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»Ich beobachtete ihn durch die Kameras des Landungsbootes, als er die Weltkarte von Kzin umkreiste. Er fand dort ein geräumiges, seetüchtiges Schiff.«

»Ich fand das ebenfalls.«

»Und deine Schlüsse?«

»Sie versuchten, die anderen Weltkarten zu erforschen oder zu kolonisieren.«

»Ja. Im bekannten Weltall haben die Kzinti schließlich auch andere stellare Systeme erobert. Auf der Weltkarte von Kzin müssen sie neugierig geworden sein, was am anderen Ende des Ozeans liegt. Natürlich halte ich es nicht für wahrscheinlich, daß sie auch hier die Raumfahrt entwickelten.«

»Nein.« Der erste Schritt auf dem Weg zur Raumfahrt ist der Versuch, ein Objekt in eine Umlaufbahn zu bringen. Auf der Welt von Kzin betrug die niedrigste Umlaufgeschwindigkeit ungefähr sechs Meilen pro Sekunde. Auf der Weltkarte des Kzin hätte man für eine Umlaufgeschwindigkeit den Gegenstand auf siebenhundertsiebzig Meilen pro Sekunde beschleunigen müssen. »Sie können auch nicht sehr viele von diesen Riesenschiffen gebaut haben. Woher wollten sie die Metalle für diese Wasserfahrzeuge hernehmen? Und eine Seereise mit so einem Schiff dauerte im besten Fall Jahrzehnte. Ich frage mich sogar woher sie wissen konnten, daß es noch andere Weltkarten auf diesem Ozean gibt.«

»Vielleicht schossen sie teleskopische Kameras mit Raketen in den Weltraum. Die Kameras mußten aber sehr rasch arbeiten. Eine ballistische Rakete erreicht keinen Orbit. Sie steigt in die Stratosphäre und fällt dann wieder herunter.«

»Ich frage mich, ob sie sogar bis zur Weltkarte der Erde vorgestoßen sind? Immerhin liegt sie noch hunderttausend Meilen jenseits des Mars. und Mars eignet sich nur sehr schlecht als Aufmarschgebiet für eine große Invasion.« Was würden die Kzinti auf der Weltkarte der Erde gefunden haben? Nur einen Homo habilis oder etwa auch Pak-Protektoren? »Ich entdeckte auch eine Weltkarte von Down auf Steuerbord, aber ich kenne die Welt nicht, die antispinnwärts liegt.«

»Wir kennen sie. Die Eingeborenen sind kommunale Intelligenzen. Wir erwarten, daß sie niemals die Entwicklungsstufe der Raumfahrt erreichen. Ihre Schiffe müßten einen ganzen Bienenstaat transportieren.«

»Gastfreundlich?«

»Nein. Sie würden sich heftig gegen die Kzinti gewehrt haben. Und die Kzinti haben eindeutig den Versuch aufgegeben, den Großen Ozean zu erobern. Sie scheinen dieses Riesenschiff nur noch zur Blockade ihres Hafens zu benutzen!«

»Ja. Ich vermute, dort befindet sich auch der Regierungssitz. Du hattest aber anfangs von Chmeee gesprochen.«

»Zunächst kreiste er über der Weltkarte von Kzin, um die Lage zu erkunden. Dann schwebte er über dem großen Schiff. Flugzeuge stiegen auf und griffen ihn mit Explosiv-Raketen an. Chmeee ließ das zu, und die Raketen konnten ihm auch nichts anhaben. Dann zerstörte Chmeee vier Flugzeuge. Die übrigen setzten ihre Angriffe fort, bis ihr Waffen- und Treibstoffvorrat erschöpft war. Als sie zu dem großen Schiff zurückkehrten, folgte Chmeee ihnen zum Landedeck. Das Landungsboot befindet sich im Augenblick auf dem Landedeck des Riesenschiffes. Dort werden die Angriffe gegen Chmeees Landungsboot fortgesetzt. Louis, sucht er Verbündete gegen mich?«

»Falls es dich beruhigen kann — er wird auf der Weltkarte von Kzin nichts finden, das einer General-Product-Zelle etwas anhaben könnte. Diese Burschen können ja nicht einmal das Landungsboot knacken.«

Es folgte eine lange Pause. Dann: »Vermutlich hast du recht. Die Flugzeuge verwendeten mit Wasserstoff angetriebene Düsen und Raketen, die von chemischen Exposivstoffen angetrieben werden. Jedenfalls muß ich dich jetzt selbst retten. Du mußt dich darauf vorbereiten, daß die Sonde mit Einbruch der Abenddämmerung dich abholt.«

»Und was dann? Da liegt immer noch die Ringmauer dazwischen. Du sagtest mir; die Transportscheiben könnten das Scrith-Material nicht durchdringen.«

»Ich habe die zweite Sonde mit Transportscheiben ausgerüstet. Sie wartet auf der Ringmauer als Relaisstation.«

