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Die Töne wurden lauter, als unten eine Tür geöffnet wurde, und für einen Moment erfüllte dunkelrotes, flackerndes Licht den Flur.

»Dann geht!« sagte eine Stimme, die er nur zu gut kannte. »Tut es jetzt. Und tut es schnell!«

Mit einem Schlag war Mark hellwach. Lautlos wich er zurück. Von unten waren jetzt Schritte zu hören, das Rascheln von Stoff und schwere, mühsam unterdrückte Atemzüge. Mark öffnete die Schlafzimmertür, schlüpfte hindurch und schloß sie bis auf einen schmalen Spalt. Seine Sinne waren bis aufs äußerste gespannt. Das Gefühl der Gefahr war jetzt fast greifbar.

Ein dunkler, geduckter Schatten erschien am Ende der Treppe, gefolgt von einem zweiten, dritten ... Mark zählte sechs Personen, die sich beinahe lautlos auf ihn zu bewegten. Alle trugen kuttenähnliche Gewänder mit spitz zulaufenden Kapuzen, die nur Gesichter freiließen. Sie waren im Dunkeln nicht genau zu sehen, aber Mark glaubte, die Hedons zu erkennen.

Er drückte die Tür ins Schloß, preßte sich mit dem Rücken gegen die Wand und wartete mit angehaltenem Atem, bis die Klinke erneut heruntergedrückt wurde. Es blieb keine Zeit mehr, Vivian zu warnen, und in dem Zustand, in dem sie sich befand, hätte sie auch kaum schnell genug reagieren können. Mark tastete nach dem Lichtschalter und drückte ihn genau in dem Moment herunter, in dem der erste Eindringling das Zimmer betrat.

Es handelte sich wie erwartet um Malcolm, einen der Hedon-Söhne, wenn er sich richtig erinnerte. Mark reagierte um den Bruchteil einer Sekunde schneller als Malcolm. Er stieß sich von der Wand ab, warf sich schützend vor das Bett, in dem Vivian immer noch ahnungslos schlief und trat rechtzeitig zu. Sein Fuß kam in einer blitzschnellen Bewegung hoch und traf Hedons Handgelenk.

Der Junge schrie auf, ließ den Dolch fallen und taumelte mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück. Für einen Augenblick entstand unter der schmalen Tür ein Tumult, als er gegen seine nachdrängenden Brüder stolperte und hinfiel.

Ein wütender, vielstimmiger Aufschrei gellte durch den Raum. Mark sprang zurück, blockte einen aufwärts geführten Messerstich mit dem Unterarm ab und schmetterte gleichzeitig einem der Angreifer seine Faust ins Gesicht. Der Mann wankte zurück, fiel auf Hände und Knie nieder und blieb stöhnend hocken. Gleich darauf fuhr Mark herum. Seine Linke schoß so schnell vor, daß die Bewegung mit dem bloßen Auge kaum noch zu verfolgen war. Ein weiterer Angreifer taumelte zurück, griff sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Kehle und sackte dann lautlos zu Boden.

Aber Mark hatte keine Zeit, sich über den Sieg zu freuen. Die übrigen Hedons stürzten sich mit unglaublicher Wut und Wildheit auf ihn. Er federte zurück, brachte einen Angreifer zu Fall und fiel dann selbst zu Boden, als er einem wütenden Messerstich ausweichen mußte.

Irgend etwas blitzte über ihm auf. Mark warf sich mit einem verzweifelten Satz zur Seite, kassierte dafür einen brutalen Tritt und griff blind nach dem Fuß. Neben ihm bohrte sich ein Messer in den Boden. Mark sprang wieder auf und wich langsam bis zur Wand zurück, tauchte im letzten Moment unter einem weiteren heimtückischen Messerhieb weg und schrie gleich darauf schmerzerfüllt auf, als sich eine Klinge in seinen Oberarm bohrte. Der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen. Sein linker Arm schien plötzlich wie gelähmt zu sein.

Die Hedons heulten triumphierend auf und drangen erneut auf Mark ein. Ein Messer schlitzte seine Jacke auf und hinterließ einen langen, brennenden Kratzer auf seiner Haut, und ein wütender Tritt gegen seine Kniescheibe brachte ihn aus dem Gleichgewicht.

Trotz des Schmerzes griff er mit beiden Händen nach einem Arm, der sich gierig nach seiner Kehle ausstreckte, und drehte ihn herum. Ein wütender Schmerzensschrei erscholl. Mark sprang zurück und hielt seinen Gefangenen wie einen Schild vor sich. Der Angriff der anderen kam für einen Moment ins Stocken.

