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Sie sah mich an.

»Bitte.«

Zögernd nahm sie noch zwei Stücke gelbes Sa-Tarna-Brot. Ich stockte das Feuer auf.

»Hier«, sagte sie verlegen und zog ein paar Wurzeln und zwei Suls aus dem Gewand. Sie waren frisch ausgegraben; an ihnen klebte noch Erde. Die Frau legte sie genau zwischen uns auf den Boden. Ich setzte mich im Schneidersitz hin, sie kniete gegenüber, mit geschlossenen Beinen, wie es sich für eine freie Goreanerin gehörte. Die Wurzeln und die beiden Suls lagen zwischen uns.

»Sagtest du nicht, du hättest keine Wurzeln gefunden?« Ich lächelte.

»Es waren noch welche im Garten«, erwiderte sie. »Das fiel mir wieder ein, darum bin ich zurückgekommen. Aber es war kaum noch etwas da. Anscheinend sind mir andere zuvorgekommen. Diese haben sie übersehen. Es ist nichts Großartiges. Wir haben die Erträge dieses Gartens als Tarskfutter verwendet.«

»Es sind gute Wurzeln«, sagte ich. »Und auch ausgezeichnete Suls.«

»Wir durchstöbern sogar die Futtertröge der Tarsk«, sagte sie müde. »Graben im kalten Boden der Ställe. Die Tarsk sind weg, aber manchmal findet man Futterreste, die zwischen die Spalten gefallen sind oder die die Tiere übersehen und in den Schlamm getreten haben. Wir lernen viele Schliche in dieser Zeit.«

Ich sagte: »Ich möchte dein Essen nicht.«

»Willst du mich beschämen?«

»Nein.«

»Teile meinen Topf.«

»Vielen Dank.« Ich nahm eine Wurzel, brach ein Stück davon ab und säuberte sie vom Schmutz. Ich biß hinein. »Gut«, sagte ich, beließ es jedoch bei dem Bissen. Ich wollte ihr Essen nicht. Ich hatte mich so verhalten, wie es die Situation erforderte, hatte sie als Herrin des Hauses anerkannt, ihr die nötige Ehre und Respekt erwiesen, mit ihr ›den Topf geteilt‹.

Sie betrachte das Kind. »Der kleine Andar ist eingeschlafen.«

Ich nickte.

»Deine Sklavin darf hier drinnen schlafen.«

3

»Weg mit den Kapuzen, herunter mit den Schleiern, ihr Frauen!« lachte der Kutscher.

Die Frauen, die sich hinter dem Fuhrwerk drängelten – viele streckten die Hände aus, und die Ärmel der Gewänder rutschten zurück –, schrien bestürzt auf.

»Wenn ihr was zu essen haben wollt!« fügte er hinzu.

Die Frauen waren vermutlich Neuankömmlinge, die einen langen Marsch hinter sich hatten. Sie kamen aus Dörfern, durch die das cosische Heer gezogen war, aus einem Umkreis von vielleicht fünfzig Pasang, das übliche Einzugsgebiet für berittene Soldaten mit dem Auftrag, alles zu requirieren, was von Nutzen war. Die meisten der dem Wagenzug folgenden Frauen, die ich bis jetzt gesehen hatte, hatten mittlerweile gelernt, sich den Fuhrwerken mit entblößtem Haupt zu nähern, als Bittstellerinnen. Sie bemühten sich, den Männern zu gefallen, die möglicherweise dazu bewegt werden konnten, ihnen etwas zu essen zu geben, indem sie mit gelöstem und deutlich sichtbarem Haar ankamen – wie Sklavinnen. Viele hatten die Schleier bereits weggeworfen oder verborgen; das galt auch für die Zeit, da sie nicht bettelten. Sie trugen sie nicht einmal mehr in ihren winzigen stinkenden Lagern, die sie in unmittelbarer Nähe der Wagen aufschlugen und die manchmal nicht einmal über ein Feuer verfügten, Lager, denen die Männer manches Mal einen Besuch abstatteten. Sie hatten entdeckt, daß eine Frau, die man mit Schleier antrifft – selbst wenn sie ihn gesenkt und sich damit auf solch bedauernswerte Weise selbst entblößt hat –, bedeutend weniger Aussichten hat, etwas zu essen zu bekommen, als eine Frau ohne Schleier. Ebenso, wie sie rasch gelernt hatten, daß die Kutscher ihr Vergnügen wesentlich seltener bei den Verschleierten suchten. Die Männer auf den Wagen gestanden den Frauen die mit dem Schleier verbundene Würde nicht zu. Und damit behandelten sie sie natürlich wie Sklavinnen.

»Bitte!« rief eine Frau, schlug die Kapuze zurück und riß den Schleier herunter. »Gib mir zu essen! Bitte! Gib mir doch zu essen!« Die anderen folgten schnell ihrem Beispiel, jede schien die Nachbarin an Eile übertreffen zu wollen, wobei einige entsetzt aufstöhnten und ihr Elend beklagten.

