Und Chmeee, der den Übersetzer abgeschaltet hatte, sprach mit leiser Stimme: »Wenn du dir eine andere Partnerin aussuchen möchtest, mußt du es gleich sagen.«
»Nein, sie sind ungefähr alle gleich. attraktiv.«
»Wir können trotzdem diese Situation abrupt beenden. Du mußt verrückt gewesen sein, als du ihnen Hilfe gegen die Sonnenblumen versprachst!«
»Ich kann mein Versprechen einlösen. He, möchtest du dich nicht an ihnen für deinen verbrannten Pelz rächen?«
»Rache an einer Pflanze? Du bist wirklich plemplem. Unsere Zeit ist kostbarer als Geld, und in einem Jahr sind sie sowieso alle tot. Sonnenblumen, Riesen, kleine rote Fleischfresser, alle!«
»Ja.«
»Deine Hilfe ist also gar keine Hilfe, wenn sie wüßten, was ihnen blüht. Wie lange wird dieses Projekt dauern? Einen Tag? Einen Monat? Du sabotierst dein eigenes Projekt.«
»Vielleicht bin ich verrückt. Chmeee, ich muß zu meinem Wort stehen. Seit ich die Ringwelt vor dreiundzwanzig Jahren verließ, hatte ich keinen. Anlaß mehr, auf mich stolz zu sein. Ich muß beweisen.«
Der Riesenkönig fiel ihm ins Wort: »Louis wird euch selbst verkünden, daß die Tage der Feuerpflanzen gezählt sind. Er wird uns sagen, was für eine Rolle wir bei seinem Feldzug spielen müssen.«
Wu zog sich nun, wie es seiner untergeordneten Stellung entsprach, hinter den Rücken des großen Kzin zurück. Keiner von den Riesen beachtete ihn! Sie bemerkten nicht, daß er mit seiner Hand redete. Eine halbe Minute später kam die zeitverzögerte Stimme von Louis durch die Lautsprecher des Landungsbootes: »Hört mich an, denn der Tag ist gekommen, wo ihr das Reich der Feuerpflanzen für die Menschenstämme erobern werdet. Ich werde in einer Wolke vor euch herwandeln, um das große Werk zu verrichten. Folgt ihr mir mit Säcken voller Saatgut, damit auf dem Boden der Feuerpflanzen wieder ein Gras wächst, das euch satt macht.«
Beim ersten Licht der Dämmerung, als die Sonne gerade mit einer winzigen Ecke hinter der Schattenblende hervorspitzte, waren die Riesen abmarschbereit.
Sie schliefen auch wie Herdentiere, einer an den anderen gekuschelt. Der König lag in einem Kreis von Frauen, Wu zu seinen Füßen, den kleinen, halbkahlen Kopf auf die Schulter einer Frau gebettet. Seine Beine hatte er um die Knöchel eines Mannes gehakt. Der schmutzige Boden war von einer Wand zur anderen mit nacktem Fleisch und Haaren bedeckt.
Nach dem Aufwachen verließen sie das Langhaus in umgekehrter Reihenfolge, wie sie es betreten hatten. Die Schläfer, die der Tür am nächsten waren, lösten sich von ihren Hintermännern, nahmen ihr Gepäck und ihre Sichelschwerter auf und traten hinaus ins Freie. Sobald der äußerste Kreis das Langhaus verlassen hatte, kam die nächste Windung der Schläfer an die Reihe. Und so spulten sich die Riesen nach und nach durch die Tür des Langhauses, bis die Prozession mit Wu und dem Riesenkönig endete.
Draußen beim Landungsboot verabschiedete sich ein einarmiger Riese mit narbenbedecktem Gesicht hastig von Chmeee und kam im schnellen Trab zum Morgenappell vor dem Langhaus. Die Wachen der vergangenen Nacht durften im Langhaus bleiben und sich ausschlafen. Ein paar von den älteren Frauen blieben ebenfalls zu Hause.
Die Riesen starrten Wu mit offenem Mund an, als er an der Wand des Langhauses hinaufkletterte.
Das Gras und der Lehm zwischen den Holzstützen bröckelte unter seinen Füßen ab, aber das Dach lag nur dreieinhalb Meter über der Erde. Louis schob sich zwischen die Sonnenblumen hinein.
Die Pflanzen waren ungefähr dreißig Zentimeter hoch, hatten einen grünen, knotigen Stengel und eine einzige ovale Blüte, die etwa neun bis zwölf Zoll im Durchmesser haben mochte und eine spiegelnde Oberfläche besaß. Ein kurzer Blütenstengel ragte im Zentrum des Konkavspiegels hervor, der in einem dunkelgrünen Stempel endete. Die Unterseite der Blüte bestand aus einem zähen, faserigen Gewebe, einer pflanzlichen Analogie des Muskelfleisches. Und alle Blüten versuchten sofort, Louis Wu mit gebündeltem Sonnenlicht zu überschütten; aber das Sonnenlicht der heraufziehenden Dämmerung reichte noch nicht aus, um ihm auch nur leichte Brandwunden zuzufügen.
