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Dann gelangten sie wieder in die unterirdische Höhle unter der Stadt. Sie standen auf dem Felsvorsprung zwischen den Felswänden, und unter ihnen schäumten der Ozean wild um die Klippen. Nebel wirbelte durch die Höhle und füllte auch die hintersten Winkel mit einem weißen Schleier. Tageslicht hellte die Schatten auf, wo die Felsen gespalten waren, und erzeugten kleine, fast farblose Regenbögen vor dem Nebel.

Der Vorsprung verlief in beide Richtungen. Walker Boh untersuchte beide Seiten, erfühlte jene Gegenwart, von der er wußte, daß sie da wäre, spürte den Puls ihrer Magie. Seine Augen hoben sich auf das Ungesehene. Uhl Belk.

»Hier entlang«, sagte er leise und wandte sich nach links.

Dann ertönte das Donnern des erwachenden Malmschlunds, und ganz Eldwist bebte heftig.

Der Plan war einfach, aber einfache Pläne waren meistens auch jene, die am besten klappten. Das einzige Problem bei diesem hier, dachte Pe Ell, als er im Schatten des Hauses gegenüber von der Behausung des Kratzers stand, daß er derjenige war, der das ganze Risiko zu tragen hatte, während Horner Dees sich in Sicherheit befand.

Aber der Plan stammte natürlich von dem Alten.

Wie Quickening, Walker und Morgan waren sie bei Tagesanbruch aus ihrem Refugium auf die Straße hinuntergeschlichen und hatten den freudlosen Tag mit zusammengekniffenen Augen und mißtrauischem Stirnrunzeln begrüßt. Nach einem kurzen Blickaustausch hatten sie sich aufgemacht, waren zunächst zu der Behausung des Kratzers gegangen und hatten dann die Strecke festgelegt, der entlang Pe Ell den Schleicher locken würde. Als Dees sicher war, daß Pe Ell sie sich gut eingeprägt hatte, installierten sie die Ausrüstung für den alten Mann, prüften die Hebelwirkung des Behelfsflaschenzugs und trennten sich.

Pe Ell ging wieder zurück zum Bau des Kratzers, und dort stand er nun und wartete.

List und Schnelligkeit würde er brauchen, zuerst das eine, dann das andere, und nicht zu viel von beidem – Werkzeuge eines Mörders.

Er lauschte lange in die Stille, schätzte die Entfernung, die er zurücklegen mußte, und maß seinen Fluchtweg ab. Diesmal würde ihm keiner zu Hilfe kommen, wenn etwas schiefging. Sein schmales Gesicht wandte sich hierhin und dorthin, hob sich in den Geruch von Meer und Steinen, schärfte sich gegen den Nebel und wachte über die Instinkte, die ihm sagten, daß der Schleicher noch wach war.

Er lächelte sein kaltes, leeres Lächeln. Die Wut war verflogen. Die Aussicht auf das Morden beruhigte ihn wie Quickenings Berührung, tröstete ihn und schenkte ihm Frieden. Er war still und im reinen mit sich selbst; alles war bereit und an Ort und Stelle, so scharf wie die Klinge des Stiehls und ebenso gewiß.

Geräuschlos überquerte er die Straße zum Eingang in den Bau. Das Seil mit dem Ankerhaken hielt er fest in der Hand. Vor der Tür schleuderte er den Haken wieder über den gleichen steinernen Vorsprung, den er am Vorabend benutzt hatte. Mit einem scharfen Klirren landete der Haken und hielt. Pe Ell wich zurück und wartete. Doch die Tür blieb verschlossen. Der Kratzer hatte ihn entweder nicht gehört, oder er bereitete sich auf das, was als nächstes geschehen würde vor. Pe Ell hatte gehofft, daß das Geräusch des Hakens das Vieh herauslocken und ihm die Mühe des Kletterns ersparen würde. Aber er wußte, daß das zu viel verlangt war.

Er holte tief Luft. Das war der Augenblick, in dem der Plan wirklich gefährlich zu werden begann.

Er packte das Seil, das von dem Ankerhaken baumelte, und begann zu klettern. Er war schnell und stark genug, daß er nur seine Hände brauchte. Oben angekommen, packte er den Hebel, der den versteckten Eingang zu dem Unterschlupf betätigte, drückte heftig darauf und ließ sich behende wie eine Katze an dem Seil zu Boden gleiten. Die Tür öffnete sich schon, als er unten anlangte. Ein leises Geräusch drang von drinnen, und er sprang augenblicklich zurück. Ein Tentakel erwischte ihn um Haaresbreite, pfiff an seinem Kopf vorbei. Der Kratzer hatte sich schon in Bewegung gesetzt, watschelte als Bündel wedelnder Tentakel vorwärts.

