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Mark runzelte die Stirn, sagte aber nichts.

»Wir ... wir müssen es zerstören«, fügte Vivian stockend hinzu.

Mark starrte sie ungläubig an. »Du ...du bist verrückt«, stieß er hervor. Auf seiner Stirn perlte Schweiß. »Wie ... wie sollten wir wohl das hier vernichten? Das ist das Zentrum der Kristallfestung, das Herz Morons. Niemand kann ihm etwas anhaben!«

»Bevor ihr weiterstreitet«, sagte Masterton plötzlich, »dreht ihr euch vielleicht zuerst einmal um. Wir bekommen Besuch.«

Vivian und Mark fuhren herum. Über den Steg stürzten Dutzende der riesigen Hornkrieger heran.

Die Tür schwang auf. Grelles, schmerzhaft intensives Licht blendete Mary-Lou. Sie hörte Geräusche, das Scharren eines Stuhles; Schritte. Dann ein leises, meckerndes Lachen.

»Treten Sie ein, meine Herrschaften.«

Sheldon versetzte seinem Gefangenen einen wütenden Stoß, der den Mann zur Seite taumeln ließ, und sprang mit einem Satz durch die Tür. Mary-Lou und Jeremy folgten ihm langsamer.

Das Zimmer war klein; ein rechteckiger, schäbig eingerichteter Raum mit rohen Holzwänden, durch deren Ritzen Sonnenlicht hereinsickerte. Der Fußboden bestand aus nacktem, festgestampftem Lehm, und von der fleckigen Decke blätterte uralter Putz ab. Ein wackeliger Tisch mit einem ebenso altersschwachen Stuhl, ein einzelner, deckenhoher Spiegel und ein schwerer Samtvorhang, der fast eine gesamte Wand in Anspruch nahm, stellten die gesamte Einrichtung dar.

Aber dafür hatte Mary-Lou nicht mehr als einen flüchtigen Blick übrig. Ihre gesamte Aufmerksamkeit war auf Ulthar gerichtet. Obwohl sie bisher nicht mehr als den Namen des Magiers gekannt hatte, wußte sie sofort, wen sie vor sich hatte. Der Mann war klein, alt, schmalschultrig und verrunzelt. Er hatte nur einen Arm, wodurch seine Figur seltsam verschoben und unproportioniert wirkte. Trotzdem schauderte Mary-Lou, als sie dem Spiegelmeister gegenüberstand. Der alte Mann strahlte ein ungeheures Selbstbewußtsein aus. Eine knisternde, beinahe faßbare Aura der Macht schien die zerbrechliche Gestalt zu umgeben.

»Auf diesen Moment habe ich gewartet«, zischte Sheldon. Er bewegte sich mit kleinen, tänzelnden Schritten auf Ulthar zu.

Ulthar lächelte unbeeindruckt. »Sie sind voreilig, junger Mann«, sagte er sanft. »Wie so viele Menschen in Ihrem Alter.«

Sheldon stieß die Tür mit einem ärgerlichen Knurren zu und überzeugte sich davon, daß außer Ulthar, Mary-Lou, Jeremy und ihm niemand im Raum war. »Was haben Sie mit Frank gemacht?« fragte er drohend.

»Frank?« Ulthar runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht ...«

Sheldon war mit einem einzigen Satz bei ihm. »Du verstehst ganz gut, du verdammtes Ungeheuer. Ich will wissen, wo mein Bruder ist!« Er schüttelte Ulthar wütend und stieß ihn dann grob von sich. Der Magier taumelte zurück, prallte gegen den Vorhang und hielt sich an seinen Falten fest.

Mary-Lou hatte den Eindruck, als ob sich der Vorhang ärgerlich bewegte. Für einen kurzen Moment mußte sie an ein schlafendes Ungeheuer denken, das durch die unsanfte Berührung geweckt worden war.

»Ich will wissen, wo Frank ist«, sagte Sheldon drohend. »Ich gebe dir genau zehn Sekunden Zeit, es mir zu erklären, sonst ...«

In Ulthars Gesicht zuckte ein Muskel. »Sonst?«

Sheldon trat drohend auf ihn zu.

»Bleib stehen!« befahl Ulthar. Im gleichen Moment wurde die Tür, durch die sie hereingekommen waren, erneut geöffnet, und Polizeichef Bender - das Spiegelbild Benders - trat ein. In der Hand hielt er eine Pistole. »Sehen Sie besser ein, daß die Zeit des Heldenspielens vorbei ist«, sagte Ulthar. »Mir ist es egal, ob ihr lebt oder tot seid. Es dürfte nur für euch einen kleinen Unterschied machen.«

Er lächelte dünn und schaute Sheldon an. »Du bist wirklich nur gekommen, weil du glaubst, ich hätte deinen Bruder, du Dummkopf? Denkst du, ich könnte mich an jeden erinnern, der mir in die Falle gegangen ist? Ich habe so viele Sklaven, daß ich von den meisten nicht einmal den Namen weiß, und da soll ich mich ausgerechnet an deinen Bruder erinnern?« Er lachte kalt. »Ihr seid alle drei Narren«, sagte er dann abfällig. »Habt ihr euch wirklich eingebildet, hierher vordringen zu können, wenn ich es nicht will?« Er lachte noch einmal, drehte sich um und ordnete behutsam die Falten des Samtvorhanges. Sheldon entging nicht der besorgte Ausdruck, der dabei über das Gesicht des Magiers glitt.

