Als sie das Dach erreichten, erhob sich die Sonde ein Stück über dem Boden und ließ sich dann neben ihnen auf ihren Steuerdüsen nieder. — Sie setzten die Maschine ab. Sie paßte nicht durch die Luke. Louis knirschte mit den Zähnen und schnitt den Schirm von der Maschine ab. Jetzt paßte sie.
Harkabeeparolyn schaute ihn nur an. Sie war zu erschöpft für weitere Kommentare.
Der Schirm berührte die leere Fläche, wo vorher der Molekularfilter gestanden hatte, und verschwand. Die zurückgebliebenen Eingeweide der Maschine waren viel schwerer. Louis schaffte es, wenigstens die eine Seite auf die leere Fläche zu heben, legte sich dann auf den Rücken und schob mit den Beinen nach, bis auch der Rest der Maschine verschwunden war.
»Der Lyar-Clan hat nichts damit zu tun«, klärte er die Bibliothekarin auf. »Sie wußten nicht, was ich vorhatte. Hier.« Er ließ ein Stück stumpfes schwarzes Tuch neben ihr zurück. »Der Lyar-Clan wird Ihnen sagen, wie Sie damit Wasserkondensatoren und andere alte Maschinen reparieren können. Damit können Sie die ganze Stadt von den Maschinen-Leuten unabhängig machen.«
Sie sah ihn mit entsetzten Augen an. Schwer zu sagen, ob sie ihm überhaupt zugehört hatte.
Mit den Füßen voran schob er sich in die Sonde.
Und mit dem Kopf voran tauchte er in der Ladebucht der Heißen Nadel auf.
III. Teil
23. Letztes Angebot
Er befand sich in fast vollkommener Dunkelheit in einer großen hallenden Glasflasche. Durch die durchsichtigen Wände konnte er halb ausgeschlachtete Raumschiffe im Zwielicht erkennen. Die Sonde hing wieder an ihren Klammern an der Rückwand des Laderaums, zwei Meter fünfzig über dem graugestrichenen Boden. Und Louis hing in der Sonde wie ein Ei in einem Eierbecher, in der Vertiefung, wo vorher der Deuterium-Filter befestigt gewesen war.
Louis schwang die Beine aus der Sonde, hielt sich mit beiden Händen fest und ließ sich fallen. Er war hundemüde. Nur noch eine letzte Komplikation, und dann konnte er sich ausruhen. Auf der anderen Seite der undurchdringlichen Wand konnte er die Schlafplatten erkennen.
»Gut.« Die Stimme des Hintersten kam von der Decke herunter. »Ist das der Leseschirm? Ich hätte nicht so etwas Sperriges erwartet. Mußtest du die Maschine in zwei Teile schneiden?«
»Ja.« Er hatte auch die Teile der Maschine hinunter auf den Boden geworfen. Zum Glück konnten Puppetiers ausgezeichnet mit Werkzeugen umgehen. »Ich hoffe, du hast auch noch eine Transportscheibe hier im Laderaum.«
»Richtig. Für Notfälle. Schau nach vorne links. Louis!«
Ein Stöhnen, das ein fast unirdisches Entsetzen verriet, drang aus dem Halbdunkel hinter seinem Rücken. Louis wirbelte herum.
Harkabeeparolyn kauerte in der Sonde an der Stelle, wo Louis vor Sekunden noch in hockender Stellung verharrt hatte. Ihre Hände krampften sich um den Kolben einer Schußwaffe. Ihre Lippen waren weit von den Zähnen zurückgezogen. Ihre Augen konnten keinen Ruhepunkt finden. Sie zuckten nach oben, nach links und nach rechts, und nirgends sah sie etwas Tröstliches.
