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Hinterher wußte Mark nicht mehr, wie lange das entsetzliche Schauspiel gedauert hatte. Der Raum verwandelte sich in einen Alptraum aus Hitze und Licht. Weitere Blitze zuckten durch die Luft, ließen Tapeten und Möbelstücke in Flammen aufgehen, sengten lange, gezackte Rußspuren in Decke und Fußboden und fraßen sich in Stoff und Fleisch. Vorhänge und Möbel begannen zu brennen. Schwarzer, beißender Qualm verpestete die Luft. Die Deckenbalken begannen zu schwelen und fingen schließlich Feuer. Selbst als sich längst keiner der Hedons mehr rührte, peitschten die Blitze noch immer in ihre leblosen Körper.

Irgendwann hörte es auf.

Keuchend kam Mark auf die Beine. Um ihn herum brannte das Haus. Er wankte auf das Bett zu. Vivian hatte erneut das Bewußtsein verloren.

Durch die geöffnete Korridortür drang plötzlich helle, wabernde Helligkeit, als die Holztreppe mit einem explosionsartigen Knall Feuer fing.

Das Bauernhaus war nur äußerlich modern gewesen. Unter Rauhputz befand sich immer noch das Reisig- und Strohgeflecht, mit dem seine ursprünglichen Erbauer sich vor Jahrhunderten vor Kälte und Wind geschützt hatten. Der Brand breitete sich mit rasender Geschwindigkeit aus. Die uralten Eichenbalken, die Dach und Zwischendecke trugen, flammten fast gleichzeitig auf, und das Treppenhaus verwandelte sich innerhalb weniger Sekunden in ein kochendes Flammenmeer. Schon nach wenigen Augenblicken war das Haus von dicken, beißenden Rauchwolken erfüllt. Die Luft war so heiß, daß Mark schmerzerfüllt aufschrie. Er riß Vivian hoch, nahm sie auf die Arme und torkelte halbblind zur Tür.

Eine Flammenwand schlug ihnen entgegen. Mark hob schützend eine Hand vors Gesicht, preßte Vivian mit der anderen eng an sich und versuchte, das Zimmer zu verlassen, aber die ungeheure Hitze trieb ihn fast augenblicklich zurück. Außerdem hatte ihm der kurze Blick deutlich gezeigt, daß es auf diesem Wege kein Entkommen gab. Die Treppe stand in hellen Flammen, und noch während Mark ins Schlafzimmer zurückwich, brach ein Teil der ohnehin altersschwachen Stufen zusammen und prasselte in einem feurigen Hagel ins Erdgeschoß hinunter.

Mark sah sich gehetzt um. Die Luft schien wie flüssiges Feuer in seiner Kehle zu brennen. Er hustete und wankte zum Fenster, schlug mit den Ellbogen die scharfkantigen Glassplitter aus dem brennenden Rahmen und beugte sich hinaus. Der Boden schien mindestens eine Meile unter ihm zu liegen.

Das Fenster neben ihm zerbarst in einem glühenden Scherbenregen nach draußen. Flammen schlugen wie aus einem überdimensionalen Kamin ins Freie, leckten an der Hauswand empor und hinterließen eine breite, rußige Spur.

Mark vergeudete eine kostbare Sekunde damit, die kühle Nachtluft einzuatmen, dann kletterte er zitternd auf das schmale Fensterbrett hinaus und zog Vivian hinter sich her. Ihr Haar war verkohlt, und ihr schmales, schönes Gesicht war von einer Unzahl von Brandblasen verunstaltet.

Mark richtete sich auf dem kaum zehn Zentimeter breiten Brett auf und atmete tief ein. Dann sprang er.

Der Boden schien ihm mit unglaublicher Geschwindigkeit entgegenzurasen. Mark zog die Beine an, preßte Vivians zitternden Körper an sich und bereitete sich auf den Aufprall vor. Gleich darauf hatte er das Gefühl, zwischen Hammer und Amboß einer gigantischen Schmiede geraten zu sein. Er knickte in den Kniekehlen ein, fiel mit mörderischer Wucht auf die Seite und kugelte hilflos vier, fünf Meter weit über den aufgeweichten Lehmboden. Vivian wurde ihm aus den Armen gerissen und davongeschleudert.

Trotz des fürchterlichen Schmerzes wurde er nicht bewußtlos. Für einen Moment hatte Mark das Gefühl, in Flammen gebadet zu werden, aber der Schmerz verging überraschend schnell und machte einem dumpfen, pulsierenden Hämmern Platz, das nach und nach seinen ganzen Körper erfaßte. Er stemmte sich mühsam hoch, suchte mit tränenden Augen nach Vivian und kroch dann auf Händen und Knien auf sie zu. Der grelle Feuerschein des brennenden Hauses erhellte den Hof fast taghell. Immer wieder blitzen im Innern des Gebäudes grelle Explosionen auf, und die Fensteröffnungen verwandelten sich eine nach der anderen in flammenspeiende Schlünde. Die Hitze wurde jetzt selbst hier draußen fast unerträglich.