Louis packte den Stengel einiger großen Sonnenblume und rüttelte daran. Das zeigte keine Wirkung. Die Wurzeln der Pflanze hatten sich im Dachgebälk des Hauses verankert. Er zog sein Hemd aus und hielt es zwischen die Blüte und die Sonne. Die silberglänzende Blüte bewegte sich unschlüssig und faltete sich dann wie ein Schirm über dem grünen Blütenstengel zusammen.
Dann kletterte Wu wieder vom Dach herunter. Er tat es mit Geschick und Anstand, weil ihm hundert Riesen dabei zusahen. Ein weißer Lichtkegel folgte ihm bis zum Raumschiff, wo Chmeee ihn erwartete.
Der Kzin sagte: »Ich habe die halbe Nacht damit verbracht, mich mit den Wachen zu unterhalten.«
»Hast du etwas Wichtiges erfahren?«
»Sie haben grenzenloses Vertrauen zu dir, Louis. Es ist eine leichtgläubige Rasse.«
»Das traf auch für die Fleischfresser zu. Aber vielleicht taten sie nur so, als glaubten sie mir. Aus Höflichkeit.«
»Das bezweifle ich. Die Pflanzen- und Fleischfresser sind darauf vorbereitet, daß jeden Moment ein Wunder am Horizont auftauchen kann. Sie wissen, daß Wesen mit gottähnlichen Kräften in den eigenartigsten Gestalten auftreten. Ich frage mich nun, welchen Wesen wir als nächsten begegnen werden. Und die Wachen wußten, daß wir nicht der Rasse angehören, die diesen Planeten baute. Ist das ein interessanter Hinweis für uns?«
»Vielleicht. Was hast du noch erfahren?«
»Mit den anderen Stämmen wird es keine Probleme geben. Vielleicht haben sie Ähnlichkeit mit Rindviechern, aber in ihren Köpfen steckt etwas mehr Gehirn. Alle Pflanzenfresser, die im Lager zurückbleiben, werden Saatgut für jene sammeln, die das eroberte Reich der Sonnenblumen besiedeln wollen. Sie werden den jungen erwachsenen Männern, die mit dir in den Krieg ziehen, Frauen mitgeben. Etwa ein Drittel der Pflanzenfresser wird sich auf den Sonnenblumenfeldern niederlassen, wenn du deinen Zaubertrick durchgeführt hast. Die übrigen zwei Drittel werden hier auf der Ebene bleiben, weil sie dann genug Gras zu fressen haben. Soviel jedenfalls, daß sie den Elefantenherden der rothäutigen Hirten keine Konkurrenz mehr machen.«
»Okay.«
»Ich fragte ihn nach den langfristigen Wetterbedingungen.«
»Gut! Und?«
»Der Wächter ist ein betagter Mann. Er sagte mir, als er noch jung war und beide Beine hatte — ehe ihm ein ›Ogre‹ — wie sich der Übersetzer ausdrückte, das linke bis zum Schenkel amputierte —, hatte die Sonne immer die gleiche Helligkeit und jeder Tag die gleiche Länge. Und nun scheint die Sonne manchmal heller und manchmal schwächer zu sein, und wenn die Sonne sehr hell ist, scheinen auch die Tage kürzer zu sein und umgekehrt. Er kann sich auch noch genau daran erinnern, wie diese Unregelmäßigkeiten anfingen. Vor zwölf Falans, was gleichbedeutend ist mit einhundertundzwanzig Rotationen dieser Kunstwelt, gab es plötzlich eine Sonnenfinsternis. Zwei oder drei Tage lang blieb gewissermaßen die Dämmerung aus. Sie sahen damals nur die Sterne und eine Geisterflamme, die sich über ihren Köpfen ausbreitete. Und dann ging es wieder ein paar Falans so weiter, als wäre nichts geschehen. Als die Unregelmäßigkeiten eintraten, wurden sie erst viel später darauf aufmerksam. Schließlich besitzen sie keine Uhren.«
»Das klingt alles recht plausibel. Nur.«
»Aber, Louis, drei Tage lang soll die Sonne nicht aufgegangen sein. Klingt das vielleicht vernünftig?«
Louis nickte. »Es gab vermutlich eine Sonneneruption. Die Schattenblenden zogen sich dann zusammen und bildeten einen geschlossenen Ring, um die Welt vor diesen Eruptionen abzuschirmen. Vermutlich können sich die Drähte, mit denen die Sonnenblenden verbunden sind, automatisch aufspulen.«
»Dann muß der Sonnensturm, der bei den Eruptionen entstanden ist, die Ringwelt aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Und nun werden die Tage immer unregelmäßiger. Alle Rassen, mit denen die Riesen Handel treiben, sind über diese Tatsache zutiefst beunruhigt.«