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Walker schüttelte wortlos den Kopf. Er wußte es nicht – aber er hatte gleichzeitig das Gefühl, er mußte es wissen, er übersehe etwas Offensichtliches, vergesse etwas Wichtiges. Vor ihnen schnappte ein Falltürriegel, und ein gähnendes Loch öffnete sich im Pflaster. Er riß den Hochländer gerade noch rechtzeitig zurück und schleuderte ihn auf den Gehsteig. Das Gebrüll des Malmschlunds war etwas leiser geworden, als sie sich weiter von der Kuppelfestung des Steinkönigs entfernten.

»Lauf hinter ihr her, Hochländer!« rief Walker und stieß ihn vorwärts. »Und halte nach Dees Ausschau! Wir treffen uns in dem Haus, wo wir uns vor dem Kratzer versteckt haben!« Er warf einen kurzen Blick über die Schulter zurück, dann rief er: »Sei vorsichtig! Paß auf dich auf!«

Aber Morgan war schon davongerannt.

Pe Ell und Horner Dees hatten soeben das Haus erreicht, zu dem die anderen jetzt flüchteten, als das Erdbeben begann. Nachdem sie den Kampf mit dem Kratzer hinter sich hatten, waren sie auf der Suche nach den anderen Mitgliedern der Gruppe aus Rampling Steep hierhergekommen, jeder aus seinen persönlichen Gründen, die keiner der beiden mit dem anderen teilte. Der Waffenstillstand zwischen ihnen war mit der Zerstörung des Kratzers beendet, und sie beobachteten einander jetzt wachsam und mißtrauisch.

Erstaunt schnellten sie herum, als das Getöse begann, dröhnender und deutlicher als je zuvor. Die ganze Stadt bebte.

»Irgend etwas ist geschehen«, schnaufte Horner Dees. »Irgend etwas Gewaltiges.«

»Er ist wieder aufgewacht«, rief Pe Ell voller Abscheu. Als sie den Malmschlund verlassen hatten, war er in die Erde zurückgeschlüpft und still geworden.

Die Straße, auf die sie schauten, bebte unter der Wucht der Kreatur.

Pe Ell zeigte auf das Haus. »Schau oben nach, ob jemand da ist.«

Dees ging, ohne zu widersprechen. Pe Ell stand wie angewurzelt da, während die Stadt in den Grundfesten erschüttert wurde. Er war streng und hart mit sich selbst, der Kampf mit dem Kratzer steckte ihm noch in den Knochen und pulsierte in ihm wie sein eigenes Blut. Die Dinge kamen langsam in Ordnung; er fühlte, wie die Ereignisse sich zusammenfügten, wie die Schicksalsfäden der fünf aus Rampling Steep sich verflochten. Bald war alles überstanden. Bald war es vorbei.

Horner Dees tauchte im Hauseingang auf. »Keiner da.«

»Dann warte hier, bis sie kommen«, knurrte Pe Ell und eilte davon. »Ich werde im Stadtzentrum nachschauen.«

»Pe Ell!«

Das scharf geschnittene Gesicht wandte sich um. »Keine Sorge, Alter. Ich komme wieder.« Vielleicht, fügte er im stillen hinzu.

Er eilte davon und ließ den alternden Fährtensucher umsonst hinter ihm herrufen. Genug von Horner Dees, dachte er verbittert. Es fraß noch immer an ihm, daß er den Alten vor dem Kratzer gerettet hatte, daß er instinktiv gehandelt hatte, statt nachzudenken, daß er sein Leben riskiert hatte, um einem Mann das Leben zu retten, den er ohnehin fest entschlossen war zu ermorden.

Andererseits war er dabei, seine Pläne für Dees und die anderen Idioten, die mit Quickening gekommen waren, zu verändern. Er konnte fühlen, wie diese Pläne sich jetzt in erfreulicher Weise entwickelten. Es war alles so viel klarer, wenn er sich regte. Es war gut und schön, ein Ereignis zu planen, doch Umstände und Notwendigkeiten veränderten sich, die Ereignisse nahmen nicht immer den erwarteten Lauf und kamen nicht immer in der vorhergesehenen Weise zustande. Pe Ell revidierte seine frühere Überzeugung, daß das Umbringen seiner Gefährten unumgänglich sei. Quickening mußte natürlich sterben. Er hatte Felsen-Dall versprochen, daß er sie töten würde. Quickenings Los war unabänderlich. Aber wozu sich die Mühe machen, die anderen zu töten? Wozu die Anstrengung, es sei denn, sie kamen ihm bei seinen Plänen mit dem Mädchen in die Quere? Falls es ihm irgendwie gelang, in den Besitz des schwarzen Elfensteins zu gelangen, konnten sie ihm keinerlei Schaden zufügen. Und selbst wenn er gezwungen wäre, jenen Teil seines Plans aufzugeben – und jetzt sah es so aus, als müsse er das –, dann stellten weder der alte Fährtensucher oder der Einarmige, noch der Hochländer und der Sänger eine Bedrohung für ihn dar. Selbst wenn sie Eldwist verließen und ihn verfolgten, hatte er wenig zu fürchten. Wie sollten sie ihn finden? Und was konnten sie tun, wenn sie ihn fanden?

