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Vor ihnen öffnete sich die Kuppel des Steinkönigs. Die Tribünen, die die Arena umgaben, erstreckten sich, von symmetrischen Treppen durchbrochen, als halb überschattetes, halb beleuchtetes Stilleben bis an die Decke, und die obersten Ränge waren nurmehr als vage Andeutungen vor dem gealterten Stein auszumachen. Unten war die Arena flach und glatt und ohne jegliche Bewegung. Die gigantische Gestalt von Uhl Belk hockte in ihrem Zentrum, abgewandt, so daß nur ein Teil seines groben Gesichts zu sehen war.

Morgan Leah hielt den Atem an. Die Stille der Kuppel schien Warnungen zu flüstern, die in seinem Schädel dröhnten.

Walker Boh trat zur Seite, bis er neben ihm war, und beugte sein blasses Gesicht an sein Ohr. »Geh du links herum. Ich gehe nach rechts. Halte dich bereit, wenn ich zuschlage. Ich werde versuchen, ihn dazu zu bringen, den Stein fallen zu lassen. Schnapp ihn dir und dann lauf los. Schau dich nicht um. Zögere nicht. Bleib unter gar keinen Umständen stehen.« Er packte ihn am Handgelenk und hielt ihn fest. »Sei flink, Hochländer. Sei schnell.«

Morgan nickte wortlos. Für einen Moment trafen Quickenings schwarze Augen die seinen. Er konnte nicht lesen, was er darin sah.

Und dann war Walker schon aus dem Korridor in die Arena geschlüpft und bewegte sich zu seiner Rechten vor den Tribünen durch das Dämmerlicht. Morgan folgte und wandte sich nach links. Er verdrängte seine Angst und überantwortete sich dem Befehl des Dunklen Onkels. Wie ein Geist schlich er über den Stein, schnell und sicher, und fand erstaunlicherweise Zuversicht in der einfachen Tatsache, daß er sich bewegte. Doch seine Furcht blieb, ein in die Enge getriebenes Tier unter seiner Haut. Schatten schienen ihn zu umkreisen, und die Stille der Kuppel zischte ihn in seinem Bewußtsein an wie eine stimmlose Schlange. Er fixierte seinen Blick auf die mächtige Gestalt in der Mitte der Arena und suchte nach den Anzeichen auch nur der winzigsten Bewegung. Nichts rührte sich. Uhl Belk war behauener Stein, still und unbeweglich. Schnell jetzt, dachte Morgan. Schnell wie das Licht. Er sah Walker auf der gegenüberliegenden Seite der Arena, eine schlanke, heimliche Gestalt, im Dämmerlicht fast nicht zu erkennen. Nur noch wenige Augenblicke, dachte er. Und dann …

Quickening.

Er merkte plötzlich, daß er in seinem Eifer, Walker zu gehorchen, das Mädchen vergessen hatte. Wo war sie? Er blieb abrupt stehen, schaute sich vergeblich nach ihr um, suchte die Tribünen, die Tunnel und die Schatten, die über allem lagen, ab. Er fühlte, wie sich in seiner Brust etwas verkrampfte. Quickening!

Dann entdeckte er sie – nicht sicher versteckt oder weit hinter ihm, nein, völlig offen trat sie aus dem Korridor in die Arena direkt vor die gigantische Gestalt von Uhl Belk. Ihm blieb der Atem im Hals stecken. Was machte sie denn?

Quickening!

Sein Schrei war lautlos, doch der Steinkönig schien ihn gehört zu haben. Er reagierte mit einem kaum hörbaren Grunzen, regte sich, richtete sich auf und begann, sich umzuwenden …

Gleißendes weißes Licht leuchtete grell auf, so blendend, daß auch Morgan sich abwenden mußte. Es war, als sei die Sonne durch die Wolkendecke gebrochen, durch den grauen Dunst, selbst durch den Stein, um die hier gefangene Luft in Brand zu stecken. Morgan sah Walker Boh, der seinen Arm unter dem schwarzen Umhang hervorstreckte, und die Magie, die aus seinen Fingerspitzen zischte. Uhl Belk heulte überrascht auf, sein massiger Leib bebte, und er hob die Arme, um seine Augen zu schützen, seine steinernen Gelenke knirschten unter der Anstrengung.

In dem Augenblick sprang Walker Boh wie ein Schatten ins Licht und stürzte auf den Steinkönig zu, der schwerfällig gegen die schmerzende Helligkeit mit den Augen funkelte. Wieder hob Walker den Arm. Ein ganzer Beutel von Coglines flüchtigem Pulver flog auf den Steinkönig und explodierte. Teile seines zerklüfteten Leibes zersplitterten zu Scherben. Der Arm, dessen Faust den schwarzen Elfenstein umklammerte, stand in Flammen.

Doch er hielt den Talisman fest.

