Выбрать главу

Mark lachte leise. »Wir werden ihn sowieso bekommen, ob es uns paßt oder nicht.«

Vivian zog die Brauen zusammen. »So?«

Mark nickte gelassen. »Sicher. Wenn wir nicht offiziell zustimmen, wird man uns eben etwas unauffälliger beobachten, aber den Schutz bekommen wir auf alle Fälle. New York kann es sich nicht leisten, uns zu verärgern. Es gibt schließlich den Taylor-Konzern.«

»Du übertreibst.«

»Keineswegs. Wenn alles so läuft, wie ich es mir gegenwärtig vorstelle, werden unsere Niederlassungen hier der Stadt demnächst Millionen an Steuergeldern einbringen, und nichts braucht New York dringender als Geld. Ob es dir paßt oder nicht - wir gelten im Moment als äußerst wichtige Personen.«

»Und nur wegen ein paar kleinkarierter Ganoven sieht man plötzlich die Verhandlungen bedroht?«

Mark lächelte, und sie stiegen gemeinsam in die Liftkabine. »Wohl kaum. Bloß ist den Herren im Stadtrat wahrscheinlich jetzt erst aufgefallen, wie gefährdet wir sind. Die beiden hätten theoretisch auch Touristen sein können, und wenn man hier einen Anschlag auf uns unternommen hätte, würde das für einige der hohen Tiere ziemlich unangenehme Folgen haben.«

»Aber das ist doch totaler Blödsinn!«

»In dieser Welt ist vieles blödsinnig.« Mark lächelte. Sie betraten ihr Apartment.

»Ich bin froh, wenn wir wieder von hier weggehen«, stieß Vivian hervor. Sie ging zum Fenster hinüber und warf einen Blick hinaus. Obwohl sie sich nur im dritten Stock befanden, schien die Straße tief unter ihr zu liegen. Die wenigen Passanten bewegten sich seltsam ruckartig, wie bei einem alten, mit viel zu hoher Geschwindigkeit gedrehten Film. Wenn sie aus einer größeren Höhe nach unten schaute, empfand Vivian durch ihre Höhenangst fast augenblicklich Schwindel, und sie wandte den Kopf rasch wieder ab. »Ich hasse diese Stadt. Hier ist alles so voller Hektik, so seelenlos, wie in einer Roboterfabrik.«

Mark musterte sie durchdringend. »Was ist eigentlich mit dir los?« fragte er unverblümt. »So nervös kenne ich dich überhaupt nicht.«

Vivian zuckte unwillig mit den Achseln. »Nichts. Ich ... ich fühle mich nicht besonders wohl«, antwortete sie.

»Wegen des Unfalls?« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Vergiß die Sache. Selbst wenn es kein abgekartetes Spiel gewesen sein sollte, kann der Mann nicht schwer verletzt gewesen sein, sonst wäre er wohl kaum so schnell verschwunden.«

Vivian wußte, daß Mark recht hatte, aber die seltsame unerklärliche Unruhe, die von ihr Besitz ergriffen hatte, schien sich eher noch zu verstärken. Irgend etwas war mit diesem Mann nicht in Ordnung gewesen. Sie war sich vollkommen sicher, daß er im Spiegel nicht sichtbar gewesen war, auch wenn dies unmöglich war. Sie stieß sich vom Fenster ab und ging auf Mark zu. Es hatte keinen Sinn, sich den Kopf über etwas zu zerbrechen, das sie im Moment sowieso nicht lösen konnte. »Du hast recht«, flüsterte sie. Sie schlang die Arme um seinen Hals, hauchte einen Kuß auf seine Lippen und preßte ihr Gesicht gegen seines. »Entschuldige, Liebling. Ich bin wohl einfach etwas überreizt.«

»Da geht es nicht nur dir so.« Marks Finger streichelten sanft ihre Wange. »Sobald wir das Geschäft hinter uns gebracht haben, machen wir uns ein paar schöne Tage. Dann kann uns der Rest der Welt gestohlen bleiben.«

»Ich freue mich schon darauf. Allerdings warne ich dich schon jetzt: Wenn du irgend jemandem Bescheid sagst, wo man dich erreichen kann, dann kratze ich dir die Augen aus.«

»Ich verspreche dir, keiner wird uns stören.« Mark löste sich aus seiner Umarmung. »Aber noch ist es nicht soweit. Es wird Zeit, daß wir uns für den Empfang zurechtmachen, wenn wir nicht zu spät kommen wollen.«

Vivian nickte widerwillig. »Ich fürchte, du hast recht. Dabei habe ich überhaupt keine Lust.«

»Vielleicht wird es ganz unterhaltsam«, erklärte Mark wenig überzeugend. »Immerhin - wer wird schon vom Bürgermeister New Yorks zu einer Party eingeladen?«

»Wahrscheinlich ein paar hundert absolut langweilige Leute«, konterte Vivian. Sie drehte sich um und ging auf das Badezimmer zu. »Ich mache mich nur ein wenig frisch und ziehe mich um, dann ...« Sie brach ab. Ihre Augen weiteten sich ungläubig.

