Выбрать главу

Wer auch immer den Grund und das Recht dazu hat, soll ihn zu seinem wahren, vorbestimmten Zweck verwenden.

Er selbst. Aber warum? Weil Allanon bestimmt hat, daß es so sei? Hatte Allanon die Wahrheit gesprochen? Oder nur einen Teil der Wahrheit? Oder spielte er wieder irgendwelche Spielchen? Was sollte Walker Boh glauben?

Er stand da, einsam und unentschlossen und furchtsam, und er fragte sich, was ihn dazu gebracht hatte. Er sah, daß seine Hand zu zittern begann.

Und dann durchbrach plötzlich das Gewisper in Strömen seine Abwehr und wurde zu Geschrei.

Nein! Fast ohne zu denken hob er den schwarzen Elfenstein in die Höhe und öffnete die Hand.

Der Elfenstein entflammte sofort zu Leben; seine Magie kitzelte heftig auf seiner Haut. Schwarzes Licht – das Unlicht, die verschlingende Finsternis. Wer auch immer. Er sah, wie sich das Licht vor ihm sammelte, sich aus sich selbst aufbaute. Den Grund und Recht dazu besitzt. Der Rückschlag der Magie zischte durch ihn hindurch, zerfetzte Zweifel und Furcht, ließ Gewisper und Schreie verstummen, füllte ihn mit unvorstellbarer Macht. Soll ihn zu seinem wahren, vorbestimmten Zweck verwenden.

Jetzt!

Er ließ das schwarze Licht vorwärtsströmen, ein gewaltiger Tunnel grub sich durch die Luft, verschluckte alles auf seinem Weg, verschlang Substanz und Raum und Zeit. Es prallte gegen die Kuppe des kahlen Hügels, und Walker wurde zurückgeworfen, als habe ihn der Schlag einer unsichtbaren Faust getroffen. Aber er stürzte nicht. Die Magie zischte durch ihn hindurch, stützte ihn, umgab ihn mit einem Panzer. Das schwarze Licht breitete sich vor dem Himmel aus wie Malfarbe, stieg auf, verbreitete sich, schwenkte hierhin und dorthin, zerteilte sich selbst, als folge es Tunneln und Rinnen, durch die es fließen mußte. Es begann, Form anzunehmen. Walker rang nach Luft. Das Licht des schwarzen Elfensteins begann die Umrisse einer gewaltigen Festung herauszuätzen, ihre Wälle und Zinnen, Burgfriede und Türme. Mauern erhoben sich, und Tore zeichneten sich ab. Das Licht breitete sich über den Himmel aus, und das Sonnenlicht wurde verdeckt. Schatten fielen von der Burg, und er fühlte, wie er selbst darin verschwand.

Irgend etwas begann sich in ihm zu verändern. Er wurde ausgesaugt. Nein, er wurde eher aufgefüllt! Etwas, die Magie, strömte hindurch. Die andere, dachte er, schwach unter ihrem Aufprall, hilflos, und plötzlich erschrocken. Es war die Magie, die Paranor festgehalten hatte und nun in den Elfenstein gesaugt wurde.

Und in ihn.

Er knirschte mit den Zähnen, und sein Körper versteifte sich. Ich werde nicht nachgeben. Das schwarze Licht durchflutete den leeren Raum des Bildes über der Hügelkuppe, färbte es, gab ihm zuerst Substanz und dann Leben – Paranor, die Druidenfeste, zurück in die Welt der Menschen gekommen, wiedergekehrt aus dem dunklen Halbraum, der sie während all der Jahre verborgen hatte. Sie erhob sich in den Himmel, riesig und abweisend. Der schwarze Elfenstein verblaßte in Walkers Hand. Das Unlicht wurde schwächer und verlosch.

Walker fiel auf die Knie, geschüttelt von Empfindungen, die er nicht benennen konnte, verstört durch die Magie, die er absorbiert hatte und die ihn durchströmte, als wäre es sein eigenes Blut. Er schloß die Augen und schlug sie langsam wieder auf. Er sah sich selbst in einem Dunst schimmern, der seine klaren Umrisse fortstahl. Ungläubig schaute er an sich hinunter, dann wurde ihm eiskalt. Er war nicht mehr wirklich da! Er war zu seinem Gespenst geworden!

Er verdrängte sein Entsetzen und stand wieder auf, seine Hand umklammerte noch immer den schwarzen Elfenstein. Er beobachtete sich selbst, als wäre er jemand anderes, beobachtete das Schimmern seines Körpers und seiner Glieder und die überlappenden Schattierungen, die den Anschein erweckten, er sei in einzelne Teile zerlegt. Himmel, was ist mit mir geschehen! Er taumelte vorwärts, stolperte den Hügel hinauf zu der Kuppe, weil er nicht wußte, was er sonst tun sollte. Er mußte Paranor erreichen. Er mußte hineingelangen.

