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»Nicht viel«, schränkte Mark ein. »Die Landung war zwar etwas unsanft, das muß ich zugeben, aber sonst ...«

Vivian lächelte flüchtig. Mark schien wirklich nicht ernsthaft verletzt zu sein. Seinen Galgenhumor hatte er jedenfalls nicht verloren.

»War sonst noch jemand in der Maschine?«

»Nein. Nur mein Mann und ich. Wir hatten Glück, daß uns der Aufprall aus der Kanzel geschleudert hat. Wahrscheinlich hat uns das das Leben gerettet.«

»Sie untertreiben. Ich verstehe zwar nichts vom Fliegen, aber ich habe noch nie gehört, daß jemand ein Flugzeug mit nur einem Flügel abfängt und dann relativ sauber landet.« Der Alte warf einen Blick auf das Wrack. »Ich heiße übrigens Hedon«, fuhr er nach einer kurzen Pause fort. »Jack Hedon. Das ist meine Frau Mary, und diese drei Burschen sind Frank, Paul und Malcolm, meine Söhne.« Er wies der Reihe nach auf die übrigen Mitglieder der Familie und sah Vivian fragend an.

»Mein Name ist Vivian Taylor«, stellte sich Vivian vor. Erleichtert registrierte sie, daß der Name den Leuten nichts zu sagen schien. »Und der Bruchpilot da drüben ist mein Mann Mark.«

Hedon grinste und ging an Vivian vorbei zum Flugzeugwrack. Seine Augen weiteten sich erstaunt, als er aus allernächster Nähe sah, wie gründlich das Flugzeug zerstört worden war.

»Allerhand«, murmelte er. »Beinahe unglaublich, daß da noch einer lebend rausgekommen ist.« Er lächelte unsicher und sah Mark nachdenklich an. »Was ist passiert?«

»Ich ... ich weiß es nicht«, improvisierte Mark hastig. »Die Motoren fielen plötzlich aus, und dann ging der Zauber auch schon los. Keine Ahnung, was wirklich passiert ist. Vielleicht habe ich auch den Sturm ein wenig unterschätzt.«

Hedon legte den Kopf in den Nacken und blinzelte in den Himmel. Die Wolkendecke hing noch immer drohend und tief über dem Wald, aber die Luft war erstaunlich ruhig. »Hm«, machte er nachdenklich. »Vielleicht sieht es ja über den Wolken anders aus.« Er bückte sich, hob ein verformtes Metallteil, dessen ursprüngliche Funktion auch mit sehr viel Phantasie nicht mehr zu erraten war, vom Boden auf und wog es unschlüssig in der Hand.

Der Traktor war inzwischen näher gekommen und mit tuckerndem Motor am Waldrand stehengeblieben. Der Fahrer stieg ab und kam mit eiligen Schritten zu ihnen gelaufen.

»Was passiert?« fragte er keuchend.

Hedon schüttelte den Kopf. »Ziemlich viel Trümmer, aber den Passagieren ist nichts zugestoßen.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Mark. »Wäre trotzdem nett, wenn du Mister ...«

»Taylor«, half Mark aus.

Hedon nickte. »Wenn du Mister Taylor zu Doc Smallbridge bringen würdest.«

»Gerne.« Der Neuankömmling wandte sich an Mark. »Wenn Ihnen meine Staatskarosse nicht nobel genug ist ...«

»Besser als laufen«, sagte Mark. »Aber es ist nicht nötig.«

»Und ob es nötig ist.« Vivian sah Mark ernst an und deutete in gespielter Strenge auf den Traktor. »Du fährst mit. Ich werde mich hier um alles kümmern.«

Mark zuckte resigniert mit den Achseln. Wenn Vivian sich einmal eine Sache wirklich in den Kopf gesetzt hatte, war es so gut wie unmöglich, sie davon wieder abzubringen. Außerdem, überlegte er, hatte sie im Grunde recht. Die Platzwunde mußte versorgt werden, und er konnte sich in der Stadt gleich darum kümmern, daß die Polizei und die Behörden verständigt wurden.

Und daß sie weiterkamen.

Nach allem, was passiert war, brannte Mark ebenso wie Vivian darauf, so schnell wie möglich nach Hause zu gelangen. Die Gefahr schien keineswegs überwunden zu sein. Melissa würde sich kaum tatenlos damit abfinden, daß sie ihre Attacke überlebt hatten. Wahrscheinlich würde über kurz oder lang ein weiterer Angriff erfolgen. Mark hatte keine Ahnung, aus welcher Richtung dieser Angriff zu erwarten war und wie er aussehen würde, aber er würde sich in der gewohnten Umgebung von Hillwood Manor entschieden wohler fühlen. Sie waren dort nicht ganz so hilflos und ausgeliefert wie hier.

