf dem Globus in dem schwebenden Palais bei ihrem ersten Besuch betrachtet hatte.

Waren alle diese Inseln in den Großen Ozeanen Nachbildungen der Landkarten im Weltall vorkommender Planeten? Prill hätte ihm darüber keine Auskunft geben können. Diese Inselgruppen waren lange vor der Zeit erschaffen worden, als ihre Spezies auf der Ringwelt in Erscheinung trat.

Er hatte Teela und den Sucher dort irgendwo zurückgelassen. Sie mußten sich immer noch im Bereich des Großen Ozeans befinden. Wenn man die riesigen Entfernungen der Ringwelt berücksichtigte und den Rückfall in eine primitive Technologie, konnten die beiden in dreiundzwanzig Jahren nicht weit gekommen sein. Sie waren jetzt fünfunddreißig Grad bogenaufwärts auf dem Riesenrad der Kunstwelt — achtundfünfzig Meilen von ihrem Flugboot entfernt.

Louis hatte keine Sehnsucht nach einem Wiedersehen mit Teela.

Drei Stunden waren vergangen. Louis streckte die Hand aus und rüttelte Chmeee sacht an der Schulter.

Ein kräftiger, mit orangenem Fell bewachsener Arm schwang nach außen. Louis wich erschrocken zurück, doch nicht weit genug.

Chmeee sah ihn blinzelnd an. »Louis, so darfst du mich nie mehr wecken. Brauchst du den Autodock?«

Er hatte zwei tiefe Schnittwunden dicht hinter der Schulter. Er spürte, wie sein Hemd das Blut aufsaugte. »Das kann noch eine Weile warten. Schau dorthin!« Er deutete auf die Weltkarte der Erde — winzige Inseln, die durch eine breite Wasserfläche von den anderen Inselgruppen getrennt waren.

Chmeee starrte auf das Projektionsbild des Teleskops. »Kzin!«

»Wie bitte?«

»Das ist die Weltkarte von Kzin! Dort! Louis, ich glaube, wir irrten uns, als wir annahmen, es handelte sich um Miniaturkarten uns bekannter Planeten. Sie sind originalgetreu nachgebildet. Im Verhältnis eins zu eins!«

Eine halbe Million Meilen von der Weltkarte der Erde entfernt konnten sie eine andere Inselgruppe ausmachen. Wie bei der Erdkarte waren auch bei dieser Inselgruppe die Ozeane durch die Polarprojektion verzerrt. Aber die Kontinente zeigten sich in ihrer wahren Gestalt. »Das ist Kzin«, sagte Louis, »warum ist mir das nicht gleich aufgefallen? Und diese Scheibe mit dem Kanal, der sie in zwei Hälften trennt — das ist Jinx. Dieser kleine, rotorange gefärbte Klumpen muß der Mars sein.« Louis zwinkerte ein paarmal, um das Schwindelgefühl zu vertreiben. Sein Hemd war klatschnaß vom Blut. »Wir können später noch darüber sprechen. Hilf mir hinunter zu dem Autodock.«

9. Die Herdenmenschen

Er schlief im Autodock.

Vier Stunden später — nur noch das Gefühl einer etwas zu straffen Haut über und unter dem Schulterblatt erinnerte ihn daran, daß er einen schlafenden Kzin nicht anfassen durfte — nahm Louis wieder seinen Sitz auf dem Flugdeck ein.

Draußen war es immer noch Nacht. Chmeee hatte den Großen Ozean auf dem Monitorschirm. Er fragte: »Wie geht es dir?«

»Gesund und munter wie ein Fisch. Dank der Errungenschaften unserer modernen Medizin.«

»Die Verletzung lenkte deine Aufmerksamkeit keine Sekunde ab. Aber du mußt einen Schock erlitten und einen scharfen Schmerz gespürt haben.«

»Oh, ich glaube, Louis Wu wäre wahrscheinlich noch in seinem fünfzigsten Lebensjahr in ein hysterisches Geschrei ausgebrochen. Aber was soll's. Ich wußte, daß der Autodock griffbereit in der Nähe war. Weshalb fragst du?«

»Zunächst nahm ich an, du hättest die Courage eines Kzin. Doch dann schob ich deine Reaktion auf deine Wonnestrom-Sucht. Vermutlich hat sie dein Gehirn für kleinere Reize unempfindlich gemacht.«

»Bleiben wir lieber bei der ersten Version. Es war Courage. Okay? Wie bist du allein zurechtgekommen?«

»Ausgezeichnet.« Der Kzin deutete auf den Monitor. »Erde. Kzin. Jinx — die zwei Kegel, die sich bis über die Atmosphäre hinaufschieben, entsprechen dem Ost — und Westpol des Planeten Jinx. Das gilt auch für den Mars. Das ist Kdat, der Sklaven-Planet...»

»Das stimmt nicht mehr.«

»Die Kdatlyno waren unsere Sklaven. Die Pierin ebenfalls. Das dort drüben ist ihre Heimatwelt, glaube ich. Diese Inselgruppe dort solltest du eigentlich kennen: ist das nicht der Heimatplanet der Trinocs?«

»Ja, und sie haben auch ihren Nachbarplaneten besiedelt, soviel ich weiß. Wir können ja den Hintersten fragen, ob er eine Weltkarte des Kolonialplaneten besitzt.«