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Nein! schrie sie gepeinigt, doch der Schrei hallte nur in ihrem eigenen Schädel wider.

Conelly ließ seine Maske fallen, verzichtete auf jede Rücksicht. Wie ein ausgehungertes Raubtier fiel er über ihr Bewußtsein her, sog ihr Potential begierig in sich auf und fügte sie seinen eigenen Kräften hinzu.

Erneut begann Vivian zu schreien, doch abermals drang kein Laut über ihre Lippen. Conelly hatte niemals vorgehabt, gemeinsam mit ihr von hier zu fliehen. Statt dessen zapfte er ihre Kräfte an, um sie für seine eigene Flucht zu benutzen, gleichgültig, was aus ihr wurde. Vivian begriff, daß sie sterben würde. Verbissen kämpfte sie gegen den fremden Einfluß an, stemmte sich gegen Conellys Sog, doch sie war schon zu geschwächt.

Dann ...

Sie wußte selbst nicht, was geschah. Conelly brach ihren Widerstand, doch im gleichen Moment riß er eine Schranke in ihrem Geist ein, von deren Existenz nicht einmal Vivian selbst etwas gewußt hatte. Urgewaltige Kräfte brodelten in ihr hoch und überfluteten ihr Bewußtsein. Wie beiläufig fegte sie Conellys geistige Fühler zurück, kehrte den Sog um und riß nun ihrerseits seine Kräfte mit einem urgewaltigen Griff an sich. Plötzlich war es Conelly, der gellend schrie, aber selbst wenn sie es gewollt hätte, hätte Vivian nicht mehr aufhören können.

Für einen kurzen Moment nahm sie ihre Umgebung noch einmal bewußt wahr. Sie sah die spiegelnden Wände des Labyrinths um sich herum, und sie sah Conelly, der vor ihr auf dem Boden lag. Er wirkte geschrumpft, wie mumifiziert - ausgebrannt.

Vivian widmete ihm nur einen kurzen Blick, dann wandte sie sich zu dem Spiegel neben ihr um und schlug mit geballter geistiger Macht zu.

Im nächsten Moment hatte sie das Gefühl, direkt durch eine zersplitternde Glasscheibe zu stürzen. Ihre Umgebung schien zu zerbersten, in Millionen klirrender Scherben zu zerbrechen, und irgendwo schien eine gigantische Bogensaite gespannt zu werden. Vivian taumelte, fiel vornüber und prallte auf den schmutzigen Lehmboden.

Dann verlor sie das Bewußtsein.

19

Obwohl Melissa Conellys Killergeschöpf schwer zusetzte, gab es noch nicht auf. Ulthar wich den zuschnappenden Kiefern im letzten Augenblick aus. Die fingerlangen Reißzähne schlugen ins Leere. Das dumpfe, an eine zuschnappende Bärenfalle erinnernde Geräusch, mit dem die Kiefer der Bestie aufeinanderschlugen, vermischte sich mit seinem wütenden Fauchen.

Quaraans kleine, heimtückischen Augen funkelten boshaft. Das Wesen schien eingesehen zu haben, daß Ulthar auf normalem Wege nicht zu besiegen war. Die Echsenkreatur besaß Körperkräfte, mit denen sie einen Elefantenbullen hätte niederringen können. Aber den unsichtbaren Gewalten, mit denen sie hier konfrontiert wurde, war sie trotz allem nicht gewachsen. Der kleine, schuppige Kopf ruckte in einer wütenden Bewegung herum, während er abwechselnd Ulthar und die schlanke, dunkelhaarige Frau musterte, deren übersinnliche Kräfte ihn immer wieder von seinem Opfer zurückrissen.

Der Magier kroch mit schmerzverzerrtem Gesicht von dem tobenden Ungeheuer weg. »Vernichte ihn«, stöhnte Ulthar. Seine Stimme zitterte, aber es war nicht festzustellen, ob sie von Haß oder Schmerz entstellt war. Quaraans Zähne hatten sich tief in seine Schulter gegraben, ehe sein erster Angriff abgeschlagen worden war. Blut lief aus Ulthars zerfetztem Hemd und bildete eine langsam größer werdende Lache unter seinem Körper. Aber das lodernde, fanatische Feuer in seinen Augen war ungebrochen. Im Gegenteil - der heimtückische Angriff schien seine Entschlossenheit noch gesteigert zu haben.

Quaraan zischte drohend. Sein Schädel pendelte wie der Kopf einer angreifenden Kobra hin und her, während er sich dem neuen Gegner zuwandte.

»Vernichte ihn!« schrie Ulthar noch einmal. Er richtete sich mühsam auf Hände und Knie auf, versuchte auf die Beine zu kommen und sackte mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück. Die Wunde an seiner Schulter begann stärker zu bluten.