Der Aufstieg war lang und mühsam, und als er die eisernen Tore der Festung erreichte, rang er nach Atem. Sein Körper bewegte sich als eine Fülle von Bildern, jedes ein bißchen außerhalb der anderen. Aber er konnte atmen wie ein normaler Mensch; und er konnte fühlen wie zuvor. Das machte ihm Mut, und er eilte durch Paranors Tore. Der Stein der Festung war nur allzu wirklich, hart und rauh anzufühlen – dennoch gleichzeitig auf eine Art abweisend, die er nicht sofort benennen konnte. Die Tore öffneten sich, als er sich dagegen lehnte, als besäße er die Kraft von tausend Männern und könnte alles bezwingen, das sich ihm entgegenstellte.

Vorsichtig trat er ein. Schatten hüllten ihn ein. Er stand in der Finsternis, und ein Wispern von Tod war überall.

Dann bewegte sich etwas im Dunkel, löste sich und nahm Gestalt an – eine vierbeinige Erscheinung, schwerfällig und bedrohlich. Es war eine Moorkatze, pechschwarz mit leuchtendgelben Augen, da und nicht da, genau wie Walker selbst.

Walker erstarrte. Die Moorkatze sah genauso aus wie …

Hinter der Katze kam ein Mann zum Vorschein, alt und gebeugt, ein durchscheinender Geist, der schimmerte. Als der Mann näher kam, wurden seine Züge erkennbar.

»Endlich bist du da, Walker«, flüsterte er mit eifriger, hohler Stimme. Der Dunkle Onkel fühlte, wie sich die letzten Überreste seines Zwiespalts auflösten. Der Mann war Cogline.

33

Der König vom Silberfluß stand in seinem Garten, seinem Heiligtum, und sah zu, wie die Sonne mit dem westlichen Horizont verschmolz. Ein klarer Bach plätscherte über die Felsen zu seinen Füßen in einen Teich, aus dem ein Einhorn trank; eine sanfte Brise strich durch das Jungfernhaar und trug den Duft von Flieder und Jonquillen herüber, die Bäume raschelten, ihre Blätter leuchteten grün, und Vögel sangen zufriedene Lieder zum Tagesende, während sie sich niederließen für die herannahende Nacht.

So soll es also jetzt sein.

Die Augen, die alles sehen können, hatten den Tod seines Kindes und die Transformation des Landes des Steinkönigs mitangesehen. Den Malmschlund gab es nicht mehr. Die Stadt Eldwist war wieder in die Erde gegangen, zu den Elementen geworden, aus denen sie geschaffen war, und das Land war wieder grün und fruchtbar. Die Magie seines Kindes war tief eingewurzelt, ein Fluß, der unsichtbar um die einsame Kuppel floß, in der Uhl Belk gefangen saß. Es würde lange dauern, bis sein Bruder wieder ans Licht kommen konnte.

Schillernde Libellen surrten an ihm vorbei und verschwanden im Abendlicht.

Anderswo ging der Kampf gegen die Schattenwesen weiter. Walker Boh hatte die Magie des schwarzen Elfensteins angerufen, wie Allanon ihm auf getragen hatte, und die Druidenfeste war aus den Nebeln, die sie drei Jahrhunderte lang versteckt hatten, wieder aufgetaucht. Was, fragte sich der König vom Silberfluß, wird der Dunkle Onkel wohl von dem halten, was er dort vorfindet? Im Westen, wo einst die Elfen gelebt hatten, setzte Wren Ohmsford ihre Suche fort, um herauszufinden, was aus ihnen geworden war – und, wichtiger noch, auch wenn sie es noch nicht wußte, was aus ihr selbst werden würde. Sie hatte jetzt die Elfensteine, die ihr helfen würden; sie würde sie brauchen. Im Norden mühten sich die Brüder Par und Coll Ohmsford, zueinander zu finden und die Geheimnisse des Schwertes von Shannara und der Schattenwesenmagie zu lüften. Es gab jene, die helfen würden, und jene, die sie verraten würden, und alle die Räder des Glücks, die Allanon in Gang gesetzt hatte, konnten noch immer aufgehalten werden.

Der König vom Silberfluß stand auf, ließ sich in den Teich gleiten, genoß das kühle Naß und ließ sich eins werden mit dem Fließen. Dann stieg er heraus und wandelte über die Wege seines Gartens, zwischen Wacholderbüschen und Schierling hindurch auf ein Hügelchen mit Tausendgüldenkraut und Glockenblumen, deren Blütenblätter im Abendlicht goldene Ränder hatten. Dort blieb er wieder stehen und schaute in die jenseitige Welt hinaus.