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Harvey Mossbauers Familie war im Vierten Menschheits-Kzin-Krieg getötet und aufgefressen worden. Viele Jahre nach dem Waffenstillstand und nach umfangreichen Vorbereitungen war Mossbauer schwer bewaffnet alleine auf dem Heimatplaneten der Kzin gelandet. Er hatte vier erwachsene Kzinti umgebracht und eine Bombe im Harem des Patriarchenpalastes gezündet, ehe die Wachen ihn überwältigen und töten konnten.

Sie hatten seine Haut unbeschädigt haben wollen, erklärte ihm damals Chmeee, und das hatte ihren Kampfeswillen beeinträchtigt.

»Das nennst du eine unbeschädigte Haut?«

»Aber er kämpfte wie ein Löwe! Wir haben Tonbandaufzeichnungen davon im Archiv. Wir wissen, wie man einen tapferen und mächtigen Feind ehren muß, Louis.«

Die ausgestopfte Haut war aus so vielen Einzelstücken zusammengesetzt, daß man das Museumstück zweimal genau ansehen mußte, ehe man es als menschliches Wesen wiedererkannte. Doch es hatte einen hohen Denkmalsockel bekommen mit einer Widmungstafel aus Metall und den ganzen Raum für sich allein. Möglicherweise hätte ein gewöhnlicher menschlicher Reporter die Ausstellung dieses zusammengestückelten ausgestopften Mossbauer nicht verstanden, aber Louis erfaßte sofort den tieferen Sinn. Jetzt, zwanzig Jahre später, sagte er als entführter Süchtiger nachdenklich: »Ja, für mich war es damals ein erhebendes Gefühl, daß dieser ausgestopfte Mossbauer ein Mensch gewesen ist.«

»Es ist gut, sich zu erinnern, aber wir reden jetzt von der Gegenwart. Von deiner Sucht.«

»Glückliche und zufriedene Leute werden nicht zu Wonnestrom-Süchtigen. Man muß sich einer Operation unterziehen, ehe man den Stecker in seinem Kopf befestigen kann. Ich fühlte mich wohl damals in dem Museum. Ich kam mir wie ein Held vor. Weißt du, wo Halrloprillalar sich damals aufhielt?«

»Wo?«

»Die Regierung hatte sie kassiert. Die ARM. Sie hatten endlose Listen von Fragen für sie vorbereitet. Verdammt, ich konnte es nicht verhindern, daß man sie in Gewahrsam nahm. Ich hatte für sie gebürgt, sie auf die Erde gebracht.«

»Sie hatte Gewalt über deine Drüsen, Louis. Es ist von großem Vorteil, daß die Weibchen der Kzinti einer primitiveren Entwicklungsstufe angehören. Du hättest alles getan, was sie von dir verlangte, und du warst ihr hörig. Sie wollte das menschliche Universum besichtigen.«

»Natürlich. Und ich sollte ihr eingeborener Führer sein. Aber dazu kam es nicht. Chmeee, wir brachten die Long Shot und Halrloprillalar nach Hause. Wir übergaben unsere Mitbringsel unseren miteinander verbündeten Regierungen, und seither haben wir sie nicht mehr gesehen. Wir durften nicht einmal mehr davon reden.«

»Der Quantum-II-Hyperantrieb wurde zum Staatsgeheimnis der Patriarchie erklärt.«

»Es ist auch ein Staatsgeheimnis der Vereinten Nationen. Ich bezweifle sogar, daß die anderen Regierungen des menschlichen Universums in dieses Geheimnis eingeweiht wurden. Und sie schärften mir ein, daß ich nicht darüber sprechen dürfte. Selbstverständlich gehörte auch die Ringwelt zu diesem Staatsgeheimnis, denn wie hätten wir ohne dieses geheime Raumfahrzeug, ohne die Long Shot, überhaupt dort hinkommen können? Und deshalb wundere ich mich«, fuhr Louis fort, »wie sich der Hinterste die Reise zur Ringwelt vorstellt. Zweihundert Lichtjahre von der Erde entfernt — noch weiter von Canyon — und mit diesem Schiff schaffen wir ein Lichtjahr in drei Tagen. Glaubst du, er hat noch eine Long Shot irgendwo versteckt?«

»Du wirst mich nicht vom Thema ablenken können. Warum hast du dir ein Wonnestromnetz einpflanzen lassen?« Der Chmeee duckte sich und fuhr die Klauen aus. Vielleicht war es ein Reflex, eine Reaktion motorischer Nerven — vielleicht.