Mark war mit einem Satz bei ihr. »Was hast du?«

»Ich ... ich weiß jetzt, worauf es die beiden Kerle wirklich abgesehen hatten«, sagte Vivian stockend. »Mein Amulett. Sie ... sie haben mir mein Amulett gestohlen!«

6

Jeremy Cramer schloß wie stets pedantisch seinen Wagen hinter sich ab, überzeugte sich trotz der Zentralverriegelung mit einem zusätzlichen Blick davon, daß alle vier Türen verschlossen waren und die Alarmanlage in Betrieb war und verließ dann die Garage. Die elektronisch gesteuerten Türen aus Panzerstahl schlossen sich hinter ihm. An der Korridordecke glomm ein winziges rotes Auge auf, als die automatische Überwachungsanlage ihr Videosystem aktivierte. Niemand, der sich dem Haus auf mehr als zehn Meter näherte, konnte auch nur einen Schritt machen, ohne überwacht zu werden.

Es gab Tage, da fühlte sich Cramer wie ein Gefangener in seinem eigenen Haus. Die äußerlich schmucke und gepflegte Villa schien sich in nichts von den Häuser zu unterscheiden, die das Stadtbild in dieser Gegend New Yorks bestimmten. Aber der Schein täuschte - das Haus war eine Festung. Die Videoanlage war nur ein Teil der nach menschlichem Ermessen absolut unüberwindlichen Sicherheitsvorkehrungen. Das begann bei den Stahlbetonwänden, ging über schußsichere Fenster und Berührungssensoren unter dem Rasen, bis hin zu den kunststoffverkleideten Stahltüren, die im Falle des Angriffs per Knopfdruck unter Starkstrom gesetzt werden konnten. Und die Sicherheit, die der Staat Jeremy Cramer und seiner Familie garantierte, hörte keineswegs an seiner Grundstücksgrenze auf. Sein Wagen war eine Art getarnter Panzer, den man höchstens mit einer Kanone beschädigen konnte, und selbst seine Kinder wurden auf dem Weg zur Schule von zwei FBI-Agenten überwacht, die die beiden sogar ins Ferienlager begleitet hatten.

Aber Cramer wußte auch, daß dieser Aufwand nicht ihm persönlich galt. Es waren sein Wissen und vor allem der schmale, in braunes Leder eingeschweißte Dienstausweis in seiner Brusttasche, den die Stadt mit so hohem Aufwand schützte. Jeremy Cramer war der Chef des New Yorker FBI. Er hatte das Amt in dieser Stadt vor zwölf Jahren übernommen, und er hatte es in dieser Zeit geschafft, die Stadt merklich sicherer zu machen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger baute Cramer auf das Rezept, so eng mit der städtischen Polizei, privaten Sicherheitsunternehmen und dem Geheimdienst zusammenzuarbeiten, wie überhaupt möglich. Sein gewagtes Vorgehen hatte schon nach wenigen Jahren Erfolg gezeigt - die allgemeine Kriminalität in der Riesenstadt war zwar nicht zurückgegangen, aber auch nur geringfügig gestiegen, was angesichts der gigantischen Steigerungen der Verbrechensrate in nahezu allen anderen amerikanischen Großstädten bereits einen gewaltigen Erfolg darstellte. Alle Prognosen Anfang der achtziger Jahre hatten gerade für New York eine weit überdurchschnittliche Zunahme an Gewaltverbrechen vorausgesagt, doch es war vor allem Jeremy Cramers unermüdlichem Engagement zu verdanken, daß dieser Trend nicht nur bei der Straßenkriminalität umgekehrt werden konnte, sondern es war ihm sogar gelungen, zwei der vier Mafiafamilien, die das organisierte Verbrechen in der Stadt unter sich aufgeteilt hatten, zu zerschlagen. Auf der Todesliste der Syndikate stand sein Name mit weitem Abstand an erster Stelle, und er hatte es längst aufgegeben, die mißlungenen Attentate noch zu zählen, die bereits auf ihn verübt worden waren.

Cramer ging ins Wohnzimmer hinauf, stellte seinen Aktenkoffer ordentlich in die gewohnte Ecke und ließ sich in einen Sessel fallen. Die Kinder waren mit der Schule unterwegs, und seine Frau verbrachte den Nachmittag mit einem der regelmäßigen Kaffeekränzchen bei den Mastertons; das Haus war leer. Aber es kam auch nicht öfter als ein paarmal im Jahr vor, daß Cramer so zeitig nach Hause kam. Er schloß die Augen, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und genoß für ein paar Sekunden den Luxus, an gar nichts zu denken. Selten genug fand er Zeit für sich selbst.