Und plötzlich stellte Morgan Leah fest, daß er sich nicht mehr rühren konnte. Er war auf der Stelle erstarrt, wo er stand. Genau wie damals im Jut, als der Schleicher im Schutz der Dunkelheit die Höhe erreicht hatte und die Geächteten der Bewegung seinem Angriff entgegentraten, war er gelähmt. Alle seine Ängste und Zweifel, all seine Befürchtungen und sein Entsetzen überfielen ihn. Sie packten ihn mit ihren Klauen und bannten ihn so unerbittlich, als sei er in Ketten gelegt. Was sollte er tun? Wie konnte er eingreifen? Seine Magie war verloren, seine Schwertklinge zersplittert. Hilflos sah er zu, wie Uhl Belk sich umdrehte, um Walker Bohs Angriff abzuwehren und seine Magie wegzufegen. Der Dunkle Onkel griff erneut an, doch diesmal war der Steinkönig vorbereitet, der Überraschungseffekt fehlte, und der Steinkönig zuckte nicht einmal. Schon begann die Helligkeit von Walkers falscher Sonne zu verblassen, und das graue Licht der Kuppel kehrte zurück.

Walker Bohs Worte hallten bohrend in Morgans Ohren.

Sei flink Hochländer. Sei schnell.

Morgan kämpfte gegen seine Erstarrung an und riß das Breitschwert, daß er auf den Rücken geschnallt trug, aus der Scheide. Aber seine Finger weigerten sich, es festzuhalten, seine Hände wollten ihm nicht gehorchen. Das Breitschwert entglitt ihm und fiel mit hohlem Scheppern auf den Boden der Arena.

Der Atem des Steinkönigs zischte, als sich seine riesige Hand nach Walker Boh ausstreckte, um ihm das Leben herauszuquetschen. Der Dunkle Onkel war ihm zu nah gekommen; er hatte keine Chance zu entwischen. Und da war er plötzlich verschwunden, erschien zuerst doppelt wieder, dann vierfach und dann unzählige Male mehr – Jair Ohmsfords Lieblingstrick vor dreihundert Jahren. Der Steinkönig schnappte nach den Bildern, und die Bilder verflogen bei seiner Berührung. Der wahre Walker Boh sprang das Monster an, schleuderte ihm wieder Feuer ins Gesicht und sprang behende zurück.

Der Steinkönig brüllte wütend, packte sich ins Gesicht und schüttelte sich wie ein Tier, das lästige Fliegen loswerden will. Die ganze Arena erbebte. Risse bildeten Zickzacklinien im Boden, die Tribünen krachten und stürzten ein, Staub und Geröll regneten von der Decke. Morgan verlor den Halt und fiel heftig auf den harten Boden.

Der Schmerz löste die lähmenden Ketten.

Der Steinkönig hob seine Faust, und die Finger seiner Hand begannen sich zu öffnen. Das Unlicht des Elfensteins sickerte hindurch und saugte den Rest von Walker Bohs schwindender Magie auf. Der Dunkle Onkel schleuderte einen Feuerschein auf, um das Vordringen der Magie zu bremsen, doch das Unlicht hüllte ihn in eine Woge von Schwärze. Walker stolperte zurück in die Schatten, verfolgt von dem Unlicht, behindert von den Spalten und Rissen im Stein.

In wenigen Sekunden wäre er in der Falle.

Da fing Quickening Feuer.

Anders ließ es sich nicht beschreiben. Morgan sah es geschehen und traute seinen Augen nicht. Die Tochter des Königs vom Silberfluß stand inzwischen weniger als sieben Meter von Uhl Belk entfernt, exponiert und ungeschützt in seinem Schatten, und stieg wie ein Geist, wie ein Wesen aus Luft, in die Höhe, bis sie auf dem gleichen Niveau war wie der Kopf des Riesen, und ging in Flammen auf.

Das Feuer war golden und rein, sein Leuchten eine Hülle aus Licht, das von ihrem Körper und ihren Gliedern ausstrahlte und sie wie von der Mittagssonne beschienen aussehen ließ. Sie war in diesem Moment noch viel schöner, als Morgan sie je gesehen hatte, strahlend und makellos und unfaßbar bezaubernd. Ihr Silberhaar wehte und fächerte im Feuer, und ihre Augen glänzten schwarz vor dem Gold. Sie schwebte dort, wundersame, unerklärliche, lebendig gewordene Magie.

Sie versucht ihn abzulenken, stellte Morgan ungläubig fest. Sie verrät sich selbst, gibt zu erkennen, wer sie ist, nur, um ihn von uns abzulenken! Der Steinkönig drehte sich zu dem unerwartet aufflammenden Licht. Sein ohnehin zerklüftetes Gesicht verzerrte sich, bis er wirklich nicht mehr zu erkennen war. Bei ihrem Anblick klappte sein Mund auf, und aus seiner Stimme klang tiefe Angst.