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»Kniet nieder«, sagte Jack Hedon. Für einen Moment übertönte das Rascheln von Kleidung das leise Geräusch der Musik, als die fünf anderen seinem Befehl gehorchten. Auch der Farmer hatte sich verändert. Er trug jetzt ein langes, lose fallendes Gewand aus schwarzer Seide, auf dessen Rücken ein verkleinertes Abbild des Sternes eingestickt war, in dessen Spitzen er und die übrigen Mitglieder seiner Familie knieten.

Die Gesichter der anderen waren starr nach unten gerichtet. Keiner von ihnen wagte es in diesem Moment, Hedon anzusehen. In den Augen des Farmers begann ein fanatisches Feuer zu glühen.

»Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen«, erklärte er. Die Worte klangen seltsam hohl und unirdisch in den Raum mit den samtverhangenen Wänden. »Der große Tage ist gekommen, meine Kinder. Der Tag, auf den wir so lange und geduldig gewartet haben.«

Schon seit langer Zeit versuchte Jack Hedon, mit den Mächten der Finsternis in Kontakt zu treten. Seinen Bemühungen war bislang stets der Erfolg verwehrt geblieben, aber Jack Hedon war schon immer ein hartnäckiger Mann gewesen. Geduldig hatte er damit begonnen, seine Familie in sein schwarzes Netz einzuspinnen. Er hatte seine Frau und die damals noch kleinen Kinder in die Anfänge des Okkultismus eingeweiht, hatte begonnen, schwarze Messen zu lesen und so etwas wie eine private Götzensekte aufzuziehen. So lange, bis ihm sowohl seine Frau als auch seine vier Söhne vollkommen hörig waren. Hedon war fest davon überzeugt, daß es ihm eines Tages gelingen würde, die Aufmerksamkeit Satans auf sich zu lenken. Von Kindheit an war er religiös erzogen worden, er glaubte an die Existenz Gottes ebenso wie an die des Teufels. Aber als er älter wurde, hatte er erkannt, daß es viel mehr Vorteile bot, dem Bösen zu dienen. Satan, der gefallene, aus dem Himmelreich vertriebene Engel, war für seine Hinterlist bekannt, aber auch dafür, daß er seine treuen Diener mit Macht und Reichtum belohnte.

Jack Hedon war entschlossen, die Gunst des Teufels zu erringen. Und die Chance dazu bot sich ihm - jetzt.

Er trat auf den großen Spiegel zu, der hinter ihm an der Wand hing. Sein Gewand raschelte leise, und im flackernden Licht der Kerze sah sein Gesicht aus, als wäre es mit Blut übergossen. »Hörst du uns, Herrin der Finsternis? Wir, deine treuen Diener rufen dich.« Hedon wußte, wie pathetisch und überheblich seine Worte klangen, doch er fand, daß dies der Bedeutung dieser Zeremonie angemessen war.

Ein flüchtiges Huschen glitt über die Oberfläche des Spiegels, leichter Nebel, dann schälte sich das Bild einer Frau daraus hervor. Eine Gestalt, die jener Frau bis aufs Haar glich, die sie bei sich beherbergten, und die doch völlig anders war.

»Ich höre dich«, sagte Melissa nüchtern. »Als ich gestern bei euch war, habe ich euch einen Auftrag erteilt. Nun ist die Zeit gekommen, ihn zu erfüllen. Seid ihr dazu bereit?«

Jack Hedon nickte. »Ja, wir sind bereit, Herrin.«

»Gut.« Melissa nickte zufrieden. »Wie ich es euch gestern angekündigt habe, habe ich euch diese Frau, die meinen Interessen im Wege steht, direkt in die Arme getrieben. Nun verlange ich, daß ihr euren Teil des Paktes erfüllt und den Auftrag ausführt, den ich euch gab. Tötet diese Frau und ihren Begleiter. Mein höllischer Vater wird euch reich dafür belohnen.«

»Wir werden tun, was du uns aufgetragen hast, Herrin«, sagte Jack Hedon. Mit langsamen, gemessenen Schritten ging er zu einem kleinen Schrank hinüber, öffnete eine Schublade und nahm einen schmalen, mit Samt ausgeschlagenen Kasten heraus, den er in das Zentrum des Kreidezeichens hineinlegte. »Nehmt die verfluchten Waffen«, sagte er hohl. »Nehmt sie und tötet Vivian Taylor!«

Er trat zurück, richtete sich hoch auf und wartete schweigend, bis jeder der fünf einen schmalen, silbernen Dolch mit gewellter Klinge an sich genommen hatte, bevor auch er selbst Zugriff.