»Wenn du es sagst, wird es so sein. Ich befinde mich in einem Gebäude an der Backbord-Spinnwärts-Peripherie der Stadt. Das Dach ist geformt wie ein stumpfer Kegel. Stelle die Sonde so ein, daß sie über dem Gebäude schwebt, bis wir uns einig sind, was mir ihr geschehen soll. Ich bin nicht sicher, daß ich bereits heute abend wieder abreisen möchte.«

»Das mußt du aber.«

»Aber alle Antworten, die wir brauchen, könnten sich direkt vor meiner Nase hier in der Bibliothek befinden!«

»Und hast du bereits etwas gefunden?«

»Bisher nur Bruchstücke. Aber alles, was Halrloprillalars Artgenossen erforscht und erfunden haben, ist irgendwo in diesem Gebäude versteckt. Ich möchte auch die Kobolde ausfragen. Sie sind die Müll- und Aasbeseitiger, und sie scheinen überall auf dieser Welt zu sein.«

»Bisher hast du nur gelernt, noch mehr Fragen zu stellen. Also gut, Louis. Du hast mehrere Stunden Zeit für deine Nachforschungen. Und mit dem Einbruch der Abenddämmerung kommt die Sonde zu dir.«

22. Der Diebstahl

Die Kantine befand sich in der Mitte des Gebäudes. Louis bedankte sich für eine kleine Glückssträhne: die Städtebauer waren Allesesser. Das Eintopfgericht, das aus Fleisch und Pilzen bestand, hätte etwas mehr Salz vertragen; doch es füllte wenigstens das Vakuum in seinem Magen.

Niemand hatte hier wohl Bedürfnis nach Salz. Und alle Meere auf dieser Welt bestanden aus Süßwasser, wenn man von den beiden Großen Ozeanen einmal absah.

Vielleicht war er der einzige Hominide auf der Ringwelt, der Salz benötigte, und ohne dieses Mineral konnte er auf die Dauer nicht auskommen.

Er aß rasch. Die Zeit saß ihm im Nacken. Der Puppetier war schon ganz hippelig. Es war fast schon ein Wunder, daß er noch nicht geflohen und Louis, den abtrünnigen Chmeee und die Ringwelt ihrem Schicksal überlassen hatte. Louis empfand sogar einen gewissen Respekt vor dem Puppetier, daß er seine artspezifische Angst unterdrückte, um sein gekidnapptes Besatzungsmitglied zu retten.

Doch der Puppetier konnte rasch seinen Mut verlieren, wenn er die Reparaturmannschaft auf sich zukommen sah. Louis beabsichtigte, auf die Heiße Nadel zurückzukehren, ehe der Hinterste sein Teleskop in diese Richtung drehte.

Er kehrte in die oberen Räume der Bibliothek zurück.

Die Leseschirme, die er ausprobierte, zeigten ihm nur unverständliche Texte ohne Bilder und Stimme. Schließlich entdeckte er vor einer Schirmbildwand eine ihm vertraute Robe mit einem gekerbten Kragen.

»Harkabeeparolyn?«

Die Bibliothekarin drehte sich um. Kleine flache Nase; Lippen, so dünn wie Messerrücken; kahler Scheitel und ein hübsch geformter Schädel; lange wellige weiße Haare. appetitlich gerundete Hüften und schöne Beine. Nach menschlichen Begriffen mußte sie ungefähr vierzig Jahre alt sein. Die Städtebauer alterten vielleicht langsamer als Menschen, vielleicht auch schneller; Louis wußte das nicht.

»Ja?«

Ihre Stimme klang ungehalten. Louis zuckte zusammen. Er sagte: »Ich brauche einen Schirm mit einem Stimmencomputer und ein Leseband, das mir die Eigenschaften des Scrith beschreibt.«

Sie runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was Sie meinen. Einen Stimmen-Computer?«

»Ich möchte, daß das Leseband seinen Text laut vorliest.«

Harkabeeparolyn starrte ihn an, dann lachte sie. Sie versuchte, das Lachen noch zu ersticken, aber es gelang ihr nicht mehr. Dafür war es auch zu spät. Sie waren bereits im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. »So etwas haben wir nicht. So etwas hat es nie gegeben«, versuchte sie zu flüstern, aber das Kichern gewann wieder die Oberhand und formulierte den nächsten Satz mit unerwünschter Lautstärke: »Wieso, können Sie nicht lesen?«

Blutiger Tanj! Louis spürte, wie ihm das Blut in die Ohren und den Nacken stieg. Die Kenntnisse des Lesens und des Schreibens waren selbstverständlich für ein gebildetes Wesen, und früher oder später lernte jeder das Lesen, wenigstens Texte, die in Interworld abgefaßt waren. Aber diese Kenntnisse waren nicht lebenswichtig. Jede Welt hatte ihre Stimmen-Computer! Und ohne Stimmen-Computer hatte sein Übersetzer keine Möglichkeit, ihm den Text in seine Sprache umzuwandeln.