Nein, er brauchte sie nicht umzubringen – aber er würde es tun, fügte er im stillen hinzu, falls sich eine passende Gelegenheit bot.

Die Erde bebte noch immer, ein dumpfes, tiefes Grollen, der Protest über das Kommen des Monsterwurms. Pe Ell rannte durch die leeren, schuttübersäten Straßen, hierhin und dorthin, an den Häusern entlang, deren Mauern von gefährlichen Rissen und Spalten durchzogen waren. Seine scharfen Augen suchten die Schatten nach einer Bewegung ab, nach jenen, die mit hierhergekommen waren, oder vielleicht auch nach einem Zeichen des versteckten Steinkönigs. Pe Ell hatte den schwarzen Elfenstein noch nicht ganz aufgegeben. Es bestand noch immer eine Chance, sagte er sich. Alles floß zusammen wie in einem Strudel. Er fühlte es …

Aus dem Dunst vor ihm kam Quickening mit fliegendem Silberhaar gerannt, ihr gertenschlanker Leib wie ein quecksilbriger Schatten. Pe Ell machte einen Satz und bekam sie mit einem Arm an der Taille zu fassen, ehe sie begriff, wie ihr geschah. Überrascht schnappte sie nach Luft, wurde steif und klammerte sich dann an ihn.

»Pe Ell«, hauchte sie.

Etwas an der Art, wie sie seinen Namen aussprach, überraschte ihn. Ein gewisses Maß von Angst, vermischt mit Erleichterung, eine seltsame Kombination von Entsetzen und Befriedigung. Instinktiv packte er sie fester, doch sie versuchte nicht, sich zu befreien.

»Wo sind die anderen?« fragte er.

»Sie kommen nach, sind Uhl Belk und dem Malmschlund entkommen.« Ihre schwarzen Augen fixierten ihn. »Es ist Zeit, Eldwist zu verlassen, Pe Ell. Wir haben den Steinkönig gefunden und ihm den schwarzen Elfenstein abgenommen – Morgan, Walker Boh und ich.«

Pe Ell hatte Mühe, ruhig zu bleiben. »Dann sind wir tatsächlich hier fertig.« Er schaute an ihr vorbei in den Dunst. »Wer hat den Elfenstein jetzt?«

»Walker Boh«, beichtete sie ihm.

Pe Ell biß die Zähne zusammen. Ausgerechnet Walker Boh. Natürlich. Er mußte es sein. Wieviel einfacher wäre es, wenn das Mädchen den Stein hätte. Dann könnte er sie jetzt umbringen, den Stein nehmen und verschwinden, ehe irgendwer wußte, was geschehen war. Der Einarmige schien ihm an jeder Ecke im Weg zu stehen, eine schattenhafte Präsenz, der er irgendwie nicht entkommen konnte. Was brauchte es, um ihn loszuwerden?

Er wußte natürlich, was es brauchte. Seine ursprünglichen Pläne rückten wieder in den Vordergrund.

»Quickening!« rief eine Stimme.

Es war der Hochländer. Pe Ell zögerte kurz und traf dann eine Entscheidung. Er preßte Quickening die Hand auf den Mund und zerrte sie in den Schatten. Zu seiner Überraschung sträubte sich das Mädchen nicht. Sie war leicht und nachgiebig und fast schwerelos in seinem Arm. Es war das erste Mal, daß er sie berührte, seit er sie aus den Meadegärten getragen hatte. Die Gefühle, die sie in ihm weckte, waren beunruhigend sanft und wohltuend, und er unterdrückte sie unwillig. Das kommt später, sagte er sich, wenn ich den Stiehl benutze …

Morgan Leah kam in Sicht, trabte den Gehsteig entlang und rief nach dem Mädchen. Pe Ell hielt Quickening fest und sah zu, wie der Hochländer vorbeirannte. Im nächsten Moment war er verschwunden.

Pe Ell nahm die Hand von ihrem Mund, und sie drehte sich um und schaute ihn an. In ihren Augen standen weder Überraschung noch Furcht; nur Resignation. »Unsere Zeit ist fast gekommen, Pe Ell«, flüsterte sie.

Ein Funken Zweifel nagte an seiner Zuversicht. Sie schaute ihn in ihrer seltsamen Art an, als wäre er für sie transparent, als wisse sie alles über ihn. Aber wenn sie alles wüßte, stünde sie nicht so ruhig hier. Sie würde zu fliehen versuchen, hinter dem Hochländer herrufen oder sonst irgend etwas tun, um sich in Sicherheit zu bringen.