Zufrieden beobachtete Melissa sie. Die Hedons, allen voran Jack Hedon, waren Dummköpfe, irregeleitete Narren, die an Unfug wie Götter und Dämonen glaubten und sich einbildeten, es gäbe einen Teufel, den sie mit ihren albernen Zeremonien beeindrucken könnten. Nun, ihr konnte es gleich sein, für sie stellten die Hedons nur Werkzeuge dar. Sie war auf sie gestoßen, als sie nach dem günstigsten Ort gesucht hatte, das Flugzeug abstürzen zu lassen. Sie hatte sich den Aberglauben der Leute zunutze gemacht und sich als Herrin der Finsternis, Tochter des Satans ausgegeben, und ein paar einfache, kleine Kostproben ihrer Macht hatten ausgereicht, Jack Hedon zu überzeugen.

Aber jetzt spürte sie auch den Widerwillen, den vor allem Hedons Frau diesem Mordauftrag entgegenbrachte. »Ich spüre den Keim des Zweifels in dir, Mary Hedon«, sagte sie mit drohender Stimme. »Du weißt, welche Strafe auf Ungehorsam steht. Mein Vater belohnt die, die uns dienen, reich. Aber er weiß genauso reich zu bestrafen. Du wirst gehorchen?«

»Ja, Herrin, ich werde gehorchen«, antwortete Mary mit zitternder Stimme.

»Dann geht! Tut es jetzt. Und tut es schnell!«

Zögernd setzten sich die fünf Gestalten in Bewegung und verließen den Raum. Kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen, konnte Melissa ein Lachen nicht mehr länger unterdrücken. Es war kaum vorstellbar, wie ungeheuer naiv und einfältig diese Menschen waren. Sie hatten das Schicksal, das sie erwartete, mehr als verdient.

Mochten sie glauben, Macht und Reichtum mit ihrer Tat zu ernten. Das einzige, das sie jedoch wirklich finden würden, war der Tod. Wenn sie versagten, den Tod von der Hand Vivian Taylors.

Anderenfalls wären sie für Melissa nur lästige Zeugen und würden den verdienten Lohn von ihrer Hand erhalten.

Vivian Taylor warf sich unruhig hin und her. Sie schlief, aber es war ein unruhiger, quälender Schlaf, von Alpträumen und dunklen Visionen heimgesucht, ein Schlaf, aus dem sie erschöpfter erwachen würde, als sie eingeschlafen war.

Mark beobachtete sie nachdenklich, drückte seine Zigarette aus und suchte im Dunkeln nach einer neuen. Der Aschenbecher auf dem Beistelltisch quoll über, und die Luft war trotz der geöffneten Fenster stickig und verqualmt.

Er hatte versucht, ebenfalls zu schlafen, aber Vivians Unruhe hatte ihn wieder aus dem Bett getrieben. Im ersten Moment hatte er versucht, sie zu wecken, aber dann hatte er sich entschieden, sie doch schlafen zu lassen. Wenn ihr Geist schon nicht zur Ruhe kam, sollte wenigstens ihr Körper eine Erholungspause haben. Er war aufgestanden, hatte sich angezogen und sich an Tisch in der Ecke gesetzt, um eine Art Wache zu halten. Vivians Zustand erfüllte ihn mit mehr als bloßer Unruhe. Irgend etwas war mit ihr geschehen. Sie begann sich zu verändern, in immer stärkerem Maße und immer deutlicher.

Er hatte Angst. Angst um Vivian, ihre geistige und körperliche Gesundheit, und er verspürte auch eine weit größere Angst vor Melissa, als er sich bislang hatte anmerken lassen.

Er fand die Zigarettenpackung, klappte sie auf und stellte enttäuscht fest, daß sie leer war. Aber er mußte etwas tun, etwas haben, um seine Hände zu beschäftigen und seine Gedanken abzulenken. Er stand auf, ging auf nackten Füßen zur Tür und drückte die Klinke lautlos herunter. In der Reisetasche, die sie unten abgestellt hatten, befanden sich noch genug Zigaretten.

Als er auf den Korridor hinaustrat, drang leise Musik an sein Ohr, die ihn stutzen ließ. Eigentlich war es keine richtige Musik, eher eine Art von scheinbar wahllos und unmelodisch aneinandergereihten Tönen, die ihm eine Gänsehaut über den Rücken trieben.

Vorsichtig schlich er zur Treppe und lehnte sich über das Geländer. Ein loses Dielenbrett knarrte unter seinem Gewicht, aber das Geräusch würde unten kaum gehört werden.