Mark erreichte Vivian. Ihre Brust hob und senkte sich in schnellen, hektischen Stößen, und die Augäpfel unter den geschlossenen Lidern zuckten wild hin und her. Ihre Lippen bewegten sich unablässig, aber das Brüllen der Flammen erstickte ihre Stimme. Mark richtete sich unter Aufbietung aller Kräfte auf, griff unter Vivians Achseln und zog sie hoch. Der schlanke Körper schien Zentner zu wiegen. Er stolperte zurück, kämpfte die aufkommende Übelkeit nieder und versuchte, den stechenden Schmerz in seinem Rücken zu ignorieren.

Das Haus erbebte. Der Dachstuhl sank funkensprühend in sich zusammen, und das auseinanderbrechende Gebäude überschüttete Mark und Vivian mit einem Funkenhagel. Mark spürte einen harten, betäubenden Schlag gegen die Schulter, krümmte sich zusammen und warf sich schützend über Vivian. Neben ihm krachte ein zentnerschwerer Holzbalken auf den Boden, versengte seinen Arm und ließ ihn aufstöhnend herumfahren.

Er sah, wie der nasse Lehm um sie herum unter der unglaublichen Hitze trocknete und riß.

Blindlings griff er nach Vivian, bekam sie zu fassen und kroch rückwärts davon. Vivian schleifte er wie einen leblosen Gegenstand hinter sich her.

Er wußte nicht, wie lange er so durch die Hölle kroch. Die Zeit war unwichtig geworden, existierte nicht mehr. Es gab nur noch ihn, die Hitze, Flammen und Licht - und den einzigen Gedanken, immer weiter und weiter wegzukriechen. Nur raus aus diesem Inferno aus Feuer und Licht.

Irgendwann ließ die mörderische Hitze nach. Mark sank in sich zusammen.

30

Melissa war zufrieden.

Sie wußte nicht recht, ob sie sich darüber freuen sollte, daß Vivian Taylor erneut entkommen war, oder ob sie es bedauern sollte. Hätten die Hedons Erfolg gehabt, wäre es für sie leicht gewesen, Vivians Leiche zu beseitigen und endgültig deren Position einzunehmen.

Andererseits bereitete ihr das Spiel immer mehr Spaß. Bislang war alles nach Plan verlaufen. Vivian war in Todesgefahren geraten, aus denen sie sich nur durch den Einsatz ihrer PSI-Kräfte hatte befreien können. Wenn es soweit war, hatten diese instinktiv die Kontrolle über ihr Handeln übernommen, sowohl beim Absturz des Flugzeugs wie auch beim Mordversuch der Hedons.

Genau das hatte Melissa erreichen wollen. Nun war Vivian Taylor mit ihrer Kraft fast am Ende. Sie war so stark geschwächt, daß sie ein leichtes Opfer darstellte, und deshalb bedauerte Melissa das Scheitern der Hedons licht übermäßig. Hätten sie Erfolg gehabt, hätte es sie im das Vergnügen gebracht, ihrer Gegnerin höchstpersönlich den Todesstoß zu versetzen.

Es wurde Zeit, Vivian zu holen.

Melissa stand auf, ging zum Fenster und starrte hinaus. Die Sonne würde in wenigen Augenblicken aufgehen; es wurde hell. Heute noch, dachte Melissa. Dieser lag würde die Entscheidung bringen.

Bevor die Sonne das nächste Mal aufging, würde Vivian Taylor tot sein.

Das Erwachen kam genauso übergangslos wie die Bewußtlosigkeit. Es gab kein langsames Hinüberdämmern, wie Mark es von anderen Gelegenheiten her kannte. Er erwachte so abrupt, als habe jemand irgendwo einen Schalter umgelegt und sein Denken wie eine Glühbirne wieder angeschaltet.

Grelles, orangerot gefärbtes Sonnenlicht blendete ihn. Mark hob instinktiv die Hand, um seine Augen vor der blendenden Helligkeit zu schützen. Er blinzelte. Irgendwo in seinem Unterbewußtsein nagte der Gedanke, daß etwas nicht in Ordnung war, aber es dauerte fast eine Minute, ehe er wirklich erkannte, was es war.

Seine Umgebung hatte sich verändert. Dort, wo eigentlich die verkohlten Überreste der Hedon-Farm sein sollten, erstreckte sich eine sanft abfallende, nach Süden hin von Felsen und riesigen Findlingen begrenzte Wiese. Die Luft roch nach frisch geschnittenem Gras und Wildnis statt nach verkohltem Holz, und statt des Sirenengeheuls, das er halbwegs erwartet hatte, drang nur das heisere Krächzen eines Vogels an sein Ohr.