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Fortaralisplyar legte eine Reihe von Silbermünzen auf den Schreibtisch, verbeugte sich vor Louis und verschwand. Die Bibliothekarin wandte sich wieder ihrem Leseschirm zu. (Harkabeeparolyn. Er war es nämlich satt, sich sechssilbige Namen zu merken, aber diesen sollte er doch einmal auswendig lernen.) Harkabeeparolyn blickte sich um, als Louis sagte: »Es gibt einen bestimmten Ort, den ich gerne aufsuchen möchte.«

»Hier in der Bibliothek?«

»Hoffentlich. Vor einigen Jahren sah ich so einen Raum, den ich Ihnen jetzt beschreibe: Ich stand im Mittelpunkt eines Kreises, und der Kreis war diese Welt. Der Schirm im Mittelpunkt drehte sich, und man konnte jeden Teil dieser Welt in der Vergrößerung betrachten.«

»Wir haben einen Kartenraum. Gehen Sie die Treppe ganz nach oben.« Sie wandte sich wieder ab.

Eine enge Wendeltreppe aus Metall wand sich um die Mittelachse der Bibliothek. Da die Treppe nur am unteren und oberen Ende befestigt war, bog sie sich kräftig unter seinem Gewicht durch, als er sie erkletterte. Er kam an Türen vorbei, die mit Goldbuchstaben versehen waren. Sie waren alle verschlossen. In den oberen Stockwerken führten Torbogen zu langen Reihen von Leseschirmen, vor denen Stühle standen. Louis zählte sechsundvierzig Städtebauer, die vor den Lesegeräten saßen, und zwei ältliche Vertreter des Maschinen-Volkes, dazu noch ein untersetztes, sehr haariges Männchen unbestimmter Rasse und eine Koboldfrau, die ganz alleine in einem Leseraum saß.

Das oberste Stockwerk wurde von dem Kartenzimmer eingenommen. Er wußte sofort Bescheid, als er das Zimmer betrat.

Sie hatten das erste Kartenzimmer in einem verlassenen fliegenden Palast entdeckt. Die Wand des Kartenzimmers war ein Ring aus blauer Farbe, der mit weißen Punkten gesprenkelt war. Da waren auch Globen gewesen von zehn Welten mit Sauerstoffatmosphäre und ein Schirm, der vergrößerte Ausschnitte der Ringwelt zeigte. Aber die Szenen, die dort abgebildet wurden, waren schon mehrere tausend Jahre alt. Sie hatten ihm eine vitale Ringwelt-Zivilisation vorgegaukelt: Städte mit hellerleuchteten Gebäuden; Magnetfahrzeuge, die durch Ringschlaufen auf der Mauerkrone rasten; Flugzeuge von der Größe dieser Bibliothek; Raumschiffe, die mindestens zehnmal so groß waren.

Damals hatten sie nicht nach einem Reparaturzentrum gesucht. Sie hatten nur nach einem Fluchtweg von der Ringwelt Ausschau gehalten. Dazu hatten sich diese uralten Bänder natürlich nicht geeignet.

Zudem hatten sie es viel zu eilig gehabt. Also: dreiundzwanzig Jahre später versuchen wir es noch einmal in einer anderen Notlage.

Louis Wu trat aus dem Treppenhaus in den Mittelpunkt der Ringwelt hinein, die an der kreisrunden Wand schimmerte. Wo normalerweise die Sonne ihren Platz hatte, war jetzt Louis Wus Kopf. Die Karte der Ringwelt war sechzig Zentimeter groß und besaß einen Durchmesser von ungefähr hundertzwanzig Metern. Die Sonnenblenden hatten dieselbe Höhe, waren aber dem Zentrum viel näher, schwebten als Rechtecke von der Fläche von mehr als tausend Quadratfuß über einem pechschwarzen Fußboden, der mit Tausenden von Sternen gesprenkelt war. Auch die Decke war pechschwarz und zeigte Abertausende von Sternen.

Louis ging auf eine der Sonnenblenden zu und dann durch dieses Quadrat hindurch. Selbstverständlich waren das Hologramme. Auch die Sonnenblenden in dem Kartenraum, den er vor dreiundzwanzig Jahren betreten hatte, waren Hologramme gewesen. Aber in diesem Raum gab es keine Globen von erdähnlichen Welten.

Er drehte sich um, um sich den Rücken der Schattenblenden anzusehen. Er konnte keine Einzelheiten unterscheiden. Da war nichts als ein leicht nach innen gewölbtes pechschwarzes Rechteck.

Der Vergrößerungsschirm war besetzt.

Das war ein rechteckiger Schirm, der neunzig mal sechzig Zentimeter maß, mit Schaltern unter dem Rahmen und einem Laufgestell, das sich auf einer kreisrunden Schiene bewegen ließ, die zwischen den Sonnenblenden und der Ringwelt angeordnet war. Ein Junge stand vor dem Schirm, auf dem die vergrößerte Ansicht einer Bussard-Rammdüse abgebildet war. Die Bussard-Steuerdüse war in Betrieb, erglühte am Heck in einem gleißenden bläulichen Licht. Der Junge versuchte offenbar zu erkennen, was sich hinter dieser Steuerdüse befand.

