»Das weiß ich selbst nicht genau. Fahre fort.«
»Die Flugzeuge folgten ihm eine Weile, dann drehten sie wieder ab. Chmeee setzte seine Erkundungen fort. Er entdeckte gerodetes Land im Dschungelwald mit einer kleinen ummauerten Burg auf dem Gipfel eines Berges. Dort landete er im Burghof. Er wurde natürlich sofort angegriffen; aber die Verteidiger verfügten nur über Schwerter, Keulen, Pfeil und Bogen. Als sie sich alle um das Landungsboot versammelt hatten, schoß er sie mit der Betäubungskanone nieder. Und dann.«
»Moment mal!«
Ein Kzin tauchte in einem der Torbögen der Burgmauer auf, sprintete über graue Steinplatten und lief auf allen vieren auf das Hologramm-Fenster zu. Das mußte Chmeee sein. Er trug seinen Schutzpanzer. Ein Pfeil steckte in einem seiner Augen, ein langer hölzerner Schaft mit papierartigen Blättern als Stabilisatoren am Pfeilende.
Andere Kzinti verfolgten ihn, die Schwerter und Morgensterne über den Kopf schwangen. Aus einem schlitzartigen Fenster hagelten Pfeile herunter und prallten von seinem Panzer ab. Als Chmeee die Luftschleuse des Landungsbootes erreichte, schnitt ein Lichtfaden aus einem der Fenster. Der Laserstrahl schlug Flammen aus den Platten, mit denen der Hof gepflastert war. Dann richtete er sich auf das Landungsboot. Chmeee war bereits durch die Luftschleuse. Der Lichtstrahl zielte hartnäckig auf das Landungsboot und erlosch dann, als das geschlitzte Fenster in einer roten und weißen Flamme explodierte.
»Leichtsinnig«, murmelte der Hinterste, »so eine Waffe den Feinden zu überlassen!« Sein anderer Mund knabberte an den Schaltknöpfen. Er brachte jetzt die Bilder einer Bordkamera auf den Monitor. Louis sah, wie Chmeee die Luftschleuse dicht machte, dann zum Autodock taumelte, sich seinen Schutzpanzer vom Leib riß und auf den Boden warf. Das rechte Bein des Kzin hatte unter dem Panzer eine tiefe Fleischwunde. Chmeee stemmte den Deckel des Autodock hoch und ließ sich hineinfallen.
»Tanj! Er hat die Monitoren nicht eingeschaltet! Hinterster, wir müssen ihm helfen.«
»Aber wie, Louis? Wenn du versuchtest, ihn mit den Transportscheiben zu erreichen, würdest du auf mehrere Millionen Grad aufgeheizt. Zwischen deiner Geschwindigkeit und der des Landungsbootes.«
»Ja doch.« Der Große Ozean lag fünfunddreißig Grad hinter der Kurve der Ringwelt. Der Unterschied der kinetischen Energie reichte aus, um eine Stadt zu atomisieren. Es gab keine Möglichkeit, Chmeee zu helfen.
Chmeee lag blutend im Autodock.
Plötzlich schrie er auf und drehte sich auf die Seite. Seine dicken Finger drückten auf die Tasten des Autodock. Dann wälzte er sich auf den Rücken, griff nach oben und schloß den Deckel der Autodock-Box.