»Laß ihn los!« zischte Mary Hedon. Sie stand neben dem Bett und richtete die Klinge ihres Dolches auf Vivians Brust. Ihr Gesicht war starr wie das einer Wachspuppe, nur ihre Augen glühten in einem fanatischen, verzehrendem Feuer. »Laß ihn los, oder Ihre Frau stirbt!« wiederholte sie scharf. »Sie haben keine Chance. Geben Sie auf!«

Die Stimme war von solcher Kraft, daß Mark für einen Moment versucht war, ihr zu gehorchen, aber er begriff, daß er damit nur das endgültige Todesurteil für Vivian und sich selbst unterschrieben hätte. »Den Teufel werde ich tun«, sagte er schweratmend. »Werfen Sie das Messer weg, wenn Sie Ihren Sohn wiederhaben wollen.« Er verstärkte den Druck auf den Arm des Jungen ein wenig und legte ihm gleichzeitig seinen Arm wie eine Schlinge um die Kehle. »Wenn Sie zustechen, töten Sie Ihren Sohn«, sage er drohend.

Die Frau zögerte sichtlich. Ihre Hände begannen zu zittern, und in ihre Augen trat ein unruhiges, unentschlossenes Flackern. Aber der Dolch schwebte weiterhin über Vivians Brust.

Mark bemerkte, daß Vivian wach war. Ihre Augen waren angstvoll aufgerissen, und ihr Körper hatte sich unter der Bettdecke verkrampft. Aber sie schien erkannt zu haben, daß jede Gegenwehr in diesem Augenblick der reine Selbstmord gewesen wäre.

»Sie bluffen, denn Sie sind nicht schnell genug«, sagte eine Stimme von der Tür her.

Mark fuhr herum. Unter der Tür stand eine riesige, drohende Gestalt: Jack Hedon. Der schwarze, lose fallende Umhang und die weit nach vorne gezogene Kapuze gaben seiner Erscheinung etwas Dämonisches. Er stand unbeweglich an seinem Platz, musterte Mark kalt und verzog spöttisch die Lippen. »Auch Sie werden sterben, Mister Taylor«, sagte er laut. »Ebenso wie Ihre Frau.« Er wandte sich an Mary. »Worauf wartest du noch? Tu es!«

Mark stieß seinen lebenden Schild von sich und sprang im gleichen Moment los, als Mary Hedon die Waffe zum tödlichen Stoß erhob. Für eine grauenhafte, unendlich lang erscheinende Sekunde schien die Zeit stillzustehen. Mark flog fast waagerecht durch die Luft, aber er wußte, daß er zu spät kommen würde.

Er sah plötzlich alles mit phantastischer Klarheit, sah, wie der Dolch in einer ungeheuer kraftvollen Bewegung heruntersauste, sah das Licht der Deckenlampe, das sich in Vivians aufgerissenen Augen spiegelte, ihre Arme, die in einer verzweifelten Abwehrbewegung hochkamen; zu spät, viel zu spät.

Im gleichen Moment überschlugen sich die Ereignisse.

Mary Hedon erstarrte mitten in der Bewegung, der niedersausende Dolch verharrte eine Handbreit über Vivians Brust. Ein ungeheurer Schlag erschütterte das Haus. Putz regnete von der Decke, die Fensterscheiben zerbrachen klirrend. Das Licht ging aus, flackerte noch einmal und erlosch endgültig. Mark überschlug sich in der Luft, krachte schmerzhaft zu Boden und sah aus den Augenwinkeln, wie Mary Hedon von der gleichen unsichtbaren Gewalt, die ihn aus der Bahn geworfen hatte, hochgehoben und von dem Bett fortgerissen wurde. Blitze zerfetzten die Luft, verwandelten den Raum in ein blendendes, in blauweißes Flackerlicht getauchten Chaos aus Hitze und Schmerzensschreien, dem Geruch verbrannten Fleisches und hellem, elektrischem Knistern.

Einer der Blitze zuckte auf Jack Hedon zu, sengte in den Türrahmen neben seiner Schulter und ließ das Holz aufflammen. Hedon brüllte entsetzt auf, als die Flammen mit unglaublicher Geschwindigkeit nach seiner Robe griffen und sie in Brand setzten. Ein zweiter Blitz traf ihn in die Brust und ließ ihn wie eine leblose Spielzeugpuppe zu Boden sinken.

Mark stemmte sich stöhnend hoch, aber die gleiche unsichtbare Kraft, die ihn schon einmal zu Boden geworfen hatte, hielt ihn auch diesmal fest und drückte ihn zurück. Er sah, daß Vivian sich halb aufgerichtet hatte. Ihre weit aufgerissenen Augen schienen in einem verzehrenden Feuer zu glühen. »Nein!« schrie er. »Vivian, tu es nicht! Hör auf!«

Sie hörte ihn nicht einmal. Erneut zuckten Blitze durch den Raum. Direkt neben Mark verwandelte sich Mary Hedon in eine lebende Fackel. Sie schrie auf, taumelte mit wild rudernden Armen durch den Raum und wurde schließlich von einem zweiten Blitz gefällt.