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Das Landungsboot ruhte auf seinen Stützen. Chmeee stand auf und streckte sich. »Du scheinst auch der Glückslotterie deine Existenz zu verdanken, Louis. Wir können von der Annahme ausgehen, daß die Leute mit den Gewehren zu dem Volk der Maschinenbauer gehören. Es gehört zu unserer Strategie, diesen Leuten zu helfen.«

Das schien vernünftig. »Weißt du über Waffen Bescheid, die Projektile verwenden?«

»Wenn wir von der Annahme ausgehen, daß die Projektile mit chemischen Mitteln angetrieben werden, dann werden diese Projektile unseren Schutzanzug nicht durchschlagen können. Wir können daher unsere Fluggeschirre benützen, um den Turm zu erreichen. Bewaffne dich mit Betäubungsstrahlern. Wir wollen schließlich keinen Ärger mit unseren zukünftigen Verbündeten haben, indem wir sie schon bei unserer ersten Begegnung umbringen.«

Als sie das Landungsboot verließen, herrschte draußen schon Nacht. Der Himmel hatte sich mit Wolken überzogen. Trotzdem vermochte man hinter der Wolkendecke den Bogen der Ringwelt als schwachschimmerndes, weites Band zu erkennen. Die schwebende Stadt war eine eng beieinander stehende Sternengruppe backbords. Sie konnten sich also schwerlich verirren.

Louis Wu hatte ein unbehagliches Gefühl. Der Schutzpanzer war zu steif; und die Kapuze verdeckte fast sein ganzes Gesicht. Die gepolsterten Tragriemen des Fluggeschirres beengten ihn beim Atmen, und seine Füße schleppten hinter ihm her. Doch nichts, und sei es noch so bequem, würde ihm jemals wieder so ein harmonisches Gefühl vermitteln wie der Wonnedraht. Wenigstens fühlte er sich relativ sicher.

Er hing zwischen Himmel und Erde und benützte die Schutzbrille mit den restlichtverstärkenden Gläsern.

Die Angreifer schienen wahrhaftig nicht furchterregend. Sie waren vollkommen nackt und besaßen keine Waffen. Ihre Haare waren silberfarben; ihre Haut außerordentlich blaß. Sie waren schlank und hübsch anzusehen; selbst die Männer hatten glatte, bartlose Gesichter.

Sie hielten sich in dem Schatten der Schutthalden, lösten sich nur daraus, wenn sie im Zickzack paarweise oder einzeln auf den breiten Eingang des rechteckigen Gebäudes zuliefen. Louis hatte zwanzig silberhaarige Gestalten gezählt. Elf davon waren Frauen. Fünf weitere Gestalten lagen tot auf der Straße. Andere mochten sich bereits im Gebäude aufhalten.

Die Verteidiger hatten inzwischen mit dem Schießen aufgehört. Vielleicht war ihnen die Munition ausgegangen. Sie hatten zwei Fenster als Schießscharten verwendet, die sich auf der nach vorn geneigten Seite des Turmes befanden, und zwar im sechsten Stockwerk, soweit Louis das beurteilen konnte. Alle Fenster in dem Wolkenkratzer-Turm waren zerbrochen.

Louis lenkte ganz dicht an die schwebende Tigergestalt des Kzin heran. »Wir dringen von der Rückseite in das Gebäude ein. Wir stellen die Handscheinwerfer auf die geringste Energie und breiteste Öffnung. Ich gehe zuerst, weil ich ihnen zum Verwechseln ähnlich sehe. Okay?«

»Okay«, erwiderte Chmeee.

Die Fluggeschirre arbeiteten nach dem gleichen Repulsionsprinzip wie das Landungsboot. Im Tornistergerät befanden sich kleine Repulsionsdüsen, die mit dem Scrith reagierten. Louis schwebte in einer Kurve auf die Rückseite des Wolkenkratzers zu, bewegte den Kopf zur Seite, um sich zu vergewissern, daß Chmeee ihm folgte. Hoffentlich habe ich auch das richtige Stockwerk erwischt, dachte er, als er durch ein offenes Fenster das Gebäude enterte.

Er befand sich in einem großen, leeren Zimmer. Als er die Luft einatmete, reizte sie seine Schleimhäute. Da waren Polstermöbel, die aus Gurten bestanden, doch die Gurte waren längst zu Staub zerfallen. In der Mitte des Raumes stand ein langer Glastisch. Das Glas war zersprungen. Auf dem abschüssigen Fußboden lag etwas Formloses, das sich als Tornister mit Tragriemen entpuppte. Sie waren also hier gewesen. Und dieser Geruch.

