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»Ich brauche mehr Hilfe, als ich gedacht hatte. Ich brauche jemanden, der mir die Lesebänder vorliest.«

»Sie brauchen mehr, als Ihnen zusteht. Sie haben dafür nicht bezahlt. Ihr Meister muß neu verhandeln.«

Louis wollte es nicht riskieren, diese aufgebrachte, ja feindselige Frau zu bestechen. »Können Sie mir wenigstens helfen, die Lesebänder zu finden, die ich brauche?«

»Dafür haben Sie bezahlt. Sie haben sogar das Recht eingekauft, mich von meinen eigenen Nachforschungen abzulenken. Sagen Sie nur, was Sie wünschen«, sagte sie energisch. Sie drückte auf ihre Tasten, und sonderbare Schriftzeichen erschienen auf ihrem Schirm. »Die charakteristischen Merkmale des Scrith? Hier ist ein physikalischer Text. Darin sind ein paar Kapitel enthalten über die Struktur und Dynamik der Welt mit einigen Passagen über Scrith. Vielleicht ist dieser Text zu hoch für Sie.«

»Ich möchte dieses Leseband und einen Text über die Grundbegriffe der Physik.«

Sie blickte ihn zweifelnd an. »Also gut.« Sie drückte noch ein paar Tasten nieder. »Hier ist ein altes Band für Ingenieur-Studenten über die Konstruktion des Ringtransportsystems auf der Ringwelt-Mauer. Heute ist es aber nur noch von historischem Interesse; aber vielleicht können Sie noch etwas daraus lernen.«

»Das Band möchte ich haben. Sind Ihre Leute auch schon mal unter dieser Welt gewesen?«

Harkabeeparolyn reckte sich. »Ich bin überzeugt, daß wir dort gewesen sind. Wir beherrschten diese Welt und die Sterne, und zwar mit Maschinen, vor denen die Maschinen-Leute in Ehrfurcht erstarren würden, wenn wir sie noch besäßen.« Sie drückte erneut auf die Tasten. »Aber leider gibt es keine schriftlichen Zeugnisse über den von Ihnen eben erwähnten Vorgang. Was wollen Sie mit allen diesen Bändern anfangen?«

»Das weiß ich jetzt noch nicht. Können Sie mir auch helfen, den Ursprung der alten Unsterblichkeits-Droge aufzuspüren?«

Diesmal lachte Harkabeeparolyn leise, fast angenehm. »Ich bezweifle, daß Sie so viele Buchspulen auf einmal tragen können. Die Erfinder des Lebenselixiers bewahrten ihr Geheimnis bis zum Tod. Alle, die darüber schrieben, haben das Elixier nie gefunden. Aber ich kann Ihnen religiöse Texte geben, Polizeiberichte, Erzählungen von Hochstaplern und Betrügern, die behaupteten, das Rezept des Lebenselixiers zu besitzen, und Berichte von Expeditionen, die die Welt nach dieser Droge absuchten. Hier ist zum Beispiel eine Geschichte von einem unsterblichen Vampir, der die grasessenden Riesen tausend Falans lang heimsuchte, mit den Jahren immer gerissener wurde, bis.«

»Nein.«

»Man fand nie seinen Schatz mit dem Lebenselixier. Also nicht. Dann wollen wir mal weitersehen. das Ktistek-Gebäude schloß sich dem Zehner-Klub an, weil den anderen Clans das Lebenselixier noch vor dem Ktistek-Clan ausging. Eine faszinierende Studie politischer Machenschaften.«

»Nein, lassen wir das Thema. Wissen Sie etwas von dem Großen Ozean!«

»Es gibt zwei Große Ozeane«, wies sie ihn zurecht. »Nachts kann man sie sehr leicht am Himmelsbogen erkennen. In ein paar alten Märchen wird behauptet, daß die Unsterblichkeitsdroge aus dem Ozean antispinnwärts käme.«

»Aha.«

Harkabeeparolyn lächelte ironisch. Der kleine Mund konnte sogar recht kokett aussehen. »Sie sind naiv. Man kann nur zwei topografische Details auf dem Himmelsbogen mit dem nackten Auge erkennen. Nun gab es einmal etwas Wertvolles, das aus weiter Ferne herantransportiert werden mußte und seit Jahrhunderten nicht mehr erhältlich ist — wen nimmt es Wunder, daß jemand das Märchen aufbringt, die Unsterblichkeitsdroge kam aus einem der Großen Ozeane? Wer kann das leugnen oder einen anderen Ursprung angeben?«