»So ist das schon besser«, lachte der Kutscher.

Viele der Frauen weinten.

»Gib uns zu essen!« riefen sie ihm auf mitleiderregende Weise zu, mit ausgestreckten Armen und erhobenen Händen, während sie sich am Hinterteil des Wagens drängten. »Wir bitten um Nahrung!« – »Wir haben Hunger!« – »Bitte!« – »Gib uns zu essen!« – »Bitte!«

Ich sah mir ihre Gesichter an. Es schienen einfache Frauen zu sein, Bäuerinnen und ihre Töchter.

»Hier!« rief der Kutscher lachend und holte Brot aus einem Sack, das er erst einer und dann einer anderen Frau zuwarf. Das erste Stück bekam die Frau, die als erste Gesicht und Haare entblößt hatte, vielleicht als Belohnung für ihre Klugheit und Bereitwilligkeit. Die nächsten Stücke bekamen diejenigen, die am hübschesten waren und am energischsten gebettelt hatten. Doch es geschah oft, daß die stämmigeren, derberen Frauen den hübscheren, weiblicheren Geschlechtsgenossinnen die Beute einfach entrissen. Wo es keine Männer gibt, die schöne Frauen beschützen, werden sie in einer grotesken Perversion der Natur von den körperlich stärkeren Frauen beherrscht und ausgebeutet.

»Mehr, mehr, bitte!« flehten die Frauen.

Der Kutscher warf, wohl um sich zu amüsieren, ein paar Brotstücke in die Luft und sah dann zu, wie die Verzweifelten sich gegenseitig wegstießen, drängelten oder hochsprangen, um sie aufzufangen.

»Mehr, mehr!« schrien sie.

Ich sah, wie eine große Frau mit breiten Hüften einer schwächeren ein Stück Brot aus der Hand riß. Sie stopfte es sich mit beiden Händen in den Mund und kämpfte sich vornübergeneigt einen Weg durch die Menge zu einer Stelle, wo sie es allein und in Ruhe essen konnte. Niemand hätte es geschafft, ihr das Brot abzunehmen. Mit Ausnahme eines Mannes natürlich.

»Das ist alles!« lachte der Kutscher.

»Nein!« schrien die Frauen.

»Brot!«

Es war offensichtlich, daß der Sack den Worten des Mannes zum Trotz noch nicht leer war. Er grinste und fuhr sich mit dem Arm übers Gesicht. Es war ein Scherz gewesen.

»Noch eine Kruste, bitte!« bettelte eine Frau.

»Gib uns zu essen!« rief eine andere.

»Ihr seid die Herren!« schluchzte eine plötzlich. »Gebt uns zu essen!«

Der Mann lachte und zog eine Handvoll Krusten aus dem Sack, die nun anscheinend tatsächlich den Rest darstellten. Er warf sie weit über die Köpfe der Frauen hinweg. Sie drehten sich um, liefen zu der Stelle und warfen sich in den Staub, wo sie auf Händen und Füßen kriechend lautstark um das Brot kämpften.

Der Kutscher sah ihnen eine Zeitlang belustigt zu. Dann wandte er sich ab, stieg über die Säcke auf der Ladefläche und begab sich zum Wagenkasten. Dieser Kasten dient gleichzeitig als Kutschbock und Stauraum, in dem für gewöhnlich Ersatzteile, Werkzeuge und persönliche Besitztümer untergebracht sind. Normalerweise ist er verschlossen. Er hob den als Sitz dienenden Deckel, warf den leeren Sack hinein und klappte ihn wieder zu. Dann ergriff er eine Tharlarionpeitsche, die in Nähe der Fußbank steckte. Anscheinend hatte er mit den Bettlerinnen seine Erfahrungen.

»Schluß!« sagte er ärgerlich. »Es gibt nichts mehr.«

Die Frauen kamen wieder heran, verzweifelt, mitleiderregend, die Gewänder schmutzig und zerknittert vom Kriechen im Staub, wo sie um jeden Krümel gekämpft hatten. Die Peitsche knallte über ihren Köpfen. Sie wichen zurück.

»Mehr!« riefen sie. »Bitte!«

»Es ist nichts mehr da«, sagte der Kutscher. »Alles ist weg! Verschwindet, ihr Schlampen!«

»Du hast doch noch Brot«, weinte eine Frau. Das entsprach der Wahrheit. Die Ladung des Fuhrwerks bestand aus Sa-Tarna-Brot; zufälligerweise transportierte er auch Sa-Tarna-Getreide und -Mehl. Die Räder ächzten unter etwa neunhundert goreanischen Kilogramm des Nahrungsmittels. Diese Vorräte waren natürlich nicht für Vagabunden oder Reisende bestimmt, denen man unterwegs begegnete, sondern für die Feldküchen der verschiedenen Nachtlager.