Er ging zum Flugzeug zurück, warf einen letzten, bedauernden Blick auf das zermalmte Wrack und wandte sich dann resigniert an den Traktorfahrer. »Fahren wir.«

Vivian wartete, bis Mark und sein Begleiter gegangen war. Dann wandte sie sich an Hedon. »Vielleicht wäre es besser, wenn jemand die Polizei benachrichtigen würde.«

Hedon winkte ab. »Das ist schon geschehen. Clark hat sofort angerufen, als wir gesehen haben, wie die Maschine runterkam.«

»Clark?«

»Einer meiner verzogenen Söhne«, erklärte Hedon. »Er ist auf der Farm geblieben.« Er räusperte sich. »Eigentlich müßten sie längst hier sein.«

»Wer?«

»Die Polizei. Aber das dauert bei uns manchmal etwas länger.« Er lächelte entschuldigend. »Kommen Sie mit zu uns nach Hause. Meine Frau kocht Ihnen sicher gerne einen Tee. Ich glaube, den können Sie vertragen.«

Vivian nickte dankbar. »Ich habe noch Gepäck in der Maschine«, sagte sie. »Wenn wir das mitnehmen könnten ...«

»Sicher.« Hedon fuhr herum und winkte seinen Söhnen, die neugierig die Absturzstelle umlagerten. »Malcolm, Paul, Frank - ihr geht Mrs. Taylor mit dem Gepäck zur Hand.«

Vivian öffnete die Klappe des Stauraums. Einer der Koffer war aufgeplatzt und hatte seinen Inhalt in einem wüsten Chaos ausgespien. Sie stopfte die herausgefallenen Sachen eilig in den Koffer zurück, drückte ihn zu und wuchtete ihn erst dann ins Freie.

Einer der drei Hedon-Jungen griff danach und stemmte ihn in die Höhe, als wäre er schwerelos. Sie gab den anderen Koffer und die Reisetasche an die beiden übrigen Farmerssöhne weiter und verschloß überflüssigerweise die Klappe wieder, dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg zur Farm.

Auch wenn sie bei dem Absturz unverletzt geblieben war, fühlte sich Vivian mehr als erschöpft. Der Kampf gegen Ulthar hatte ihr alles abverlangt, hatte sie mehrfach bis an den Rand der völligen körperlichen und geistigen Erschöpfung getrieben. Von diesen Strapazen hatte sie sich noch längst nicht erholt. Auch der lange Flug war anstrengend gewesen, die Zeitumstellung - von dem Absturz erst gar nicht zu reden. Sie fühlte sich ausgelaugt, und jeder Schritt fiel ihr schwer, aber zum Glück brauchten sie nicht allzu weit zu laufen. Die Farm der Hedons lag nur eine knappe Meile von dem Waldstück entfernt, in dem sie abgestürzt waren. Als Vivian hinter Jack Hedon durch das schmale, mit Efeu und wilden Rosen überwucherte Tor ging, näherte sich von Norden her das Geräusch einer Polizeisirene.

Hedon verzog spöttisch das Gesicht. »Unsere gute Polizei«, sagte er. »Sie kommt mal wieder, wenn alles zu spät ist.«

»Kommen Sie, Mrs. Taylor.« Mary Hedon berührte Vivian sanft am Arm und führte sie ins Haus. »Wir können genausogut hier drinnen auf die Polizei warten.«

Das Haus erwies sich als überraschend hell und sauber. Die moderne, funktionale Küche stand im krassen Gegensatz zu dem verfallenen Äußeren des Fachwerkgebäudes, und die übrige Einrichtung schien, soweit Vivian mit ein paar flüchtigen Blicken erkennen konnte, ebensowenig auf einen kleinen, abseits gelegenen Bauernhof zu passen. Irgendwie hatte sie erwartet, daß hier noch alles wie vor hundert Jahren sein würde, obwohl sie wußte, daß es ein unsinniges Klischee war. Die Segnungen der Zivilisation machten auch vor der ländlichen Idylle längst nicht mehr halt.

Sie ließ sich den Weg ins Bad zeigen, verschloß die Tür sorgfältig hinter sich und zog Jacke und Bluse aus. Das eisige Wasser tat gut, als sie sich Blut und Schmutz aus ihrem Gesicht wusch. Sie trocknete sich ab, zog sich wieder an und verließ das Bad. Als sie über den Flur ging, hörte sie Jack Hedon leise mit jemandem reden. Der Duft von frischem Tee zog durch das Haus.

Hedon sah auf, als Vivian die Küche betrat. Er saß zusammen mit einem älteren, untersetzten Mann in der schwarzen Uniform des Landpolizisten am Küchentisch, spielte gedankenverloren mit seiner Teetasse und rauchte eine Zigarette.