»Ich verabschiedete mich von dir und flog wieder nach Hause«, sagte Louis. »Trotz aller Bitten ließ die ARM mich nicht zu Prill. Ja, wenn ich eine Expedition zur Ringwelt hätte organisieren können, hätte man sie mir als Dolmetscherin und Fremdenführerin mitgegeben. Aber, tanj, darüber durfte ich doch nur mit der Regierung sprechen. und mit dir. Aber du hattest kein Interesse an der Expedition.«

»Wie hätte ich mitkommen sollen? Ich hatte eben erst mein Lehen, einen Namen und einen Harem voll schwangerer Frauen bekommen. Die weiblichen Kzinti sind sehr schutzbedürftig. Man muß sie pflegen und darf sie während der Schwangerschaft nicht allein lassen.«

»Und was geschieht jetzt mit ihnen?«

»Mein ältester Sohn wird sich um meine Liegenschaften und meinen Besitz kümmern. Wenn ich ihn zu lange alleine lasse, wird er mit mir kämpfen, um das, was er nur verwaltet, behalten zu können. Falls ich... Louis! Warum bist du ein Wonnestromsüchtiger geworden?«

»Irgendein Clown schlug mich mit der Lustgeißel!«

»Wie bitte?«

»Ich besichtigte ein Museum in Rio, als jemand, der sich, hinter einer Säule versteckt hielt, mir den Tasp zu schmecken gab.«

»Aber Nessus hatte doch auch eine Lustgeißel bei sich, als wir zur Ringwelt flogen, um seine Besatzung unter Kontrolle behalten zu können. Er wendete sie gegen uns beide an.«

»Richtig. Und der Hinterste verwendet nun das gleiche Druckmittel. Er hat den Wonnestecker so manipuliert, daß er ihn mit einer Fernbedienung ein- und abschalten kann. Und dir hat er das Geschenk der ewigen Jugend gegeben. Zu welchem Zweck? Damit wir alles tun, was er uns anschafft.«

»Nessus verwendete auch die Lustgeißel gegen mich; trotzdem bin ich nicht süchtig geworden.«

»Auch ich war das damals nicht. Aber ich konnte mein Gedächtnis nicht abschalten. Ich kam mir vor wie eine Laus, wie ein Verräter, wenn ich an Prill dachte — ich dachte an Urlaub, an eine Flucht ins Weltall. Das war meine Methode, eine Krise zu meistern; alleine mit einem Raumschiff bis zum Rand des bekannten Universums zu fliegen, bis ich den Anblick meiner Mitmenschen wieder zu ertragen vermochte. Bis ich mich selbst wieder ertragen konnte. Aber damit hätte ich nur Prill noch mehr verraten. Und da stand dieser Clown hinter einer Säule und schaltete die Lustgeißel ein. Ich spürte sie nur eine Sekunde lang, aber dieser Luststrom erinnerte mich an die Geißel, mit der Nessus uns zur Vernunft brachte, und die war zehnmal stärker als dieses Ding. Ich. sträubte mich fast ein Jahr gegen die Versuchung, und dann ließ ich mir den Stromleiter implantieren.«

»Ich sollte dir den Draht wieder aus dem Kopf reißen.«

»Das hätte unangenehme Nachwirkungen zur Folge.«

»Und wie bist du in den Canyon von ›Speerspitze‹ gekommen?«

»Nun, vielleicht war ich verrückt, aber ein Körnchen Vernunft steckt trotzdem darin: Halrloprillalar verschwand für immer im Gebäude der ARM. Und Louis Wu wurde süchtig und wußte nicht mehr, ob er seine Beherrschung verlor und irgendeinem strohköpfigen Flachlandbewohner das Geheimnis der Ringwelt ausplauderte. Deshalb dachte ich, ich sollte lieber von der Erde flüchten. Canyon ist ein Planet, auf dem man problemlos unentdeckt landen kann.«

»Vermutlich hatte der Hinterste das ebenfalls entdeckt.« »Chmeee, gib mir jetzt den Wonnestecker oder laß mich schlafen. Oder du bringst mich um.«

»Gut, dann schlafe lieber.«

3. Der Geist unter der Besatzung

Es war gut, wieder zwischen den Schlafplatten aufzuwachen, im freien Fall schwebend, bis Louis sich wieder erinnerte.

Chmeee nagte an einem rohen Knochen. Wunderland baute seine Küchen so, daß sie verschiedenartige Rassen mit Nahrungsmitteln versorgen konnten. Der Kzin unterbrach einen Moment seine Mahlzeit, um Louis mitzuteilen: »Alle Geräte an Bord wurden von Menschen hergestellt. Oder sie hätten wenigstens von Menschen hergestellt sein können. Sogar der Rumpf scheint mit auf einer irdischen Welt in Lizenz gebaut zu sein.«