»Das ist immerhin etwas«, sagte Louis erleichtert. Der Pfeil war im spitzen Winkel in die Augenhöhle eingetreten. Möglicherweise konnte die Pfeilspitze doch noch das Gehirn beschädigt haben. »Er war verdammt leichtsinnig. Okay. Erzähle weiter.«
»Chmeee benützte die Betäubungskanone, um alle Bewohner der Burg lahmzulegen. Dann verbrachte er drei Stunden damit, die bewußtlosen Kzinti auf die Repulsionsplatten zu legen und ins Freie zu schaffen. Er verriegelte die Tore. Dann ging er wieder in das Schloß hinein. Neun Stunden blieb er unsichtbar. Warum grinst du?«
»Brachte er auch betäubte Weibchen ins Freie?«
»Nein. Aha, ich verstehe jetzt.«
»Er hatte ein verdammtes Glück, daß er seinen Schutzanzug noch rasch genug anziehen konnte. Diese Fleischwunde am Bein beweist, daß er aus gewissen Gründen seinen Panzer ablegen mußte.«
»Mir scheint, daß Chmeee für mich keine Bedrohung bedeutet.«
Richtig. Er würde sich mindestens zwanzig bis vierzig Stunden im Autodock aufhalten müssen, überlegte Louis. Nun mußte Louis Wu seine Entscheidung ganz allein treffen. »Da gibt es ein paar Probleme, die wir mit ihm diskutieren sollten. Aber das ist ja jetzt nicht möglich. Hinterster, zeichne bitte unser folgendes Gespräch auf und schicke es auf Bandspeicher in das Landungsboot. Ich möchte, daß Chmeee unser Gespräch sofort überspielt wird, sobald er aufwacht.«
Der Puppetier griff hinter sich. Er schien die Kontrollkonsole anzuknabbern. »Erledigt. Was wolltest du mit mir diskutieren?«
»Chmeee und ich haben uns noch nicht zu dem Glauben durchringen können, daß du uns in das bekannte Universum zurückbringst oder daß du das überhaupt könntest.«
Der Puppetier betrachtete ihn aus zwei Richtungen. Seine flachen Köpfe waren so weit auseinandergegrätscht, daß er damit den optimalen binokularen Effekt erreichte. So konnte er seinen nicht ganz zuverlässigen Bundesgenossen oder gar seinen möglichen Gegner am besten studieren. Er fragte: »Warum sollte ich euch nicht in das bekannte Universum zurückbringen, Louis?«
»Erstens wissen wir zuviel. Zweitens hast du gar keinen Grund, zu einer Welt im bekannten Universum zurückzukehren. Mit oder ohne diesen märchenhaften Materieumwandler gibt es für dich nur einen Platz, wo du wirklich hin willst — die Flotte der Puppetier-Planeten.«
Im Hinterteil des Puppetiers zuckten die Muskeln ununterbrochen. (Das war das Bein, mit dem ein Puppetier kämpfte. Er drehte seinem Gegner den Rücken zu, zielte mit den beiden weit auseinanderliegenden Köpfen und -patsch!) Er sage: »Wäre das so schlimm für euch?«
»Es wäre immer noch besser, als hier auf der Ringwelt zurückzubleiben«, räumte Louis ein. »Aber was hast du wirklich vor?«
»Wir können euch das Leben so angenehm wie möglich machen. Du weißt, daß wir die Verjüngungsdroge für die Kzinti besitzen. Wir können dich auch mit der menschlichen Verjüngungsdroge versorgen. In der Heißen Nadel ist genug Platz für Hominiden und Kzinti-Weibchen. Tatsächlich haben wir bereits eine Frau an Bord, die zu der Rasse der Städtebauer gehört. Ihr würdet in dem Stasisfeld reisen, also ohne Platzprobleme. Und du könntest dich mit deinem Gefolge auf einem der vier Landwirtschaftsplaneten der Flotte niederlassen. Er würde dir praktisch gehören.«
»Und was passiert, wenn mir das Landleben zum Hals heraushängt?«
»Unsinn. Du hättest Zutritt zu den Bibliotheken deiner Heimatwelt. Zutritt zu den Kenntnissen, über die die Menschheit staunte, seit wir uns zum ersten Male ihnen offenbarten! Die Flotte bewegt sich fast mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum, um schließlich die Magellanschen Wolken zu erreichen. Mit uns wirst du dich vor der Explosion des galaktischen Kernes retten. Wahrscheinlich werden wir dich auch als Späher benötigen, der sich mit interessanten Territorien auf unserem Kurs beschäftigt.«
»Gefährlichen Territorien, wolltest du doch sagen.«
»Wenn dir dieser Ausdruck lieber ist?«
Louis reizte dieses Angebot mehr, als er sich eingestehen wollte. Wie würde Chmeee so eine Offerte aufnehmen? Seine Rache verschieben? Die Chance wahrnehmen, irgendwann in der Zukunft die Heimatwelt der Puppetiers zu schädigen? Oder deren angeborene Feigheit?
Er fragte:
»Ist dieses Angebot davon abhängig, daß wir diesen märchenhaften Materie-Umwandler finden?«
»Nein. Deine Talente werden so oder so gebraucht. Trotzdem. das Versprechen, das ich dir jetzt gebe, läßt sich natürlich unter dem Regime der Experimentalisten viel leichter erfüllen. Die Konservative Partei betrachtet deinen Wert möglicherweise in einem anderen Licht, von Chmeees Talenten einmal ganz abgesehen.«
Das war eine hübsche Umschreibung, dachte Louis. »Wenn wir schon von Chmeee reden.«
»Der Kzin ist ein Deserteur. Trotzdem gilt meine Offerte auch für ihn. Inzwischen hat er ein paar Kzinti-Weibchen gefunden, die wir vor dem Untergang retten können. Vielleicht kannst du ihn überreden, mein Angebot anzunehmen.«