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Er sah sich rasch nach rechts und links um und ging dann zum Portier hinüber. Vivian sah, wie er ein paar Worte mit dem Mann wechselte, der dann mit der Hand in ihre Richtung deutete. Marks Kopf ruckte herum. Für einen Herzschlag stand auf seinem Gesicht maßlose Verblüffung. Dann lächelte er, bedankte sich mit einem flüchtigen Kopfnicken beim Portier und kam mit ausgebreiteten Armen auf Vivian zu. »Vivian!« rief er. Seine Stimme klang warm und herzlich wie immer, und in seinem Blick schien echte Freude zu liegen. »Ich hatte mir schon Sorgen um dich gemacht. Wo warst du die ganze Zeit?«

Er erreichte Vivian, umarmte sie flüchtig und trat einen Schritt zurück. »Entschuldige bitte - dieser Idiot von Portier hat nicht einmal gemerkt, daß ich schon längst zurückgekommen war. Willst du mir nicht deine Freunde vorstellen?« Er sah Jack, Sheldon und Steven durchdringend an und lächelte dann erneut. »Es sind doch deine Freunde, oder?«

Vivian nickte zögernd. Alles in ihr schien verkrampft, drängte danach, sich an Marks Hals zu werfen und diesen ganzen, gräßlichen Alptraum zu vergessen. Dieser Mann war nicht Mark, dachte sie immer wieder. Er ist nicht Mark. Er ist nicht der Mark, den ich kenne.

»Gehen wir doch hinauf«, sagte Mark mit einer einladenden Geste. Vivian schüttelte ruckhaft den Kopf und wich unwillkürlich einen Schritt von dieser vertrautunheimlichen Erscheinung zurück. Marks Brauen schienen sich mißbilligend zusammenzuziehen. Aber er hatte sich augenblicklich wieder in der Gewalt. »Du bist sauer wegen gestern abend«, erklärte er. »Ich verstehe dich. Aber diese Party war einfach zu langweilig, deswegen bin ich eher gegangen.«

Für einen Moment war Vivian versucht, ihm zu glauben. Sie hatte Mark nur zu Beginn des Empfangs gesehen, und wenn er früher gegangen sein sollte ... Aber das war natürlich Unsinn. Mark hätte nicht so einfach von der Feier verschwinden können, selbst wenn sie ihm noch so langweilig erschienen sein mochte. Schließlich war er nicht nur hingegangen, um sich zu amüsieren, sondern um Kontakte zu knüpfen, wichtige geschäftliche Kontakte, auf die er nicht aus einer Laune heraus verzichtet hätte. Er war es von Jugend an gewöhnt, an noch wesentlich förmlicheren und langweiligeren Empfängen teilzunehmen. Vor allem aber wäre er niemals ohne sie gegangen, oder ohne ihr wenigstens Bescheid zu sagen.

Sie sah in Marks Gesicht und entdeckte in seinen Augen eine Kälte, die das sanftmütige Lächeln, mit dem er sie um Verzeihung zu bitten schien, Lügen strafte.

»Ich möchte dir etwas zeigen«, sagte sie stockend. Sie spürte, wie Sheldon neben ihr aufatmete, und merkte plötzlich, wie lange sie wie versteinert dagestanden und Mark angestarrt hatte.

»Was?«

»Draußen. Es ist im Wagen.«

Mark zögerte, zuckte schließlich mit den Achseln und nickte. »Gut. Gehen wir.«

Sie verließen das Hotel. Mark schien nicht zu bemerken, daß sich Sheldon und Jack unauffällig neben ihn schoben, während der hünenhafte Steven wie zufällig direkt hinter ihm ging.

»Der Wagen steht dort vorne«, sagte Vivian. Sie deutete auf einen klapprigen, viertürigen Ford, der so aussah, als würde er nur noch vom Rost zusammengehalten. Sheldon hatte sich den Wagen von seiner Mutter ausgeborgt. Er hatte es jedenfalls behauptet. Aber Vivian befürchtete, daß die alte Dame - falls es sie überhaupt gab - nichts von dieser Leihgabe wußte.

»Was soll die Geheimnistuerei eigentlich?« fragte Mark plötzlich. Er blieb stehen, runzelte die Stirn und sah Vivian mißbilligend an. »Du bist doch normalerweise nicht so exzentrisch?«

Vivian antwortete nicht, sondern ging mit eiligen Schritten weiter. Mark folgte ihr notgedrungen, flankiert von den beiden Führern der Motorradgang. Sie öffnete die hintere Tür des Fords, machte eine einladende Geste und wartete, bis Mark sich neugierig in das Innere des Wagens beugte. Ihr Blick tastete fast ängstlich zum Innenspiegel. Obwohl sie den Anblick erwartet hatte, war es ein Schock. Sie sah sich selbst, ihre angstvoll geweiteten Augen. Sie sah Sheldon, der dicht neben der Tür stand und Mark den Rückweg verwehrte. Sie sah Jacks zum Schlag erhobene Hand ... aber Mark Taylor war im Spiegel nicht sichtbar! Vivian stöhnte unwillkürlich auf und sog scharf die Luft ein. Mark ruckte in einer schlangenartigen Bewegung herum. Auf seinem Gesicht spiegelte sich zuerst Überraschung, dann Zorn und eine Spur von Angst, als er begriff, daß er in eine Falle gegangen war.