Aber sein Befehl war gehört worden. Hinter der Stirn der jungen Frau ballten sich unbegreifliche Energien zusammen. Quaraan schrie gellend auf, als die PSI-Kräfte seiner Gegnerin erbarmungslos zuschlugen. Er kippte nach hinten, wurde haltlos durch die Luft geschleudert und mit brutaler Wucht auf den Steinboden geschmettert. Roter Nebel wallte vor seinen Augen, und in seinem Mund war plötzlich scharfer, bitterer Blutgeschmack. Der Geschmack der Niederlage. Ein helles, grausames Lachen drang durch den Vorhang aus Schmerz und aufkommender Bewußtlosigkeit. Seine Gegnerin bewegte sich, tänzelte leichtfüßig auf ihn zu und hob fast beiläufig die Hand. Sengender Schmerz brannte sich in Quaraans Körper und schmetterte ihn abermals zu Boden.

Dennoch gab er auch jetzt noch nicht auf. Er hätte es gar nicht gekonnt, selbst wenn er gewollt hätte. Er war geschaffen worden, um zu töten, und deshalb würde er einen Kampf niemals aufgeben. Notfalls würde er bis zu seinem eigenen Tod kämpfen.

Trotz seiner nur geringen Intelligenz erkannte er, daß die Frau die gefährlichere Gegnerin war. Sie hinderte ihn daran, das Opfer zu töten, also würde er erst sie vernichten müssen. Quaraan schüttelte sich, sprang auf und ging seinerseits zum Angriff über. Er fauchte, bäumte sich auf und schlug mit allen vier Pfoten und dem stachelbewehrten Schwanz nach dem Körper seiner Gegnerin.

Sein kleiner, gepanzerter Körper schnellte wie eine Stahlfeder durch die Luft.

Er erreichte die Frau nicht.

Eine unsichtbare Hand schien ihn mitten im Sprung zu packen und schleuderte ihn mit solcher Wucht zurück, daß er gegen die Wand krachte. Diesmal klang sein Fauchen eher kläglich.

Melissa kam mit langsamen Schritten näher. Ein hartes, grausames Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Ihre dunklen Augen richteten sich mit hypnotischer Kraft auf das kleine Echsenwesen. »Sieh mich an«, flüsterte sie. »Sieh mich an. Schau mir in die Augen!«

Quaraans Kopf kam in einer unendlich langsamen Bewegung hoch. Sein Körper zitterte wie unter einem Krampf, und aus seiner Brust drang ein dumpfes, wehleidiges Stöhnen.

»Sieh mich an«, flüsterte Melissa noch einmal. »Komm her zu mir!« Das Ungeheuer stand langsam auf. Seine Bewegungen wirkten mit einemmal hölzern und roboterhaft. Gehorsam wie ein gut dressierter Hund ging er auf Melissa zu und blieb dicht bei ihr stehen.

»Gut gemacht!« lobte Ulthar. Er rappelte sich mühsam hoch, humpelte an Melissas Seite und bedachte das wehrlose Echsenwesen mit einem halb triumphierenden, halb verächtlichen Blick. Dann drehte er sich mit einer abrupten Bewegung um und verließ den Raum. »Töte es!« befahl er im Hinausgehen.

Melissa nickte unmerklich. Um ihre Lippen spielte ein böses Lächeln ...

Es war noch immer heller Tag, als Vivian erwachte, obwohl sie das Gefühl hatte, sehr lange geschlafen zu haben. Sie öffnete die Augen, atmete tief ein und richtete sich mühsam auf die Ellbogen auf. In ihr war die dumpfe, verschwommene Erinnerung an einen Alptraum, in dem sie das Gefühl gehabt hatte, irgendeine phantastische, unbegreifliche Grenze durchbrochen zu haben.

Alptraum?

Sie blinzelte, schüttelte sich die Haare aus dem Gesicht und besah sich ihre Umgebung genauer. Das Labyrinth, das Gebäude, die blitzenden, zum Wahnsinn treibenden Spiegel - alles war verschwunden. Sie lag auf nacktem, unebenen Lehmboden. Früher einmal mußte hier ein Gebäude gestanden haben - seine Umrisse waren noch vage zu erkennen, und rechts von ihr reckte sich wie ein mahnend stehengelassenes Monument ein leerer Türrahmen in die Luft. Dahinter waren die Konturen weiterer Gebäude zu erkennen.

Vivian blinzelte zu dem grellen Feuerball der Sonne empor. Ihre Armbanduhr war kaputt, aber es mußte bereits ziemlich spät sein. Die Sonne stand tief im Westen, senkte sich dem Ende ihrer täglichen Wanderung entgegen und übergoß den Himmel mit einem wahren Feuerwerk von Rot und Orange, durchzogen mit Streifen von Gold und dem ersten, kaum merklichen Schimmer der Dämmerung.