»Ich gebe zu, daß die Idee nicht schlecht war, die Spiegel zu zerschlagen. Aber mehr als ein Ärgernis war es nicht.« Ulthar sah Sheldon spöttisch an, hakte den Daumen hinter den Gürtel und wies mit einer Kopfbewegung auf den Spiegel, auf dem ein getreues Abbild des Saales zu sehen war. »Mit ein bißchen logischem Nachdenken hättet ihr selbst darauf kommen können«, sagte er beiläufig. »Glaubst du wirklich, du könntest mir ernsthaft Schaden zufügen?« Er deutete auf die Kette in Sheldons Hand. »Weg damit!«

Sheldons Griff löste sich. Die Kette fiel klirrend zu Boden.

»Ich habe euch nur aus einem einzigen Grund hierher kommen lassen«, fuhr Ulthar fort. »Und dieser Grund sind Sie, meine Liebe.« Er fuhr herum, starrte Mary-Lou an und lächelte sein böses, humorloses Schlangenlächeln. »Oder vielmehr etwas, das Sie besitzen.«

Mary-Lou verstand überhaupt nichts mehr. Sie hatte nichts Außergewöhnliches bei sich. Ihre Brieftasche, die normalen Kleinigkeiten, die jeder mit sich herumschleppte, die Wagenschlüssel ... und das sternförmige Medaillon, das sie gefunden hatte, nachdem sie in das Labyrinth vorgedrungen war. Seit sie es eingesteckt hatte, hatte sie es völlig vergessen.

»Sie wissen, was ich meine«, sagte Ulthar. Er trat auf sie zu und streckte die Hand aus. »Geben Sie es mir.«

Mary-Lous Hände bewegten sich fast ohne ihr Zutun. Sie griff in die Tasche und zog das Medaillon hervor.

Der Magier schien zusammenzuzucken, als er den bläulich funkelnden Stein sah. Eine Mischung aus Angst und Faszination verzerrte für einen Moment sein Gesicht. »Das ist ... interessant«, sagte er stockend. »Woher haben Sie es?«

»Gefunden«, antwortete Mary-Lou.

»Gefunden? Wo?«

»Hier. Direkt nachdem ich das Gebäude betreten hatte. Es ... lag auf dem Boden. Jemand muß es verloren haben.«

»Es gehört Vivian Taylor«, sagte Sheldon. Er war verwirrt, jetzt, als er das Amulett sah, erinnerte er sich wieder deutlich, wie sie es gefunden hatten und Mary-Lou es eingesteckt hatte, aber während der ganzen seither verstrichenen Zeit hatte er nicht ein einziges Mal mehr daran gedacht. Fast als hätte das Medaillon nicht gewollt, daß sie sich an seine Existenz erinnerten ...

Ulthar nickte. »Es gehört Vivian«, bestätigte er. »Das also war es. Ich habe mich die ganze Zeit über gefragt, weshalb sie so weit vordringen konnten. Ich hatte das Ding selbst schon einmal, aber anscheinend habe ich seine Kraft falsch eingeschätzt, sonst hätte ich es kaum so leichtfertig wieder aus der Hand gegeben. Geben Sie es mir!«

Auffordernd streckte er die Hand aus. Für einen Moment war seine Aufmerksamkeit ganz auf Mary-Lou und das Medaillon gerichtet.

Diesen Moment nutzte Sheldon aus. Er wußte nicht, was sich hinter dem Samtvorhang befand, aber er erinnerte sich deutlich der Furcht, die er vorhin auf Ulthars Gesicht gesehen hatte, und spürte, daß er dem Geheimnis des Magiers so nah wie nie zuvor war. Mit einem gewaltigen Satz sprang er vor.

Bender schoß.

Der Schuß hallte in der engen Kammer wie Kanonendonner, aber die Kugel verfehlte Sheldon. Dann hatte er den Vorhang erreicht und riß ihn im Fallen mit einem kraftvollen Ruck herunter. Dahinter kam ein riesiger, gebogener Spiegel zum Vorschein und darin ...

Mary-Lou schrie entsetzt auf, aber ihr Schrei ging in Ulthars grellem, angsterfülltem Kreischen unter. Selbst Bender erstarrte, nur Jeremy verschwendete keinen Augenblick damit, in den Spiegel zu schauen, sondern sprang auf den Polizeichef zu und riß ihm die Pistole aus der Hand. Mary-Lou bemerkte es nicht einmal.