Er mußte gerade erst mannbar geworden sein. Sehr dünnes, flaumiges braunes Haar bedeckte seinen Kopf, verdichtete sich erst über dem Nacken zu einer Mähne. Er trug die blaue Robe eines Bibliothekars. Sein Kragen war sehr breit, rechteckig geschnitten und wies eine einzige Kerbe auf. Louis fragte:

»Darf ich Ihnen über die Schulter sehen?«

Der junge Mann drehte sich um. Seine Gesichtszüge waren sehr schwach ausgeprägt, fast unlesbar, ein Rassemerkmal fast aller Städtebauer. Aber diese schwachgeprägten Züge ließen ihn älter erscheinen. »Steht Ihnen ein solches Wissen zu?«

»Der Lyar-CIan hat mir alle Privilegien dieser Bücherei erkauft.«

»Oh.« Der Junge drehte sich wieder dem Schirm zu. »Auch Sie werden auf dem Schirm nichts erkennen können. Und in zwei Tagen schalten sie die Rammen wieder ab.«

»Was wollen Sie denn beobachten?«

»Die Reparaturmannschaft.«

Louis blinzelte in das grelle Licht der Steuerdüsen. Ein blauweißer Lichtsturm wehte über den Schirm hin, der in seinem Mittelpunkt ein schwarzes Loch aufwies. Die Steuerdüse selbst war ein schwacher rosiger Punkt im Mittelpunkt des schwarzen Loches.

Elektromagnetische Kraftlinien fingen den heißen Wasserstoff der Sonnenwinde ein, leiteten ihn in eine bestimmte Richtung und komprimierten ihn bis zur Fusionstemperatur. Und dann stießen sie die durch die Kernverschmelzung entstandene Energie wieder in Richtung der Sonne aus. Maschinen bemühten sich in starrsinniger Sisyphusarbeit, die Ringwelt im unwiderstehlichen Sog der Schwerkraft ihrer Sonne festzuhalten, aber auf dem Schirm sah man nur ein blauweißes Licht und einen rosafarbenen Punkt auf der schwarzen Linie der Ring-Welt-Mauer.

»Sie sind fast fertig damit«, sagte der Junge. »Wir dachten, sie würden uns zu Hilfe rufen, aber sie ließen sich nicht bei uns sehen.« Die Stimme des Jungen klang nachdenklich.

»Vielleicht verfügt ihr hier nicht über die Werkzeuge, um ihre Stimmen zu empfangen.« Louis versuchte, seine Stimme ruhig zu halten. Eine Reparaturmannschaft! »Zudem gibt es dort nichts mehr zu tun. Sie haben keine Motoren mehr.«

»Nein. Sehen Sie.« Der Junge setzte den Beobachtungsschirm in Bewegung. Das Okular raste an der Mauerkrone entlang und hielt plötzlich an der Stelle an, die ein gutes Stück von den blauen Flammen entfernt war. Louis sah Metallstücke, die von der Mauerkrone herunterfielen.

Er betrachtete den Vorgang, bis er sich sicher war. Diese Metallstücke, ein großer, wie eine Spindel geformter Zylinder — das waren die zerlegten Bestandteile, die er bereits durch das Teleskop der Heißen Nadel betrachtet hatte. Das war das Gerüst, mit dessen Hilfe die Steuerdüsen wieder in die Halterungen am Rand der Ringwelt-Mauer eingehängt wurden.

Die Reparaturmannschaft mußte diese Ausrüstung verzögert haben, bis es die solare Umlaufgeschwindigkeit erreicht hatte. Dazu hatten sie einen Teil des Magnetring-Transportsystems benützt. Aber wie wollten sie diesen Prozeß umkehren? Die Maschine mußte am Ziel wieder auf die Rotationsgeschwindigkeit der Ringwelt beschleunigt werden.

Erreichten sie das durch Reibung mit der Atmosphäre? Diese Materialien konnten vielleicht genau so widerstandsfähig sein wie Scrith. Falls ja, würde ihnen die Reibungshitze nichts anhaben.

»Und hier.« Der Schirm bewegte sich wieder, diesmal spinnwärts auf die Raumhafen-Rampe auf der Ringmauer zu. Auf dem Schirm tauchten die vier großen Raumschiffe der Städtebauer auf. Heiße Nadel war ein kleiner heller Fleck daneben. Louis hätte ihn selbst in der Vergrößerung übersehen, wenn er nicht gewußt hätte, wo er das Raumschiff suchen mußte: eine Meile von dem Raumschiff entfernt, das immer noch eine Bussard-Rammdüse auf seiner Außenhaut trug.