Sobald sich die Tür vollständig geöffnet hatte, preschte der Schleicher wild fuchtelnd und ohne sich um die Tatsache zu scheren, daß es schon Tag war, heraus. Wütend über Pe Ells Störung, setzte er augenblicklich zur Verfolgung an. Der Mörder jagte direkt vor dem wildgewordenen Biest her in die Schatten der Gasse auf der anderen Straßenseite. Der Schleicher folgte schneller, als Pe Ell erwartet hatte. Ihm kam der Verdacht, daß er seine Chance falsch eingeschätzt haben könnte. Aber er hatte jetzt keine Zeit, die Angelegenheit zu überdenken, und die Zweifel wichen einer wilden Entschlossenheit, die ihn vorwärtstrieb.

Er raste die Gasse entlang und auf die angrenzende Straße hinaus, kam schliddernd zum Stillstand. Vorsicht vor den Falltüren, dachte er. Paß auf, daß du nicht selbst von einer erwischt wirst. Denn das war, was sie für den Kratzer geplant hatten, der alte Mann und er. Einen langen Sturz in ein tiefes Loch – einen Sturz in Eldwists Eingeweide. Wenn er lange genug am Leben blieb.

Der Kratzer schoß durch die Tür des Hauses neben ihm, wählte jetzt seine eigene Route und überrumpelte ihn beinahe. Um Haaresbreite entkam er den Tentakeln, entwischte, ehe das Vieh ihn packen konnte. Er flitzte um die Hausecke, der Kratzer dicht hinter ihm. Sein Eisenpanzer klirrte und schepperte, klapperte und quietschte. Pe Ell konnte seine Größe hinter sich aufragen fühlen wie eine Lawine, die gleich losbricht. Er durchquerte ein Gebäude und noch eines und gelangte wieder auf eine Straße. Nicht mehr weit, nur noch zwei Blocks. Und das Monster? Er drehte sich suchend um. Er konnte es herannahen hören, aber das Geräusch schien aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen. Wo …?

Aus dem Schatten eines dunklen Eingangs schoß der Schleicher hervor und schlug mit seinen eisernen Armen wenige Zentimeter neben Pe Ell auf den Boden, und der Mörder sprang davon. Pe Ell brüllte vor Wut und Entsetzen.

So schnell!

Er wollte sich umwenden und kämpfen, wollte das Monster auf das kalte Eisen des Stiehls reagieren sehen, wenn er seinen Leib in Streifen zerschnitt. Er wollte fühlen, wie der Schleicher starb. Aber er rannte statt dessen wieder weiter, jagte über die Steinwege der Stadt, die Straßen hinunter an den Hausmauern entlang, durch Schatten und graues Licht, ein Hauch von etwas, das schwärzer war als die Nacht. Tentakel knisterten und peitschten hinter ihm her, fingen sich in Türen und Fensterrahmen, fetzten sie auseinander und ließen Staub und Steinsplitter aufstieben. Der massige Leib raste auf metallenen Beinen donnernd über den Stein. Der Kratzer schien immer schneller zu werden. Falls das Tageslicht ihn störte, falls seine Blindheit ihn behinderte, so war davon jetzt nichts zu merken. Pe Ell konnte seine wilde Wut fühlen, als wäre sie greifbar.

Die Verfolgungsjagd führte eine weitere Straße entlang und um eine letzte Ecke. Pe Ell fühlte, daß er an Vorsprung verlor. Vor ihm endete die Straße vor einem versteinerten Park mit Stufen, die in ein Becken mit einer geflügelten Statue in der Mitte führten – und davor eine Falle, die gleiche Falle, in die der Hochländer und der alte Mann ein paar Tage zuvor gestürzt waren.

Horner Dees wartete an das Seil gebunden am Rand der versteckten Tür als Köder für die Falle. Pe Ell sprang seitlich auf den Gehsteig und beschleunigte, als der Kratzer hinter ihm mit peitschenden Tentakeln um die Ecke bog. Er rannte an Horner Dees vorbei, erhaschte einen Blick auf sein rauhes, unter dem dichten Bart bleiches Gesicht, und sprang zu der Mauer, wo die Seile für den Flaschenzug bereitlagen. Er zog sie stramm, und Horner Dees wurde über der Falle in die Höhe gerissen. Pe Ell hörte den Schleicher die Straße entlangtrampeln, und er hörte Horner Dees schreien. Der Kratzer entdeckte den alten Mann, veränderte seine Richtung leicht und stürmte auf ihn zu. Dees strampelte gegen seinen Willen, als der Moloch mit quietschenden Eisenscharnieren auf ihn zudonnerte.