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»Unsere Theorie ist hinreichend bewiesen.«

»Einverstanden. Okay, was ist der Sinn des Ganzen? Ganz gewiß ist es nicht eine Liste von erdähnlichen Welten. Außerdem befinden sich ein halbes Dutzend Inselgruppen im Ozean, die ich nicht zu identifizieren vermag.«

Chmeee schnaubte: »Selbst die primitivste Intelligenz sieht den Sinn des Ganzen sofort ein, Louis. Es ist ein Bilderverzeichnis der potentiellen Gegner, intelligenter oder fast intelligenter Wesen, die eines Tages die Ringwelt bedrohen könnten. Pierin, Kzinti, Martianer, Menschen, Trinocs.«

»Aber die Jinx passen nicht in dieses Bild. Oh. Chmeee, sie haben doch nicht angenommen, daß die Bandersnatchi eines Tages mit Kriegsschiffen hier landen würden. Sie sind so groß wie Dinosaurier und besitzen keine Hände. Und Down hat ebenfalls intelligente Wesen. Wo ist Down?«

»Dort!« »Ja. Das ist schon beeindruckend. Die Grogs erscheinen mir allerdings keine Bedrohung darzustellen. Sie verbringen ihr ganzes Leben im Sitzen auf einem Felsen.«

»Die Ringwelt-Baumeister haben auf ihrem Streifzug durch das Universum alle diese Gattungen entdeckt und sie hier als Landkarten im Großen Ozean festgehalten, um ihre Nachkommen vor ihren möglichen Feinden zu warnen. Stimmst du mir soweit zu? Aber ich kann die Welt der Puppetier auf dem Ozean nicht finden.«

»Oh?«

»Und wir wußten, daß sie auf Jinx gelandet sind. Bei unserer ersten Expedition entdeckten wir das Skelett eines Bandersnatch.«

»Richtig. Vermutlich sind sie auf allen diesen Welten gelandet.«

Die Lichtqualität änderte sich, und Louis sah, daß die Schattenblende sich antispinnwärts entfernte. »Wir können bald landen«, sagte er.

»Und wo?«

Das Sonnenblumenfeld vor ihnen füllte sich mit Sonnenlicht. »Drehe nach links ab und folge der Linie des Terminators. Fliege so weit, bis du wieder Land unter dir siehst. Wir wollen noch vor der Morgendämmerung niedergehen.«

Chmeee lenkte das Raumfahrzeug in eine weite Kurve. Louis deutete nach vom. »Siehst du, wie sich dort das Sonnenblumenfeld an den Ufern des Sees voranschiebt? Diese Pflanzen haben offenbar Mühe, ein Gewässer zu überqueren. Wir landen auf dem anderen Ufer.«

Das Fahrzeug tauchte in die Atmosphäre ein. Eine Flammenschicht zog sich um die Zelle des Raumfahrzeuges und verdeckte die Aussicht mit gleißendem Licht. Chmeee blieb in großer Höhe, verzögerte die Geschwindigkeit nur allmählich und ging tiefer, wenn die Reibungshitze nachließ. Der See blieb unter ihnen zurück. Wie alle Gewässer der Ringwelt besaß er eine reich gegliederte Küste mit vielen Buchten und Stränden, die sacht hinunterfielen zum Seeboden, der überall die gleiche Tiefe aufwies. An der Küste entdeckten sie Wälder aus Seetang und zahllose Inseln mit reinem weißen Sand am Ufer. Eine weite Grasebene reichte antispinnwärts bis an diesen See heran.

Die Sonnenblumenplage hatte an zwei Seiten zur Attacke angesetzt, um den See zu umzingeln. Ein Fluß schlängelte sich in S-Kurven durch die Sonnenblumen bis zu einem Delta, wo er in den See mündete. Auf der Backbordseite säumten die Sonnenblumen bereits das Ufer eines sumpfigen Flusses, der offenbar das Wasser wieder aus dem See ableitete. Die Pflanzen waren unerbittlich auf dem Vormarsch wie die Zunge eines Gletschers.

Die Sonnenblumen entdeckten das Landungsboot.

Licht explodierte unter ihnen. Die Fenster wurden sofort schwarz, ließen Louis und Chmeee geblendet auf ihren Sitzen.