Aber seine Reaktion kam zu spät. Jacks Faust sauste mit der Wucht eines Vorschlaghammers auf seinen Nacken herab. Mark stieß einen unterdrückten Fluch aus, ruderte in der Enge des Wagens hilflos mit den Armen und kippte vornüber.

Yivian stöhnte erneut auf. Obwohl sie wußte, daß dieser Mann nichts mit dem Mark Taylor, den sie kannte, gemein hatte, hatte sie das Gefühl, daß der Schlag nicht ihn, sondern sie getroffen hatte. Sie drehte sich um und wandte den Blick von der Szene ab.

Der Schlag hatte das Spiegelwesen, das Marks Taylors Stelle eingenommen hatte, nicht sonderlich beeindruckt, aber allein die Wucht des Hiebes ließ ihn vornüber auf den Sitz fallen. Die drei gaben ihm nicht die geringste Chance. Er fühlte, wie kräftige, sehnige Hände nach seinen Armen griffen und sie auf den Rücken bogen, und versuchte mit der ganzen unmenschlichen Kraft, die er aufbringen konnte, sich zu befreien. Aber auch seinen Kräften waren Grenzen gesetzt. Gegen die drei starken, kampferprobten Männer kam er nicht an. Je mehr er sich aufbäumte, um sich aus der Umklammerung zu befreien, desto gnadenloser schien der Griff Jacks und Sheldons zu werden.

»Die Handschellen, schnell!« zischte Sheldon.

In Stevens Fäusten erschien ein Paar schimmernder Handschellen. Unter Marks protestierendem Gebrüll ließ er die stählerne Acht um dessen Handgelenk schnappen, beförderte ihn mit einem unsanften Stoß ganz in den Wagen hinein und warf sich auf den Sitz neben ihm. Jack eilte um den Wagen herum und postierte sich auf der anderen Seite des wild um sich schlagenden Gefangenen, während Sheldon sich hinter das Steuer klemmte und den Motor anließ. Vivian setzte sich neben ihn auf den Beifahrersitz. Sie vermied es krampfhaft, Mark anzusehen.

Der Wagen rollte langsam los und fädelte sich in den fließenden Verkehr ein. Die Kampfgeräusche auf dem Rücksitz verstummten allmählich. Mark schien eingesehen zu haben, daß er gegen seine beiden Bewacher keine Chance hatte. Und auch seine übermenschlichen Kräfte schienen nicht imstande zu sein, die Handschellen zu sprengen. »Vivian!« keuchte er. »Was zum Teufel soll das bedeuten? Bist du total übergeschnappt?«

Vivian schluckte krampfhaft und setzte zu einer Antwort an, aber ihre Stimme versagte ihr den Dienst. Es ist nicht Mark! hämmerte sie sich immer wieder ein.

»Vivian - bitte ... erklär mir doch wenigstens, was das Ganze soll!« schrie Mark. Die Verzweiflung in seiner Stimme hörte sich vollkommen echt an.

Vivian drehte sich schweratmend auf dem Beifahrersitz herum und zwang sich, Mark ins Gesicht zu sehen. Seine Augen waren unnatürlich geweitet, und in seinem Blick flackerte Panik. »Gib auf«, sagte sie leise. Die Worte erforderten ihre ganze Kraft. »Hör auf mit dem Theater, Mark. Ich wußte von Anfang an ...« Ihre Stimme versagte abermals, und die Worte gingen in einem trockenen Schluchzen unter. »Mark, ich ...«

Die Verzweiflung verschwand schlagartig aus Marks Gesicht. »Ich hätte mir denken können, daß du nicht drauf reinfällst«, sagte er kalt. Der Klang seiner Stimme ließ Vivian erschaudern. Er lehnte sich zurück, setzte sich, so weit dies die Handschellen und der unbarmherzige Griff seiner beiden Bewacher zuließ; bequem hin und starrte scheinbar teilnahmslos aus dem Fenster. »Und was versprichst du dir von diesem Spielchen?« fragte er.

Vivian starrte ihn durch einen Schleier von Tränen an. »Mark ...«

»Mark, Mark, Mark ...« äffte er ihren Tonfall nach. »Hör auf zu flennen, dumme Kuh.« Er lachte grausam und bedachte Vivian mit einem Blick, der ihr wie ein glühendes Messer in die Brust zu stechen schien. »Freu dich ruhig über deinen Sieg«, fügte er dann grinsend hinzu. »Freut euch ruhig - du und deine drei Freunde. Wenn es euch Spaß macht, spielt ruhig noch ein bißchen Räuber und Gendarm. Du bist dir darüber im klaren, daß ihr keine Chance habt?«