Der Hinterste sprach mit monotoner Stimme: »Louis, wer ist dieses Wesen, das in mein Raumschiff eindringt? Ist es gefährlich?«
»Nein, du kannst beruhigt sein. Es ist nur eine verwirrte Bibliothekarin. Harkabeeparolyn, kehre in deine Bibliothek zurück.«
Ihr Stöhnen wurde lauter und höher. Plötzlich jammerte sie: »Ich kenne diesen Ort! Ich habe ihn im Kartenzimmer gesehen! Es ist der Raumschiffhafen, der sich außerhalb unserer Welt befindet. Luweewu, was bist du für ein Wesen?«
Louis deutete mit dem Handscheinwerfer-Laser auf sie. »Kehre in die Bibliothek zurück!«
»Nein! Du hast die Bibliothek bestohlen und ihr Eigentum zerstört. Aber wenn — wenn diese Welt vom Untergang bedroht ist, möchte ich helfen!«
»Wie willst du helfen, du verrücktes Ding? Hör zu. Du kehrst jetzt sofort wieder in die Bibliothek zurück. Stelle fest, woher die Unsterblichkeitsdroge kam, ehe die Städte auf die Erde stürzten. Das ist der Ort, den wir suchen. Wenn es eine Möglichkeit gibt, die Welt auch ohne die großen Motore wieder an die richtige Stelle zu rücken, werden wir sie nur dort finden.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. woher weißt du das alles?«
»Dort ist ihre Basis gewesen. Die Protekt. die Ringwelt-Ingenieure müssen in ihrer Nähe die Pflanzen kultiviert haben, die sie brauchten, um. tanj. es ist alles nur eine Vermutung. Reine Theorie. Tanj!« Louis griff sich mit beiden Händen an den Kopf. Er dröhnte wie eine große Trommeclass="underline" »Ich habe das alles nicht gewollt! Ich wurde entführt!«
Harkabeeparolyn schwang sich aus der Sonde und ließ sich zu Boden fallen. Ihre blaue Robe war ganz naß vor Schweiß. Sie sah Halrloprillalar sehr ähnlich. »Ich kann dir helfen. Ich kann dir die Bänder vorlesen.«
»Dafür haben wir eine Maschine.«
Sie kam näher heran. Ihre Waffe zeigte zu Boden, als hätte sie vollkommen vergessen, was sie in der Hand hielt. »Wir sind selbst daran schuld, nicht wahr? Mein Volk baute die Steuermotoren dieser Welt aus und benützte sie für Sternenschiffe. Kann ich etwas tun, um dieses Unrecht wiedergutzumachen?«
Der Hinterste sagte: »Louis, die Frau kann nicht mehr in die Stadt zurück. Die Transportscheibe in der ersten Sonde ist immer noch ein Transmitter. Ist das, was sie in der Hand hält, eine Waffe?«
»Harkabeeparolyn, gib mir deine Waffe.«
Sie gehorchte. Louis hielt dieses seltsame Mordinstrument mit zwei Fingern vor sein Gesicht. Es schien ein Produkt der Maschinen-Leute zu sein.
Der Hinterste sagte: »Trage die Waffe zur vorderen linken Ecke der Ladeducht. Dort befindet sich der Transmitter.«
»Ich kann ihn nicht sehen.«
»Ich habe ihn übermalt. Lege die Waffe in die Ecke, und kehre dann wieder in die Mitte des Laderaums zurück. Frau, du bleibst stehen, wo du bist!«
Louis tat, was der Hinterste ihm anschaffte. Die Waffe verschwand. Louis wäre um ein Haar die Bewegung entgangen, als die Waffe hinter dem Rumpf auf den Boden des Raumschiff-Hafens fiel. Der Hinterste hatte auch einen Transportscheiben-Empfänger außerhalb des Raumschiffes installiert.
Louis schüttelte den Kopf. Der Wahnsinn des Puppetiers hatte Dimensionen, die an die Gestalten der italienischen Renaissance erinnerten.
»Gut. Als nächstes. Louis! Da ist noch einer!«
Ein mit braunem Flaum bedeckter Schädel lugte aus der Sonde heraus. Es war der Junge aus dem Kartenzimmer, vollkommen nackt und noch naß von dem Bad im Wasserbecken auf dem Bibliotheksdach. Fast wäre er aus der Sonde gefallen, als er sich streckte, um sich neugierig umzusehen. Seine Augen waren groß wie Glasmurmeln. Er hatte genau das richtige Alter für Wundererscheinungen und Zauberei.
Louis brüllte: »Hinterster! Schalte endlich die Transportscheiben ab!«
»Das habe ich soeben getan. Ich hätte früher daran denken müssen. Wer ist das?«
»Ein Bibliothekars-Lehrling. Er hat einen sechssilbigen Namen, an den ich mich nicht mehr erinnern kann.« »Kawaresksenjajok«, rief der Junge und lächelte. »Wo sind wir hier, Luweewu? Was tun wir hier?«
»Nur Finagle weiß das.«
»Louis! Ich möchte keine fremden Wesen in meinem Schiff haben!«
»Wenn du daran denkst, sie im Vakuum auszusetzen, schlag dir das aus den Köpfen. Ich werde das nicht zulassen.«
»Dann müssen sie im Laderaum bleiben. Du ebenfalls. Ich glaube, daß du das geplant hast — du und Chmeee. Ich hätte euch beiden nie trauen dürfen.«
»Das hast du auch nie getan.«
»Möchtest du das bitte wiederholen?«
»Wir werden hier verhungern.«
Es folgte eine längere Pause. Kawaresksenjajok ließ sich geschmeidig aus der Sonde auf den Boden hinunterfallen. Er und Harkabeeparolyn unterhielten sich jetzt im heftigen Flüsterton.