»Kordit«, sagte Chmeee. »Chemischer Treibstoff. Wenn sie auf uns schießen, bedeckst du deine Augen.« Der Kzin bewegte sich auf die Tür zu. Er preßte sich gegen die Wand und stieß die Tür auf. Dahinter war eine Toilette. Leer.

Eine größere Tür hing in den Angeln, zeigte in die Richtung, in die das Gebäude verkantet war. Den Betäubungsstrahler in der einen Hand, den Handstrahler-Laser in der anderen, bewegte sich Louis durch diese offene Tür. Er spürte eine wachsende Erregung, die seine Furcht verdrängte.

Hinter der prächtig geschnitzten Holztür befand sich eine breite spiralförmig angelegte Treppe, die sich unter ihm im Dunklen verlor. Louis leuchtete an den Windungen der Treppe entlang, bis die Spirale sich im Erdgeschoß des Gebäudes in Schutt auflöste. Der Lichtstrahl brach sich an einer Waffe mit Schulterstütze, die man mit zwei Händen bedienen mußte, an einer Schachtel, um die herum winzige goldene Zylinder verstreut lagen. Etwas tiefer lag noch eine Waffe. Ein Rock, der mit Tragschlaufen versehen war. Noch mehr Kleidungsstücke auf der Spirale darunter. Eine menschliche Gestalt ganz unten, wo die Treppe abgeknickt war — ein nackter Mann, der offenbar dunkelhäutiger und muskulöser war als die Angreifer.

Louis' Aufregung hatte sich ins Unerträgliche gesteigert. War es das, was er die ganzen Jahre über gesucht hatte? Nicht den Wonnestecker, sondern Lebensgefahr, um sich selbst bestätigen zu können? Louis stellte die Düsen seines Fluggeschirrs neu ein und sprang über das Geländer in die Tiefe. Er fiel langsam nach unten. Da war nichts Menschliches auf den Treppenstufen, nur Gegenstände, die offenbar auf der Flucht weggeworfen worden waren: anonyme Kleidungsstücke, Waffen, Stiefel, noch ein Tornister. Louis sank von Stockwerk zu Stockwerk und wußte plötzlich, daß er das Richtige gefunden hatte. Eine rasche Drehung an dem Regler seines Fluggeschirrs, und er flog waagrecht durch einen Korridor, einen Geruch verfolgend, der sich radikal von dem Gestank unterschied, den Chmeee als Kordit bezeichnet hatte.

Er befand sich jetzt außerhalb des Wolkenkratzers. Fast wäre er mit voller Wucht gegen eine Wand geflogen. Er schwebte durch das niedrige, erdgebundene Gebäude, das dem Wolkenkratzer als Stütze diente. Irgendwo mußte er sein Licht verloren haben. Er drehte an dem Binokular seiner Schutzbrille und wandte sich nach rechts, dem Licht zu.

Da lag eine tote Frau auf der Schwelle einer breiten Tür: sie gehörte zu den Angreifern. Blut war aus einer Projektilwunde in ihrer Brust geflossen. Louis empfand eine tiefe Trauer für sie. und eine Erregung, die ihn mit sich fortriß, so daß er über sie hinwegflog, durch zwei weitere Türen und dann durch ein Fenster ins Freie.

Der durch den Restlichtverstärker betrachtete Bogen der Ringwelt schimmerte hell durch die Wolkendecke. Er hatte endlich die Angreifer gefunden, und auch die Verteidiger. Sie waren paarweise beisammen — die schlanken, blassen Gestalten mit den stämmigen Dunkelhäutigen, die immer noch Reste einer Bekleidung trugen — einen Stiefel, eine Mütze oder ein zerrissenes Hemd. In dem Taumel der Paarung beachteten sie den fliegenden Mann überhaupt nicht.

Doch eine von den silberhaarigen Frauen hatte noch keinen Partner gefunden. Als Louis knapp über dem Boden schwebte, streckte sie den Arm aus und faßte ihn am Fußknöchel. Sie tat es mit einer ungezwungenen, fast anmutigen Bewegung, ohne die geringste Furcht zu zeigen. Sie war sehr blaß, und das von den silbernen Haaren eingerahmte feingemeißelte Gesicht war unglaublich schön.

Louis schaltete sein Fluggeschirr ab und ließ sich neben ihr auf die Erde fallen. Er nahm sie in seine Arme. Ihre Hände tasteten suchend über seine seltsame Kleidung. Louis ließ den Lähmungsstrahler fallen, zog seine Weste und sein Fluggeschirr aus — seine Finger waren viel zu plump, dünkte ihm — seinen Schutzpanzer, seine Unterwäsche. Er nahm sie ohne Finesse. Sein Trieb war viel stärker als jedes Gefühl der Rücksichtnahme. Aber ihre Begierde war genauso stark wie seine.