»Keine Angst«, sagte Chmeee, »in dieser Höhe können wir mit nichts zusammenstoßen.«

»Die blöden Pflanzen verwechselten uns vermutlich mit einem Vogel. Kannst du schon wieder etwas sehen?«

»Ja. Die Instrumente.«

»Geh auf eine Höhe von fünf Meilen. Häng die Dinger ab!«

Fünf Minuten später wurden die Fenster wieder klar. Hinter ihnen war der Horizont gleißend hell erleuchtet; die Sonnenblumen versuchten immer noch, sie abzuschießen. Vor ihnen. ja, das war es! »Ein Dorf.«

Chmeee ging noch tiefer, damit sie die Anlage deutlicher sehen konnten. Das Dorf bestand aus einem geschlossenen Doppelring von Hütten. »Wollen wir genau in der Mitte landen?«

»Nicht ratsam. Landen wir am Rand, obwohl ich mir wünschte, ich wüßte, wovon sie sich ernähren.«

»Ich werde schon nichts anbrennen.«

Eine Meile über dem Dorf bremste Chmeee das Landungsboot mit dem Fusionsantrieb ab. Er landete auf diesem hohen grasartigen Zeug, das auf dieser Ebene wuchs. Im letzten Augenblick sah Louis, wie sich das Gras bewegte — sah drei Objekte, die grünen Zwergelefanten ähnelten, sich aus dem Gras erheben. Sie reckten kurze, flache Rüssel in die Luft und warnten sie mit schmetternden Trompetenstößen. Dann galoppierten sie davon.

»Die Bewohner des Dorfes müssen Hirten sein«, sagte Louis. »Wir haben eine Stampede ausgelöst.«

Noch mehr grüne Elefanten schlossen sich der flüchtenden Herde an. »Nun, gute Flucht, Captain.«

Die Instrumente zeigten eine erdverwandte Atmosphäre an. Das war keine Überraschung. Louis und Chmeee zogen sich die Schutzpanzer an: ein lederartiges Zeug, nicht so steif, daß es der Haut unangenehm gewesen wäre. Aber das Zeug wurde hart wie Stahl, sobald es von einem Speer, einem Pfeil oder einer Kugel getroffen wurde. Sie bewaffneten sich mit solaren Betäubungsstrahlern, Übersetzungsgeräten, Binokular-Brillen. Die Rampe trug sie hinunter in hüfthohes Gras.

Die Hütten lagen dicht beieinander und waren durch Zäune verbunden. Die Sonne stand senkrecht über ihnen. Eine Selbstverständlichkeit auf der Ringwelt. Die Dämmerung brach gerade herein, und die Eingeborenen stiegen vermutlich gerade aus ihren Betten. An der Außenseite der Hütten vermochten sie keine Fenster zu entdecken — bis auf eine Ausnahme. Es befand sich in einer Hütte, die doppelt so groß war wie die anderen, und zu diesem Fenster gehörte sogar noch ein Balkon. Vielleicht hatte man sie bereits entdeckt.

Als Chmeee und Louis auf das Dorf zugingen, zeigten sich die Eingeborenen.

Sie kamen in einer geballten Horde über den Zaun und riefen sich etwas mit Falsettstimmen zu. Sie waren klein, rothäutig und von menschlichem Aussehen. Sie rannten wie die Teufel.

Sie hatten sich mit Netzen und Speeren bewaffnet. Louis sah, wie Chmeee seinen Strahler aus dem Gürtel zog und folgte seinem Beispiel. Die roten Humanoiden rasten an Louis und Chmeee vorbei, ohne sie zu beachten. Chmeee sagte: »Hat man uns soeben beleidigt?« »Nein. Sie rennen natürlich den Elefanten hinterher, um die Stampede aufzuhalten. Zweifelsohne haben sie einen gesunden Sinn für die Reihenfolge von Dringlichkeiten. Gehen wir in das Dorf. Vielleicht ist jemand zu Hause geblieben.«

Jemand war zu Hause geblieben. Ein paar Dutzend rothäutige Kinder beobachteten sie durch die Zaunlatten, als sie näher kamen. Es waren magere Kinder; selbst die Babys waren so schlank wie Windhund-Welpen. Louis blieb am Zaun stehen und lächelte auf sie hinunter. Sie beachteten ihn kaum. Die meisten hatten nur Augen für Chmeee.

Der freie Platz im Rundling bestand aus nackter, gestampfter Erde. Ein paar rußige Steine markierten ein ausgebranntes Lagerfeuer. Ein einbeiniger rothäutiger Mann kam aus einer Hütte heraus und näherte sich ihnen mit Hilfe einer Krücke. Er hüpfte wie ein Känguruh. Er trug einen Kittel aus Wildleder, der mit dekorativen Fransen besetzt war. Seine großen Ohren standen vom Kopf ab, und eines seiner Ohrläppchen mußte schon vor langer Zeit verstümmelt worden sein. Seine Zähne waren spitz zugefeilt: waren sie das? Die Kinder lachten jetzt, und ihre Zähne waren auch spitz. Sogar die Babys hatten Haifischzähne. Nein. Sie mußten von Natur aus so gewachsen sein.

Der alte Mann hielt am Zaun. Er lächelte und stellte eine Frage.

»Ich beherrsche eure Sprache noch nicht«, erwiderte Louis.