Louis seufzte. »Sie haben vermutlich recht.«

»Luweewu, wie können diese Fragen logischerweise miteinander verbunden sein?«

»Vielleicht sind sie es nicht.«

Sie brachte ihm die Lesespulen, die er verlangt hatte, und noch eine dazu: Ein Märchenbuch vom Großen Ozean für Kinder. »Ich kann mir nicht vorstellen, was Sie mit diesen Lesespulen anfangen wollen. Sie werden sie nicht stehlen können. Sie werden durchsucht, ehe Sie die Bibliothek wieder verlassen, und Sie können auch keine Lesemaschine mitnehmen.«

»Ich bedanke mir für Ihre Hilfe.«

Er brauchte einen Vorleser für die Bänder.

Er besaß nicht den Mut, irgendeinen Fremden anzusprechen. Vielleicht traf er einen Fremden, der ihm ein wenig vertraut war? In einem der Leseräume hatte ein Kobold gesessen. Wenn die Kobolde in der Schatten-Farm schon über Louis Wu Bescheid wußten, dann traf das vielleicht auch für diesen Kobold im Lesesaal zu.

Doch der Kobold war verschwunden und hatte nur seinen Duft zurückgelassen.

Louis ließ sich in einen Sessel vor dem Leseschirm fallen und schloß die Augen. Die für ihn wertlosen Spulen steckten in seinen Westentaschen. Noch gebe ich mich nicht geschlagen, dachte er. Vielleicht finde ich den Jungen aus dem Kartenzimmer wieder. Vielleicht kann ich Fortaralisplyar doch noch überreden, mir die Texte laut vorzulesen. Oder mir wenigstens einen Gehilfen für diesen Zweck zu schicken. Das wird natürlich einiges kosten. Alles kostet hier etwas, und sobald es etwas kostet, dauert es auch länger.

Die Lesemaschine war ein schwerer, unförmiger Kasten, der noch dazu mit einem Kabel an der Wand befestigt war. Die Hersteller dieser Maschine hatten den Superleiter-Draht nicht mehr gekannt. Louis fädelte eine Spule in den Apparat und starrte die für ihn sinnlosen Schriftzeichen an. Der Schirm zeigte nur den nackten Text. Er besaß weder einen Lautsprecher noch ein Mikrophon. Harkabeeparolyn hatte ihm die Wahrheit gesagt.

Ich darf meine Zeit nicht sinnlos verschwenden.

Louis stand auf. Ich blieb keine andere Wahl mehr.

Das Dach der Bibliothek war ein weitläufiger Garten. Die Gartenwege strahlten spiralförmig vom Mittelpunkt aus, wo die Wendeltreppe in den Dachgarten mündete. Riesige nektarerzeugende Blumen wuchsen in der fetten schwarzen Erde zwischen den Gehsteigen. Da gab es auch kleine dunkelgrüne Füllhörner mit winzigen blauen Blumen im Kelch, und ein Kissen von Zwergpflanzen, in dem die meisten »Leberwürste«-Knospen aufgebrochen waren und jetzt goldene Blütenblätter zeigten. Darüber Bäume, von denen grüngelbe Girlanden herabhingen, die aussahen wie riesige Spaghetti.

Auf den weit verstreuten Bänken saßen Paare, die Louis sich selbst überließen. Bei den Besuchern überwogen die Bibliothekare und Bibliothekarinnen in ihren blauen Roben. Ein großgewachsener Bibliothekar begleitete eine lärmende Gruppe von Touristen, die der Rasse der Hängenden Leute angehörten. Keiner sah aus wie ein Wächter. Keine Rampen führten von dem Dach der Bibliothek nach unten. Hier gab es nichts zu bewachen, es sei denn, ein Dieb konnte fliegen.

Louis hatte vor, die Gastfreundschaft, die er genoß, mit Undank zu vergelten. Zugegeben, er hatte für diese Gastfreundschaft bezahlt. trotzdem peinigte ihn der Gedanke an sein Vorhaben.

Der Wasser-Kondensator erhob sich vom Dachrand wie eine Skulptur eines dreieckigen Segels. Von dort lief das Wasser in einen wie eine Mondsichel geformten Teich. In diesem Teich plantschten Kinder der Städtebauer. Louis hörte seinen Namen: »Luweewu!« und drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um einen Ball auffangen zu können.

Der braunhaarige Junge, mit dem er im Kartenzimmer gesprochen hatte, schlug in die Hände und bat, daß er ihm den Ball zurückwerfen sollte.